# taz.de -- WikiLeaks verbreitet 400.000 Geheimakten: Neue Enthüllungen über … | |
> WikiLeaks enthüllt 400.000 Militärdokumente über den Irakkrieg. Demnach | |
> wurden bis zu 15.000 Iraker mehr getötet als bislang berichtet und vielen | |
> Foltervorwürfen nicht nachgegangen. | |
Bild: Neue Aufschlüsse über das Vorgehen der US-Armee: Hier bewachen US-Infan… | |
WASHINGTON dapd | Trotz der Warnungen des Pentagons hat die umstrittene | |
Internetplattform WikiLeaks fast 400.000 angebliche Geheimakten zum | |
Irakkrieg veröffentlicht. Die Dokumente, die von den US-Streitkräften und | |
dem US-Geheimdienst stammen sollen, belegen laut der britischen | |
Antikriegsgruppe Iraq Body Count, dass bis zu 15.000 mehr Iraker dem Krieg | |
zum Opfer fielen, als bislang angegeben. Demnach könnte die Zahl der bisher | |
im Irakkrieg getöteten Zivilpersonen bei 122.000 liegen. | |
Die knapp 400.000 Dokumente, die in der Nacht zum Samstag auf der Website | |
wikileaks.org veröffentlicht wurden, decken den Zeitraum von Jahresbeginn | |
2004 bis zum 1. Januar 2010 ab. Es handelt sich um die bislang größte | |
Preisgabe geheimer Information in der Geschichte der USA. Die Dokumente | |
wurden größtenteils von jungen Feldoffizieren verfasst. Nähere Angaben zum | |
Ursprung der Geheimakten machte WikiLeaks nicht. | |
Gefechtsberichte in trockener Sprache | |
In straffer, trockener Sprache schildern die angeblichen Geheimakten | |
tausende Gefechte mit Aufständischen, Bombenanschläge und Fahrzeugpannen. | |
Aber das WikiLeaks-Material beschreibt auch Offiziere, die sich in einem | |
komplizierten und chaotischen Konflikt wiederfanden und oft nicht mehr tun | |
konnten, als Übergriffe ihrer irakischen Verbündeten an ihre Vorgesetzten | |
zu melden. | |
Die Militärdokumente legen nahe, dass die US-Streitkräfte schweren | |
Missbrauchsvorwürfen gegen irakische Sicherheitskräfte oftmals nicht | |
nachgegangen sind. Es werden zahlreiche Fälle aufgeführt, in denen | |
US-Soldaten Hinweise über Misshandlungen, Folterungen und Morde durch | |
irakische Sicherheitskräfte dokumentiert, an ihre Vorgesetzten gemeldet und | |
den Fall dann geschlossen haben. Unter den nun veröffentlichten Berichten | |
finden sich mindestens 300 derartige Vorfälle. | |
In einem Fall aus dem August 2006 berichtete ein Soldat von einem | |
Gefangenen, der behauptete, von irakischen Polizisten in Handschellen an | |
die Decke gehängt worden zu sein. Der des Mordes verdächtigte Gefangene | |
berichtete demnach, dass die Polizisten ihn mit kochendem Wasser gefoltert | |
und mit Stöcken geschlagen hätten. Die amerikanische Einheit, die den Fall | |
aufnahm und dokumentierte, benachrichtigte das Büro des irakischen | |
Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und schloss damit den Fall ab. | |
Festnehmen, "sobald er aus dem Urlaub zurück ist" | |
Andere Meldungen sind nur eine Zeile lang. "Das Individuum berichtete, sie | |
sei geschlagen und vergewaltigt worden, weil sie sich geweigert habe mit | |
der IP (irakischen Polizei) zu kooperieren", heißt es in einer Mitteilung | |
aus der Stadt Tikrit aus dem Jahr 2007. Ein Verbindungsteam der | |
US-Streitkräfte machte im November 2007 in Mosul Fotos von einem mit | |
Schrammen und blauen Flecken übersäten Mann. | |
Er sei festgenommen worden, nachdem er eine Bombe auf dem Dach seines | |
Lastwagens gefunden habe, berichtete er. Auf die Verletzungen des Manns | |
angesprochen, sagte der zuständige irakische Offizier laut der Dokumente, | |
ein ihm untergeordneter Soldat sei für die Misshandlung verantwortlich und | |
er werde ihn "unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub" festnehmen. | |
Damit war auch dieser Fall geschlossen. | |
Ein Sprecher des Pentagons sagte, die US-Soldaten seien verpflichtet, jeden | |
Missbrauchsfall, den sie mitbekommen, an ihre Vorgesetzten zu melden. Die | |
Politik der Streitkräfte sei es, diese Informationen der irakischen | |
Regierung "auf angemessener Ebene" mitzuteilen. Andere Dokumente | |
beschreiben aber auch die Versuche der US-Soldaten, Misshandlungen zu | |
verhindern. | |
Pentagon verurteilte Veröffentlichung der Geheimakten | |
Das Pentagon verurteilte unterdessen die Veröffentlichung der | |
Militärdokumente im Internet. Sie könne die Sicherheit der USA gefährden | |
und vor allem den US-Streitkräften im Irak schaden, sagte Pentagon-Sprecher | |
Geoff Morrell. In den veröffentlichten Geheimakten würden auch 300 Iraker | |
genannt, die nun "besonders anfällig für Vergeltungsangriffe" seien. | |
WikiLeaks hatte bereits im Juli Aufsehen erregt, als die Organisation fast | |
77.000 Geheimakten über den Krieg in Afghanistan ins Netz stellte. | |
23 Oct 2010 | |
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