Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte G-20-Treffen in Südkorea: Das Währungschaos
> Das G-20-Treffen der Finanzminister in Südkorea steht bevor. Doch die
> Eliten wollen die wirklichen Probleme nicht angehen. So können die
> Hauptdefekte nicht abgestellt werden.
Bild: Seit 1984 übersteigt die Kreditaufnahme der USA den Zinsendienst für ih…
Während der Jahrestagung von Weltbank und Währungsfonds bereite den Eliten
die Gefahr eines kommenden Währungskriegs große Sorgen. Auf
friedenssichernde Maßnahmen konnte man sich nicht einigen. Kein Wunder: So
wird im Wesentlichen nur das Leistungsbilanzdefizit der USA und die
Überschüsse von Ländern wie China, Japan oder Deutschland problematisiert.
In der Folge wird von den "Regulierern" der Wechselkurse, insbesondere von
China, gefordert, seine Währung dem freien Spiel des Marktes zu
überantworten.
Solche Maßnahmen berühren die Hauptdefekte des Weltwährungssystems nicht.
Diese haben nämlich ihre Ursache in der Doppelrolle des Dollars als
nationale Währung der USA und als (Ersatz-)Weltwährung. Alle globalen
Turbulenzen der letzten 40 Jahre sind direkt mit dieser Doppelrolle
verknüpft.
Drei Funktionen sind charakteristisch für den Dollar als globale "key
currency": Alle Rohstoffe notieren in Dollar, erstens. Zweitens: Die
meisten internationalen Forderungen/Verbindlichkeiten werden in Dollar
gehalten. Der Dollar fungiert als "vehicle currency" im Devisenhandel
("Zentraljeton"). Als nationale Währung - das zum dritten - sind Zinssatz
und Wechselkurs des Dollars wichtige Faktoren der Wirtschaftsentwicklung in
den USA, sie werden daher in hohem Maß von ihrer Politik beeinflusst.
Die Konflikte zwischen den "national-ökonomischen" Interessen der USA und
den "global-ökonomischen" Interessen des Gesamtsystems an einer stabilen
Weltwährung prägten die Wirtschaftsentwicklung seit Anfang der 1970er
Jahre. Nachdem die USA 1971 das System fester Wechselkurse aufgekündigt
hatten (aus nationalem Interesse), verlor der Dollar 25 Prozent an Wert.
Dadurch wurden jene Länder massiv benachteiligt, die nur über ein einziges
Exportgut verfügten, das in Dollar notiert: die Erdölexporteure. Sie
"revanchierten" sich 1973 mit dem Ölpreisschock, welcher die erste
weltweite Rezession auslöste.
Drei Jahre später wiederholte sich diese Sequenz: Als Folge einer
Niedrigzinspolitik zur Stimulierung der US-Wirtschaft sank der Dollar
neuerlich um 25 Prozent, 1979 erfolgte der zweite Ölpreisschock, der wieder
eine Rezession nach sich zog.
Die Rezession 1980/82 war besonders hartnäckig, weil die US-Notenbank einen
Kurswechsel zu einer extremen Hochzinspolitik vollzog mit dem
"nationalökonomischen" Ziel, die US-Inflation zu brechen - sie war durch
die Ölpreisschocks enorm angestiegen. Die hohen Zinsen trugen wiederum
wesentlich zur exorbitanten Dollaraufwertung zwischen 1980 und 1985 bei.
Damit wurde die gesamte Auslandsschuld der Entwicklungsländer (insbesondere
in Lateinamerika) drastisch ausgewertet. 1982 brach die internationale
Schuldenkrise aus.
Das nationale Interesse der USA
In den 1990er Jahren ergab sich eine ähnliche Entwicklung, diesmal in
Ostasien. Die "Tigerstaaten" hatten ihren Boom teilweise durch
Auslandskredite in Dollar finanziert, als der Dollarkurs 1995 zu steigen
begann (Folge der US-Geldpolitik). Dadurch wurden die Dollarschulden
aufgewertet, 1997 brach die Schuldenkrise der "Tiger" aus.
Die Doppelrolle des Dollars ist auch hauptverantwortlich für die
gigantische Auslandsverschuldung der USA. Dadurch können die USA als
einziges Land Kredite in eigener Währung aufnehmen, also unbeschränkt mehr
Güter importieren als exportieren und als "Gegenleistung"
Dollargutschriften ausstellen. Überdies zahlen die USA für ihre Schulden
keine Zinsen: Seit 1984 übersteigt die Kreditaufnahme der USA den
Zinsendienst für ihre Auslandsschuld, sie verhalten sich wie jener Charles
Ponzi, der 1919 in Boston jedem Anleger hohe Zinsen versprach und diese
zunächst durch zusätzliche Einlagen "bezahlte" - ehe das Pyramidenspiel
zusammenbrach.
Das müssen die USA nicht befürchten. Denn "chronische" Überschussländer wie
Deutschland, Japan oder China wollen ja weiterhin mehr Waren in die USA
exportieren als importieren, ein echter Zinsendienst ist aber nur möglich,
wenn das Gläubigerland ein Defizit und das Schuldnerland einen Überschuss
in der Leistungsbilanz erzielt. Die Exportüberschüsse werden sich daher als
Geschenke an das Schuldnerland USA entpuppen.
Die hohen Schulden erleichtern es den USA auch, den Dollarkurs zu
schwächen, um die eigene Wirtschaft zu stützen: In allen Rezessionen der
letzten 25 Jahre gelang dieses "talking the dollar down". Und auch derzeit
setzen die USA dieses Mittel erfolgreich ein, obwohl der Dollar schon jetzt
gegenüber dem Euro und Yen drastisch unterbewertet ist. Wie sagte der
US-Finanzminister John Connally schon in den 1970ern so treffend: "Our
currency, your problem."
"Globo" als neue Leitwährung?
Aufgrund der "Doppelrollen-Problematik" hatte Keynes 1944 bei den
Verhandlungen in Bretton Woods die Schaffung einer supranationalen Währung
("Bancor") vorgeschlagen, welche aus einem Bündel der wichtigsten
nationalen Währungen bestehen sollte. Er konnte sich nicht durchsetzen. Die
neue Hegemonialmacht USA wollte - nach dem britischen Pfund - nunmehr ihre
Währung als Leitwährung sehen.
Wie könnte eine neue Weltwährung unter heutigen Bedingungen gestaltet sein?
Es würde reichen, wenn der "Globo" den Dollar, Euro, Renminbi und Yen
umfasste. Die drei Wechselkurse zwischen diesen Währungen sollten innerhalb
enger Bandbreiten stabilisiert werden (wie in der EU zwischen 1986 und
1992). Das Niveau der Wechselkurse orientiert sich an der Kaufkraftparität
handelbarer Güter und Dienstleistungen (in diesem Fall hat kein Land einen
wechselkursbedingten Preisvorteil). Die Währungen der übrigen Länder werden
in Relation zum "Globo" stabilisiert.
Da die Eliten die Welt noch immer/schon wieder mit neoliberaler Brille
betrachten und daher die systemischen Defekte der herrschenden
Währungs(un)ordnung nicht begreifen, kommen zur Sparpolitik im
EU-Gleichschritt demnächst auch noch Abwertungswettläufe. Doppeltrost zum
Schluss: Beides wird viel milder ausfallen als nach 1930, und eine
supranationale Weltwährung wird kommen, dermaleinst.
17 Oct 2010
## AUTOREN
Stephan Schulmeister
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.