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# taz.de -- Kommentar Proteste in Frankreich: Republik des Unbehagens
> Unbeirrt hält Nicolas Sarkozy an seiner Rentenreform fest, trotz der
> Massendemonstrationen. Peitscht er sie durchs Parlament, wird die
> Verbitterung im Volk wachsen.
Bild: Randalierende Jugendliche im Pariser Vorort Nanterre.
Wird man bald wieder, wie bei der politischen Krise von 1995, über
"französische Zustände" reden, wenn im Nachbarland die Bürger auf die
Barrikaden steigen, weil sie sich einen organisierten Rentenklau nicht
gefallen lassen wollen? Die Franzosen und Französinnen selbst erkennen
ihren Staat nicht wieder. Der soziale Wohlfahrtsstaat mutiert zu einer
Republik des Unbehagens und des Unmuts.
In den Monaten und Wochen, die jetzt schon über die Rentenreform gestritten
wird, haben sie Zeit gehabt nachzurechnen, wie viel sie diese angebliche
Anpassung an den europäischen Normalfall kosten wird. In den meisten Fällen
kommt da für die Arbeitnehmer von heute und morgen eine Kürzung der Renten
heraus. Über die Frage, ob die Opfer nicht wenigstens ein bisschen
gerechter verteilt werden könnten, will die Staatsführung nicht verhandeln.
Entsprechend wütend sind die Teilnehmer an den Massendemonstrationen. Sie
haben den Eindruck, dass der Staatschef einseitig die Spielregeln
abgeändert hat. Denn bisher galt das ungeschriebene Gesetz, dass die
Führung zurückbuchstabiert, wenn sie mit einer Vorlage Hunderttausende oder
gar Millionen auf die Straße treibt.
Nicolas Sarkozy will gegen die öffentliche Meinung, die laut Umfragen klar
auf der Seite des gewerkschaftlichen Widerstands steht, aber Recht
behalten, er will den starken Mann spielen. Seine Regierung soll darum an
der schlecht vorbereiteten Reform festhalten. Im für sie besten Falle kann
sie diese im Parlament durchdrücken. Ihr "Sieg" spiegelt dann aber nur ihr
Unvermögen wider, die eigene Bevölkerung vom Sinn und Nutzen dieser Rosskur
zu überzeugen.
Statt Applaus kann Sarkozy dafür nur Verbitterung ernten. Die Frage ist
nur, wie weit die Konfrontation von Macht und Ohnmacht des Sozialstaats in
diesem heißen Herbst noch gehen wird.
15 Oct 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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