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# taz.de -- Werk von Nobelpreisgewinner Vargas Llosa: Literarisch auf der richt…
> Mario Vargas Llosa ergreift in seinen Büchern immer wieder Partei für die
> Geknechteten. Früher satirisch, heute eher drastisch.
Bild: Sieht gar nicht so aus, aber Mario Vargas Llosa kann Folterszenen ziemlic…
Mario Vargas Llosas Popularität begann mit einer Bücherverbrennung. Tausend
Exemplare seines Erstlingsromans Die Stadt und die Hunde wurden 1964 im
Exerzierhof der Kadettenschule Leoncio Prado in Lima demonstrativ den
Flammen übergeben.
Der Autor, der diese Anstalt mit 17 Jahren ohne Abschluss fluchtartig
verlassen hatte, beschreibt in seinem Roman die brutalen
Erziehungsmethoden, mit denen junge Peruaner "zu ganzen Männern" und
"ordentlichen Staatsbürgern" gedrillt werden sollten. Die von den
Vorgesetzten ausgeübte Brutalität setzt sich in den Beziehungen der Schüler
untereinander fort. Schlägereien, Alkoholexzesse und natürlich
Bordellbesuche sind Beweise der Männlichkeit, mit denen sich vor allem neue
Zöglinge gegenüber den Kollegen beweisen müssen. Der Tod eines Kadetten
wird nicht als individuelles Verbrechen, sondern als logische Konsequenz
repressiver Verhältnisse dargestellt.
Der junge Autor bedient sich in seinen Schilderungen eines
Gestaltungsprinzips des französischen Nouveau Roman: Eine Figur
repräsentiert die äußere Welt, die Objektivität, während eine andere die
Innerlichkeit verkörpert. Ein dritter Protagonist wird von außen wie innen
betrachtet.
Bessere Werbung als eine Bücherverbrennung kann man für ein Buch schwer
machen. Der noch nicht dreißigjährige Schriftsteller, der von seinen
ehemaligen Erziehern als Kommunist und Feind Perus an den Pranger gestellt
wurde, fand sich schlagartig in die Welt der Literaten katapultiert. Damals
war er noch weitgehend einer Meinung mit seinen lateinamerikanischen
Kollegen wie Gabriel García Márquez oder Julio Cortázar, die für die
kubanische Revolution schwärmten. Vargas Llosa aber wandte sich bald von
Fidel Castro ab. Dennoch sind die meisten seiner Romane politische Bücher,
aus denen der schroffe Antikommunismus, der seine Zeitungskommentare
durchzieht, nicht herauszulesen ist.
Er verachtet zwar den Antiimperialismus seiner Kollegen, kommt aber nicht
umhin, in Werken wie Maytas Geschichte oder Das Fest des Ziegenbocks, die
unheilvolle Rolle der USA in der lateinamerikanischen Politik aufzuzeigen.
Mayta ist ein peruanischer Trotzkist, der ebenso unvermeidlich wie tragisch
scheitert. Der Ziegenbock ist der groteske Diktator Rafael Leónidas
Trujillo, der die Dominikanische Republik bis zu seinem Attentatstod 1961
wie ein Privatgut regierte.
Mit einem gesunden Antimilitarismus macht sich Vargas Llosa immer wieder
über die Armee mit ihrem verqueren Wertekodex lustig. Der Hauptmann und
sein Frauenbataillon ist eine zum Schreien komische Verulkung militärischer
Organisation, Sprache und Argumentation. Der Held des Buches, Hauptmann
Pantoja, hat die delikate Aufgabe, für seine gelangweilten Männer in einer
Urwaldgarnison eine Gruppe von Prostituierten zu rekrutieren, die - da sie
als solche nicht deklariert werden dürfen - als "Betreuerinnen" in die
militärischen Strukturen eingebunden werden.
Ähnlich komisch Tante Julia und der Kunstschreiber, eine
Verwechslungskomödie aus der späten Blütezeit der Radionovelas, die damals
genauso gebannt verfolgt wurden wie heute die Telenovelas. Ein durch den
Druck der Fließbandproduktion zunehmend gestresster Schriftsteller, der
täglich neue Episoden zu mehreren Fortsetzungsgeschichten erfinden muss,
bringt plötzlich Protagonisten der verschiedenen Novelas durcheinander, bis
ein unterhaltsames Wirrwarr herrscht, aus dem er keinen Ausweg mehr findet.
Mit diesen beiden Büchern von 1976 und 1987 scheint Vargas Llosa sein
satirisches Potenzial ausgeschöpft zu haben. Schon in seinem 1984
erschienen Roman Der Krieg am Ende der Welt nimmt er sich wieder eines
ernsten Themas an, des Massakers von Canudos in Brasilien. Dort bauen Ende
des 19. Jahrhunderts von Hungersnöten heimgesuchte Bauern den
Heilsversprechungen eines messianischen Predigers folgend eine autonome
Gemeinschaft auf. Kirche und Staat bekämpfen dieses Experiment, das
schließlich von einem gigantischen Militäraufgebot im Blut von 30.000
Menschen ertränkt wird.
Vargas Llosa versteht es, menschliches Elend drastisch darzustellen.
Manchmal zu drastisch, wie etwa der österreichische Schriftsteller Erich
Hackl meint, der dem Peruaner vorwirft, Folterszenen so realistisch zu
beschreiben, dass Voyeurismus und Morbidität bedient werden. Ganz als
Voyeur tritt der Schriftsteller in späteren Werken auf. Sein Lob der
Stiefmutter aus dem Jahr 1988, das einem Jungschriftsteller als Gehversuch
in erotischer Literatur durchgehen könnte, kann dem arrivierten Romancier
bestenfalls als Produkt verfrühter Alterstorheit angerechnet werden.
7 Oct 2010
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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