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# taz.de -- Medienexperte zu Überfall in Moskau: "Kritische Journalisten brauc…
> "Die Menschen glauben nicht an den Wert von Informationen": Der Moskauer
> Medienexperte Michail Melnikow spricht über die jüngsten brutalen
> Angriffe auf Reporter.
Bild: Einsamer Protest: Ein Mann fordert Aufklärung über den brutalen Übergr…
taz: Herr Melnikow, am vergangenen Samstag wurde der Journalist Oleg
Kaschin in Moskau zusammengeschlagen, zwei Tage später sein Kollege Anatoli
Adamtschuk schwer verletzt. Wieso häufen sich diese Angriffe gerade jetzt?
Michail Melnikow: Ich würde nicht sagen, dass diese Verbrechen häufiger als
sonst passieren. Die Medien berichten nur über derartige Angriffe in
Moskau. Ich weiß aber gar nicht, wie viele Journalisten in Tomsk, Irkutsk,
Saratow und anderen Städten täglich unter Druck gesetzt und verletzt
werden. Jedes Verbrechen gegen Mitarbeiter von Medien ist eine Tragödie für
unser Land. Es ist ein wichtiger Indikator für das Verhältnis zwischen der
Regierung, den Medien und der Gesellschaft.
Und wie sieht dieses Verhältnisse aus?
Tragisch. Es gibt viele Journalisten, die kritisch schreiben und viel
riskieren, um wichtige Information zu verbreiten. Das Problem ist, dass
niemand diese Journalisten braucht. Jeden Tag erscheinen Artikel, in denen
wichtige Missstände aufgedeckt werden. Am 5. Dezember 2009 wurden 159
Menschen bei einem Brand in einem Nachtklub in Perm getötet. Die
Journalisten hatten vorher geschrieben, dass die Löschanlage dort sehr
schlecht ist. Das hat aber nichts bewirkt. Die Menschen in Russland glauben
nicht an den Wert von Informationen.
Warum werden Journalisten unterdrückt, wenn die Information in Russland
keinen Wert hat? Haben die Mächtigen trotzdem Angst von der Presse?
Natürlich haben sie Angst. Heute können Informationen über das Internet
sehr schnell verbreitet werden. Die Machthaber haben aber kein Interesse
daran, dass Skandale publik werden. Und dann wird da eben ein Angriff auf
einen Journalisten organisiert, nach der Devise: Kein Mensch - kein
Problem.
Präsident Dmitri Medwedjew hat versprochen, die Ermittlungen im Fall
Kaschin persönlich zu beaufsichtigen. Glauben Sie, dass die Täter diesmal
gefunden und bestraft werden?
Ich würde gern daran glauben. Die Tendenz zeigt aber, dass solche
Verbrechen nie aufgedeckt werden. Meine einzige Hoffnung ist, dass die
Zeitung Kommersant, für die Oleg Kaschin arbeitet, reich und stark genug
ist, um eigene Ermittlungen zu führen.
Der "Kommersant" hat am Montag einen offenen Brief auf seiner Titelseite
veröffentlicht: "Die Journalisten in Russland müssen endlich geschützt
werden." Wie könnte das geschehen?
Zuallererst brauchen alle Journalisten eine Lebensversicherung. Derzeit
haben wir nicht einmal eine Gewerkschaft für Journalisten. Im Justizapparat
grassieren Korruption und Willkür. Die Rechtsschutzorgane müssen jedoch
funktionieren und die Verbrecher bestrafen. Unsere Gesetze geben das her.
Aber oft enden Ermittlungen ergebnislos, weil irgendeine politische Kraft
sie hintertreibt.
Und was können die Journalisten selbst tun?
Sie müssen sich gegenseitig unterstützen. Heute ist der Angriff auf Oleg
Kaschin ein Topthema. In wenigen Tagen werden sich aber nur noch die
Freunde und Verwandten Kaschins für die Ermittlungen interessieren. Die
Medien müssen immer wieder darüber berichten, Antworten und Ergebnisse
fordern. Außerdem sollte sich ein Journalist nicht allein mit riskanten
Themen beschäftigen. Wenn Menschen zusammenarbeiten, ist es viel
schwieriger, sie mundtot zu machen.
9 Nov 2010
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