# taz.de -- Waffencontainer in Nigeria entdeckt: Raketenwerfer statt Glaswolle | |
> Wochenlang waren im Hafen von Lagos 13 Container mit einem umfangreichen | |
> Rüstungsarsenal unentdeckt geblieben. Eigentlich sollten sie | |
> Baumaterialien enthalten. | |
Bild: Könnten ganze Städte auslöschen: Sichergestellte Waffen im Hafen von L… | |
BERLIN taz | Raketenwerfer, Sturmgewehre, schwere Geschütze, Granaten - das | |
gigantische Waffenarsenal, das kürzlich im Hafen von Nigerias größter Stadt | |
Lagos gefunden wurde, hat Ängste vor einem Rüstungswettlauf im unruhigen | |
Westafrika ausgelöst. "Beschlagnahmte Waffen können Städte auslöschen", | |
titelte am gestrigen Sonntag die nigerianische Tageszeitung Sun; der | |
seriösere Guardian widmete sich gleich der nächsten befürchteten | |
Sicherheitslücke: "Sorge um Frachtsicherheit am Flughafen von Lagos." | |
Die dreizehn Container mit leichten und schweren Rüstungsgütern waren am | |
vergangenen Dienstag in einer Lagerhalle des Hafens von Lagos entdeckt | |
worden, als sie zum Weitertransport nach Gambia verladen werden sollten. | |
Die französische Reederei CMA CGM bestätigte Ende letzter Woche, ihr Schiff | |
"MV Everest" habe die 13 Container ursprünglich im iranischen Hafen Bandar | |
Abbas abgeholt. | |
Den Frachtpapieren zufolge enthielt die von einem iranischen Reeder | |
gelieferte und versiegelte Ladung "Glaswolle und Steinpellets" für Nigeria. | |
Die Container seien, sagte Nigerias Zollsprecher Wale Adeniyi gegenüber | |
Journalisten, am 10. Juli in Lagos abgeladen und dann in eine Lagerhalle | |
des nigerianischen Zolls gebracht worden, wo sie dann versiegelt blieben - | |
im riesigen Hafen von Lagos können Wochen vergehen, bevor Seefracht durch | |
den Zoll kommt. Letzte Woche habe der iranische Frachtbesitzer gebeten, die | |
Container wieder einzuladen und nach Gambia zu schicken. Die nigerianische | |
Staatssicherheit SSS habe die Container dann überprüft, als dem Zoll | |
auffiel, dass die nötigen Papiere für eine Veränderung des Zielhafens | |
unvollständig waren. | |
Den Schiffspapieren zufolge war die letzte Station der "MV Everest" vor der | |
Ankunft in Lagos der Hafen von Mumbai in Indien gewesen. Deshalb hatte es | |
in ersten Berichten geheißen, die Waffen seien eventuell aus Indien | |
gekommen. Für Verwirrung sorgten dann Berichte aus Israel, wonach die | |
Waffen für Hamas im Gazastreifen hätten bestimmt sein können. Irans | |
Botschaft in Nigeria erklärte, sie werde möglicherweise in den kommenden | |
Tagen eine Erklärung abgeben. Nigerianischen Presseberichten zufolge hat | |
ein iranischer Geschäftsmann, der mit den Waffenlieferungen zu tun haben | |
soll, Zuflucht in der iranischen Botschaft in der Hauptstadt Abuja gesucht. | |
Sorgen bereitet das mysteriöse Waffenarsenal in Nigeria aber auch wegen der | |
sich verschlechternden Sicherheitslage im Land selbst und in Westafrika | |
insgesamt. Im April 2011 stehen in Nigeria Wahlen an, und viele Beobachter | |
erwarten eine Zunahme von Milizenaktivitäten und Anhäufung von privaten | |
Waffenarsenalen im Vorfeld des Wahlkampfs. Am 1. Oktober verübten | |
mutmaßliche Rebellen aus den Ölgebieten in Nigerias Niger-Flussdelta zwei | |
Bombenanschläge auf die Feiern zum 50. Unabhängigkeitsjahrestag in Abuja | |
und töteten zwölf Menschen. Nahe der zwischen Christen und Muslimen | |
geteilten zentralnigerianischen Stadt Jos starben vergangene Woche sechs | |
Menschen beim Angriff einer mutmaßlich muslimischen Miliz auf ein | |
christliches Dorf; Massaker an Hunderten Muslimen in dieser Region im März | |
2010 hatten zu einer Radikalisierung unter örtlichen Muslimen geführt. | |
Die islamistische Sekte "Boko Haram", verantwortlich für blutig | |
niedergeschlagene Aufstände in mehreren Städten Nordnigerias im Juli 2009, | |
ist in den letzten zwei Wochen erstmals wieder mit Überfällen auf | |
Polizeistationen in Erscheinung getreten. "Boko Haram" soll mittlerweile | |
Verbindungen zu der in Algerien, Mauretanien, Mali und Nigeraktiven | |
"al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQMI) unterhalten. | |
"Es beruhigt zwar, dass die Waffen im Transit waren, aber dies darf nicht | |
unsere Aufmerksamkeit von den Aktivitäten von Gruppen ablenken, die | |
militant geworden sind", erklärte der frühere Gouverneur des Bundesstaates | |
Ekiti, Otunba Niyi Adebayo, gegenüber der Zeitung Sunday Vanguard. "Die | |
importierten Waffen sind nicht solche, die man für Gewalt im Zusammenhang | |
mit Wahlen einsetzt. Sie sind dafür geeignet, Krieg gegen den Staat zu | |
führen." | |
31 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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