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# taz.de -- Gefangene Taliban in Afghanistan: "Sie stellen keine Bedrohung mehr…
> Die Nato-Militäroffensive gegen die Taliban führt zu immer mehr
> Festnahmen. Diese sorgen in der Bevölkerung für Ärger, den die
> US-Militärs gerne delegieren.
Bild: Nicht immer braucht es Soldaten: Afghanische Polizei im Einsatz.
Der Helikopter wirbelt Luft auf, es herrscht Hektik im Militärcamp in
Kabul. Doch plötzlich sind die zwei Gefangenen da. Sie sehen nicht wie
furchterregende Taliban aus. Dawood geht gar an Krücken. Der kleine Mann
Mitte 40 humpelt und trägt braune Prothesenschuhe. Haare und Bart sind
ordentlich geschnitten. Er wirkt froh und entspannt.
Ahmed, neben ihm, ist um die 50, mit weißen Haaren und weißem Bart. Er
lächelt mild. Beide saßen zehn Monate im US-Militärgefängnis Bagram bei
Kabul. Dort gibt es 1.100 Gefangene. 220 wurden 2010 bereits freigelassen,
darunter Dawood und Ahmed. "Wir sind froh, dass wir gehen können", sagen
sie. Der Helikopter bringt sie in ihre Heimatprovinz Logar. Dort hat das
US-Militär eine Versammlung von Stammesältesten organisiert.
Captain Pamela Kunze von der US-Navy begleitet die Gefangenen und sagt:
"Sie stellen keine Bedrohung mehr dar." Sie müssten vor der
Dorfgemeinschaft eine Erklärung unterzeichnen, in der sie der Gewalt
abschwören. Davon erhofft man sich, dass die Gemeinschaft künftig ein Auge
auf die Exhäftlinge hat. Danach sind sie offiziell entlassen. Logar umfasst
ein idyllisches Tal 60 Kilometer südlich von Kabul, das die Taliban vor
vier Jahren unter ihre Kontrolle zu bringen begannen. Der vorige Gouverneur
starb 2008 bei einem Anschlag. Im August wurden zwei Soldaten einer
US-Spezialeinheit in einem Hinterhalt erschossen.
Neben den Amerikanern sind hier auch jordanische Truppen stationiert. Die
Amerikaner überlassen ihnen für die feierliche Freilassung der Gefangenen
die Bühne. Ihr Kommandeur empfängt die beiden Männer in seiner Baracke und
plaudert mit ihnen über Mekka. Jordanien beteiligt sich neben den
Vereinigten Arabischen Emiraten als einziger islamischer Staat am
Afghanistankrieg der Nato. Selbst in Jordanien wissen das nur wenige, denn
die Regierung fürchtet, dass dies bei der eigenen Bevölkerung schlecht
ankommt. 500 Jordanier sollen in Logar stationiert sein. Die Isaf gibt ihre
Zahl offiziell nur mit 6 an.
"Das ist hier Afghanistans zweitgefährlichster Ort nach Helmand", erklärt
ein jordanischer Soldat. Als islamisches Land habe Jordanien einen
Vertrauensvorschuss bei der Bevölkerung. Und er erklärt, was seiner Ansicht
nach in Logar falsch läuft: "Sie bringen ihnen den falschen Islam bei, der
aus Pakistan kommt. Unser Imam versucht das zu ändern." Denn auch der
Militärgeistliche der Jordanier empfängt die Entlassenen. Der Koran wird
geküsst, es wird gebetet.
"Wir wurden wegen nichts eingesperrt", beteuern Dawood und Ahmed.
Provinzgouverneur Attiqullah Ludin umarmt sie und sagt: "Das Gefängnis ist
ein schlechter Ort. Wir wollen, dass alle anderen auch heimkommen." Kunze
sagt: "Es ist schwer zu glauben, dass die beiden unschuldig sind." Den
Haftgrund verrät sie nicht. Nur: "Die meisten Gefangennahmen haben mit
Sprengfallen zu tun." Die billig herzustellenden Minen, mit denen die
Taliban täglich Soldaten und Zivilisten töten, sind die erfolgreichste
Waffe der Aufständischen. "Wir haben legitime Gründe für Festnahmen",
versichert Kunze: "Wir verlassen uns nie nur auf eine Quelle."
Der Ex-Mudschaheddin-Kommandeur Assadullah Fallah, der einst die Sowjets
bekämpfte, stammt aus der Nachbarschaft eines der Gefangenen. Fallah
überzeugt die Arbeit der westlichen Truppen nicht: "Es ist wie vor vielen
Jahren mit den Russen. Sie haben schlechte Informanten und Übersetzer." Die
Gefangennahmen hätten die Einstellung der Menschen zu den ausländischen
Truppen verändert. Die Leute hätten Angst vor ihnen. "Diese Schura machen
sie nur, weil sie um die schlechten Gefühle der Menschen wissen." Es sei
mehr eine Show, um zu zeigen, dass Gefangene freigelassen würden, als eine
richtige Schura.
Auch der Einsatz der Jordanier sei wenig zielführend: "Die meisten können
sie doch gar nicht von Amerikanern unterscheiden. Sie haben die gleichen
Waffen und Uniformen. Manche wissen, dass sie Muslime sind, andere nicht."
Generell seien hier alle gegen fremde Soldaten.
22 Oct 2010
## AUTOREN
Agnes Tandler
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