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# taz.de -- Kino-Film "Gainsbourg": Meine hässliche Fresse
> In seinem Filmdebüt "Gainsbourg - Der Mann, der die Frauen liebte"
> versucht Joann Sfar die Fallstricke des Genres Biopic zu umgehen - und
> erzählt lieber gleich ein "biografisches Märchen".
Bild: Die Gitanes auf dem Klavier und die Bardot am Hals - was braucht der Gain…
Es gibt zwei Dinge, die jeder von Serge Gainsbourg weiß: Zum einen, dass es
seine Männerstimme ist, die Jane Birkins legendäres "Je taime"-Gestöhne im
gleichnamigen "Song" mit einem trockenen "Moi non plus" beantwortet. Zum
Zweiten, dass er geraucht hat. Und zwar immer. Die wenigen Fotos, in denen
er keine Zigarette im Mund oder in der Hand hat, lassen sich getrost als
Fälschungen abtun.
In Joann Sfars Film, in Abgrenzung vom Genre "Biopic" als "biografisches
Märchen" ausgegeben, raucht schon der 11-jährige Gainsbourg, damals als
Sohn russisch-jüdischer Emigranten noch unter dem Namen Lucien Ginsburg
firmierend. In der allerersten Szene sieht man den kleinen Lucien, wie er
an einem Stummel ziehend mit der Ablehnung eines Mädchens fertig wird. Sie
hatte seine Hand nicht halten wollen, weil er hässlich sei.
Wenig später gibt der Kleine vor Selbstbewusstsein strotzend einem
Polizisten auf dem Revier Feuer, wo er sich seinen "Stern" abholt. Die
Szene spielt im von Deutschen besetzten Paris, und es handelt sich um den
Judenstern. Es ist, als ob die Aura der Blasiertheit, die sich durchs
Rauchen einstellt, Demütigungen und Niederlagen wenn nicht ins Gegenteil
verwandelt, so doch zuverlässig ins Ironische verdunsten lässt.
Karikatur mit Abstehohren
Die wesentlichen Komponenten der späteren Figur Serge Gainsbourg bringt
Joann Sfar auf diese Weise schon in den ersten Filmminuten ins Spiel: der
Raucher, der Erotomane, der stolze Außenseiter. Sfar, seines Zeichens ein
Comicautor, der mit "Gainsbourg" eine seiner eigenen Graphic Novels
verfilmt hat, will keine populärpsychologische Deutung anbieten, die aus
den Verletzungen der Kindheit den Ruhm der späteren Jahre hochrechnet. Er
interpretiert nicht, er collagiert. So ist sein Gainsbourg in vielen Szenen
gleich doppelt vorhanden. Zum einen von Eric Elmosnino in geradezu
vertrackter physischer Ähnlichkeit verkörpert und zum anderen in Gestalt
einer marionettenhaften Karikatur mit riesiger Pappnase, Abstehohren und
langen, krakenartigen Fingern, die auf den Namen "meine hässliche Fresse"
hört und für niemanden anderen als Elmosnino-Gainsbourg - und den Zuschauer
- sichtbar ist. Die "Fresse" übrigens erweist sich oft als weniger
ängstlich, selbstbewusster und natürlich zynischer als das "Original".
Solchen originellen und innovativen Ideen zum Trotz kann Sfar den gängigen
Klischees des Biopics nicht ganz entkommen. Auch sein Film folgt der
Dramaturgie eines Stationendramas, von der Kindheit im besetzten Paris über
das Verstecktwerden in einer Klosterschule, das Malereistudium in
Montmartre, den anfangs eher zufälligen Auftritten als Barpianist bis zum
Erfolg als Songschreiber für die begabtesten und schönsten Frauen seiner
Zeit.
Lieber unbeliebt
Wobei die gekonnten Personifizierungen von Juliette Greco, Brigitte Bardot,
Jane Birkin allesamt großes Vergnügen bereiten und die musikalischen
Stücke, die dazu eingespielt werden, eine schöne Einführung in das weite
Spektrum des Gainsbourgschen Schaffens geben.
In seiner liebevoll-verspielten Inszenierung geht Sfar leider etwas zu
leichthändig über die Skandale hinweg, die Gainsbourgs Biografie ausmachen.
Wo heute Popstars populär sein wollen, hat er sich stets lieber unbeliebt
gemacht. Das wirklich Erstaunliche daran ist: Alle seine Skandale wären
heute noch immer - beziehungsweise wieder - Skandale. In einer
Gesellschaft, in der wir es wieder alle besser wissen - dass man nicht
raucht, nur in Maßen trinkt und sich Frauen und besonders kleinen Mädchen
gegenüber mit sexuellen Anspielungen zurückhält -, wäre Gainsbourg erneut
das skandalöse "Schlechterwissen" der Gesellschaft.
13 Oct 2010
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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