# taz.de -- Deutsche ICEs im Eurotunnel: Verletzter Nationalstolz | |
> Zum ersten Mal fährt ein ICE der Deutschen Bahn durch den Eurotunnel. Für | |
> die Regierung in Paris ist das ein Politikum. Denn der Eurostar der | |
> Zukunft kommt von Siemens. | |
Bild: Zukünftig will die Deutsche Bahn Direktverbindungen von Deutschland nach… | |
PARIS taz | In der Nacht zum Dienstag soll erstmals ein ICE der Deutschen | |
Bahn den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal durchqueren und bis nach London | |
fahren. Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer | |
(CSU) wollen dort den Zug präsentieren, mit dem die Bahn ab 2013 eine | |
durchgehende Verbindung in die britische Hauptstadt anbietet. | |
Bereits in der Nacht zu Sonntag sei ein Evakuierungstest der Deutschen Bahn | |
im Tunnel erfolgreich gewesen, sagte eine Sprecherin von Eurotunnel. Der | |
Test war nötig, damit künftig auch die von Siemens gebauten ICE 3 durch den | |
Tunnel zwischen Frankreich und Großbritannien rollen können. Der | |
Tunnelbetreiber Eurostar hatte am Donnerstag angekündigt, einen Auftrag für | |
neue Züge im Wert von rund 600 Millionen Euro an Siemens zu vergeben - ein | |
Politikum in Frankreich. | |
Offiziell reagierte die französische Regierung mit "Erstaunen", inoffiziell | |
aber mit verletztem Nationalstolz auf die Meldung. Denn die staatliche | |
französische Bahngesellschaft SNCF ist mit 55 Prozent Kapitalanteil | |
Mehrheitsaktionär von Eurostar. Und bisher galt die ungeschriebene Regel, | |
dass die französische Bahngesellschaft beim einheimischen Zulieferer Alstom | |
einkauft. | |
Für die Firma in Belfort kann es darum bei Eurostar nicht mit rechten | |
Dingen zugegangen sein: Der Valero-Zug von Siemens entspreche nicht den | |
neuesten Sicherheitsauflagen für den Eurotunnel, und dies sei bei der | |
Auftragserteilung nicht in Betracht gezogen worden, teilte Alstom-Transport | |
in einem Communiqué in der vergangenen Woche mit. Dieses Argument griffen | |
auch zwei Minister der Pariser Regierung auf ihrer Pressekonferenz zum | |
Eurostar-Affront auf. | |
Die "Heimniederlage" von Alstom ist bezeichnend für einen spürbar härter | |
gewordenen Wettbewerb im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge. Heute | |
kämpfen Konkurrenten wie Bombardier (Kanada), Siemens (Deutschland) oder | |
Kawasaki (Japan) mit ebenfalls attraktiven Technologien um einen Markt, in | |
dem Alstom bisher mit einem Anteil von rund 40 Prozent weltweit führend | |
war. "Zu Hause" kann Alstom weder in diesem noch in den beiden nächsten | |
Jahren mit Bestellungen der SNCF rechnen. Diese wird von den teuren | |
TGV-Schienenbaukosten der Vergangenheit eingeholt. | |
Sie ist seit 1997 nicht mehr Eigentümerin der Gleise, auf denen ihre Züge | |
rollen. Als der Staat damals die Schienen samt Schulden von fast 30 | |
Milliarden Euro einer neuen staatlichen Gesellschaft, Réseau Ferré de | |
France (RFF), übertrug, fiel den SNCF-Verantwortlichen zuerst ein Stein vom | |
Herzen. Für die Benutzung der Schieneninfrastruktur stellt die RFF aber | |
jetzt der SNCF stetig steigende Rechnungen aus. | |
Auch im Bereich Kraftwerkstechnik, in dem Siemens und Alstom ebenfalls als | |
Konkurrenten agieren, sind die Franzosen mit einer sinkenden Nachfrage | |
konfrontiert. Neben der Option längerer Laufzeiten bestehender Anlagen wird | |
vor allem die Krise als Grund für ausbleibende oder verschobene Aufträge | |
für neue Kraftwerke verantwortlich gemacht. | |
4.000 Stellen sollen deswegen vor allem in Europa, davon fast 600 in | |
Deutschland und 760 in der Schweiz, abgebaut werden. Im Stammwerk Belfort | |
sollen rund 100 Stellen gestrichen und zwei Abteilungen geschlossen werden. | |
17 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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