# taz.de -- CDU-Politiker Altmaier über Atomkurs: "Grüne und Union sind koali… | |
> Die AKW-Debatte habe an Brisanz verloren, meint der CDU-Politiker Peter | |
> Altmaier. Er verteidigt die Atompolitik von Schwarz-Gelb, sagt aber auch, | |
> alle Gesetze sind reversibel. | |
Bild: Dämmert da ein schwarz-grüner Kompromiss? Das AKW Biblis im Morgenlicht. | |
taz: Herr Altmaier, Schwarz-Gelb wird heute im Bundestag die AKW-Laufzeiten | |
verlängern. Sie schüren damit einen gesellschaftlichen Großkonflikt. Warum | |
riskieren Sie das? | |
Peter Altmaier: Es wird zu keinem gesellschaftlichen Großkonflikt kommen. | |
Die Union stellt ja den Ausstieg nicht infrage. Wir verlängern moderat die | |
Laufzeiten, mehr nicht. Die AKW-Debatte hat erheblich an Brisanz verloren. | |
Denn es gibt den Konsens, dass wir mittelfristig auf erneuerbare Energien | |
umstellen. | |
Genau diesen Konsens kündigt Schwarz-Gelb heute auf. | |
Nein, auch die Union will den Übergang zu erneuerbaren Energien. Deshalb | |
haben wir den rot-grünen Ausstieg nicht rückgängig gemacht, sondern nur | |
dessen unrealistische Teile verändert. | |
Und die Anti-AKW-Demonstrationen und die Proteste gegen den | |
Castor-Transport? Beeindruckt Sie das nicht? | |
Demonstrationen gehören zum politischen Meinungskampf. Mir fällt auf: Die | |
Demonstrationen waren bisher friedlich und sachlich. Das sind nicht mehr | |
die ideologischen Konflikte der 70er und 80er Jahre. Die Grünen haben im | |
Atomkompromiss mit Schröder anerkannt, dass die AKWs noch eine Zeit | |
weiterlaufen werden. Atomkraft taugt auch aus Sicht der Grünen nicht mehr | |
für ideologische Debatten. | |
Cem Özdemir sagt: "Ein Bündnis mit einer CDU, die die Atomkraft verlängern | |
will, ist undenkbar." Also Schluss mit Schwarz-Grün. Ist es das wert? | |
Seit ich mit Cem Özdemir in der Pizza-Connection in den 90er Jahren | |
angefangen habe über Gemeinsamkeiten zwischen uns zu reden, hat sich das | |
Verhältnis von Grünen und CDU verändert, zum Positiven. Grüne und Union | |
sind, siehe Hamburg und Saarland, prinzipiell koalitionsfähig. Ich glaube | |
nicht, dass die Spitze der Grünen die Tür für Schwarz-Grün endgültig | |
zuschlagen will. | |
Renate Künast hat es schon klacken gehört, als die Union die Tür zu | |
Schwarz-Grün zuzog. | |
Türen, die zu sind, kann man wieder öffnen. Niemand hat den Schlüssel | |
herumgedreht. | |
Das heißt: Schwarz-Gelb beschließt heute die Laufzeitverlängerung. Aber | |
2013 ist wieder alles verhandelbar? | |
Wir haben die Laufzeitverlängerung 2009 angekündigt. Dafür sind wir gewählt | |
worden. Es ist legitim zu tun, was wir angekündigt haben. Grundsätzlich | |
sind alle Gesetze reversibel. | |
Würde die Union die Laufzeitverlängerung für Schwarz-Grün 2013 rückgängig | |
machen? | |
Das ist die völlig falsche Frage. Wir kämpfen dafür, die bestehende | |
schwarz-gelbe Koalition fortzusetzen. Auch 2013. | |
Sie sind meilenweit von einer schwarz-gelben Mehrheit entfernt. | |
Für Gerhard Schröder haben die Umfragen fast nie gut ausgesehen. Trotzdem | |
hat Rot-Grün sieben Jahren regiert. Also Vorsicht. Keiner weiß, was in drei | |
Jahren ist. Klar ist aber, worum es jetzt geht. Union und Grüne sollten | |
dafür sorgen, dass der gesellschaftliche Konflikt nicht eskaliert. Es gibt | |
ja auch Gemeinsamkeiten. Wir wollen beide die erneuerbaren Energien | |
fördern. | |
Genau das verhindern Sie mit der Laufzeitverlängerung, die die Erneuerbaren | |
nicht fördert, sondern bremst. | |
Wir müssen unsere ehrgeizigen Klimaziele erreichen. Und wir müssen | |
Arbeitsplätze sichern, auch in energieintensiven Branchen. Das wird mit | |
Kernkraft viel leichter. Wir müssen die Zeit nutzen, um Speichertechniken | |
und Netze auszubauen und in der EU für erneuerbare Energien zu werben. Und | |
verhindern, dass aus der EU billiger Atomstrom nach Deutschland importiert | |
wird. | |
Deutschland exportiert derzeit Strom. | |
Das war in den letzten zehn Jahren mal so, mal so. Ich glaube, wir werden | |
erst in den nächsten ein, zwei, drei Jahren feststellen, welche konkreten | |
Auswirkungen die Laufzeitverlängerung haben wird. Aber: Wir werden das | |
erste EU-Land sein, das seinen Bedarf wesentlich aus regenerativen Energien | |
deckt. | |
Warum aber meinen viele Wissenschaftler, dass die Laufzeitverlängerung den | |
Umbau enorm verzögert. Haben die alle keine Ahnung? | |
Wir haben unsere Entscheidung auf schlüssiger wissenschaftlicher Grundlage | |
gefällt. Andere berufen sich auf andere Wissenschaftler. Das kommt vor. | |
Wenn Sie Ihre Argumente so schlüssig finden, warum geben Sie die Abstimmung | |
dann nicht frei? Eine Entscheidung, die Risiken über Jahrmillionen | |
betrifft, ist eine Gewissensfrage. | |
Ich darf daran erinnern, dass laut Grundgesetz alle Abstimmungen im | |
Bundestag frei sind. | |
Wir dürfen daran erinnern, dass es einen Fraktionszwang gibt. Heben Sie den | |
auf? | |
Ich bin seit einem Jahr parlamentarischer Geschäftsführer. Ich habe noch in | |
keinem einzigen Fall Druck auf "Abweichler" ausgeübt. Aber in diesem Fall | |
wünschen wir, dass die Mehrheitsentscheidung der Fraktion von möglichst | |
vielen Abgeordneten geteilt wird. Ich gehe davon aus, dass es bis auf ganz | |
wenige Ausnahmen auch geschieht. | |
27 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
M. Kreutzfeldt | |
S. Reinecke | |
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