# taz.de -- Buch von Claudia Pechstein: Böse sind nur die anderen | |
> Eisschnellläuferin Claudia Pechstein sieht sich in ihrem Buch als Opfer. | |
> Auch an Suizid habe sie gedacht. Ihre Gegner geht die Dopingsünderin hart | |
> an. | |
Bild: Abrechnung auf 500 Seiten: Die als Dopingsünderin verurteilte Claudia Pe… | |
Zweimal musste Oliver Schwarzkopf nachhaken, dann ratterte Claudia | |
Pechstein endlich ihr Bekenntnis, auf das der Verleger schon bei seinem | |
ersten Vorstoß gewartet hatte, herunter: "Ich hatte den Gedanken, dass ich | |
den einfachsten Weg gehen und meinem Leben ein Ende setzen wollte", sagte | |
sie und blickte so traurig drein, wie es eben ging. | |
Sie sei überdies "in Behandlung", ließ die Eisschnellläuferin im | |
erzwungenen Ruhestand, die immer noch eine zweijährige Sperre wegen Dopings | |
absitzt, wissen. Ob sie von einem Gastroenterologen, einem Endokrinologen | |
oder von einem Psychiater behandelt wird, das verriet Pechstein freilich | |
nicht. | |
Der Fall, der gar kein Fall sei, so Pechstein, habe sie irgendwie krank | |
gemacht. "Das ist Wahnsinn, wie man mit mir umgegangen ist." Ihre Antwort | |
auf den erlittenen Wahnsinn ist ziemlich lang ausgefallen. | |
Ihr gestern in einem Berliner Hotel vorgestelltes Buch "Von Gold und Blut. | |
Mein Leben zwischen Olymp und Hölle" hat fast 500 Seiten. Es erscheint zwei | |
Tage vor dem Todestag von Robert Enke, der sich in stiller Verzweiflung vor | |
Jahresfrist vor einen Zug geworfen hat. | |
Ein Kommentator der Welt am Sonntag kam am Wochenende auf die ziemlich nahe | |
liegende Idee, dass hinter dem Pechsteinschen Bekenntnis Kalkül stecken | |
könnte und man auf der Depri-Welle ein wenig mitreiten wolle, doch diesen | |
Vorwurf wies das Pechstein-Lager gestern als unerhört und zynisch zurück. | |
Einem Journalisten sei schon seit einem Jahr bekannt, wie schlecht es der | |
Olympiasiegerin gehe, stellte Ralf Grengel klar, Leiter der Medienkampagne, | |
die den Titel "Free Claudia Pechstein" tragen könnte. Grengel ist | |
Pechsteins Manager und hat auch das Buch geschrieben. Der geschulte PR-Mann | |
präsentierte zum Beweis eine SMS des besagten Medienmenschen. | |
Aha, dachte man, Pechstein hats also auch erwischt. Irgendwie scheint es in | |
diesen Tagen nicht unschick zu sein, von dunklen Gedanken zu berichten. | |
Fast könnte man denken, aus einem Tabu sei ein verkaufsförderndes Argument | |
geworden. Aber das ist ein unerhörter, ein zynischer Gedanke. | |
Wie immer in den vergangenen Monaten ließen Grengel, Pechstein und Co | |
keinen Zweifel daran, dass die einstige "Gold-Claudi" natürlich unschuldig | |
und zu Unrecht verurteilt wurde. Alle haben sie keine Ahnung, die Richter | |
des internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne, die Richter des | |
Schweizer Bundesgerichts, "Möchtegern-Experten", die deutschen | |
Sportfunktionäre und die kritischen Journalisten sowieso. Ihnen wird ein | |
eigenes Kapitel im Buch gewidmet, Überschrift: "Von Journalisten und | |
Hexenjägern". | |
Da werden die Bösewichter dann alle namentlich genannt, dahinter steckt der | |
kaum verhohlene Vorwurf: Wieso konntet ihr mir, dem Opfer, nicht glauben, | |
warum seid ihr nicht Teil meiner Kampagne gewesen? Und natürlich | |
präsentierte Grengel erneut wasserdichte Beweise, zerrte erneut Gutachten | |
von "führenden" Blutspezialisten aus der Tasche und präsentierte erneut | |
eine derart dichte Beweiskette, dass einem die Ohren schlackerten. | |
Das Motiv ihrer Schriftstellerei war dann ebenso wenig ein Geheimnis wie | |
das baldige Comeback der Leistungssportlerin aus Berlin-Hohenschönhausen: | |
"Ein Buch ist nun mal eine gewisse Abrechnung", sagte sie. Ein Rundumschlag | |
macht sich vor allem dann gut, wenn die "Liste der Feinde" in den | |
vergangenen Monaten "größer geworden ist". | |
Böse sind zum Beispiel der Journalist und Blogger Jens Weinreich, böse ist | |
der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach (weil er | |
mit Sekt der Marke "Pechstein" angestoßen hat), böse ist auch Franziska | |
Schenk, die "Anna Kournikowa des Eisschnelllaufens". Warum? Sie habe ihre | |
Nase stets höher getragen als der Rest im Team. Ein schlimmes Vergehen. | |
"Generation Geil" | |
Sie habe sich eben nie den Mund verbieten lassen, sie wolle stets sagen, | |
was sie denke, sagte Pechstein. Die Polizeihauptmeisterin, die ihren | |
Beamtenstatus nach einem für sie günstig verlaufenen Disziplinarverfahren | |
nicht aufgeben muss, teilt im Buch also ein wenig aus. | |
Das wird ihrem Verleger, dem Herrn Schwarzkopf, durchaus recht sein. Denn | |
vielleicht verkauft sich der Pechstein-Schicken ja so gut wie die | |
Verlagsrenner "111 Gründe, Autos zu lieben", "Generation Geil" oder "Bester | |
Sex, Teil 3". | |
8 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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