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# taz.de -- Kolumne Kriegsreporterin: Energie aus der Zweiklassengesellschaft
> Ich stehe vor dem von Nieselregen benetzten Verlagsgebäude von Gruner +
> Jahr und beobachte, wie Egon-Erwin-Kisch-Preisträger an ihren
> Arbeitsplatz eilen, um Texte zu redigieren.
In dem Streit zwischen dem Autor Christian Jungblut und der Geo-Redaktion -
Jungblut hatte der Redaktion den Abdruck seines Textes untersagt, weil er
durch die redaktionelle Bearbeitung seine Urheberschaft missachtet sieht -
hatte Gruner + Jahr eine Unterlassung der Veröffentlichung des redigierten
Textes unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, Jungblut, der anno
dunnemal den 3. Preis des Kisch-Preises gewonnen hatte, sei schließlich von
einer Preisträgerin des ersten Grades redigiert worden. Während zusätzlich
über allem als Chefredakteur, wenn auch nicht Gott, so doch auch ein
Preisträger ersten Grades thront. Womit man über jeden Zweifel erhaben sei.
Was zeigt: Wir Journalisten schreiben in einer Zweiklassengesellschaft.
Auch ich würde gern von einem Kisch-Preisträger redigiert werden, aber ich
befürchte, das wird nix. 15 Jahre taz-Schreiberei, und von wem werde ich
redigiert?!? Von netten Menschen! Kisch-Preisträger habe ich in diesem
Verlag noch nie gesehen. Was letztendlich nicht verwunderlich ist, ist doch
ein Vorwurf an das mittlerweile in Henri-Nannen-Preis umbenannte
Eliten-Konsortium, das sich aus Personen der führenden Medienhäuser
zusammensetzt, sie würden immer nur Arbeiten aus führenden Medienhäusern
auszeichnen. Geradezu niedlich mutet es da an, wenn der Mediendienst meedia
im Zusammenhang mit einer veränderten Zusammensetzung der Jury - der
scheidende SZ-Chefredakteur Kilz wurde durch den neuen SZ-Chefredakteur
Kister ersetzt, Spiegel-Chefredakteur Mascolo durch den zweiten
Spiegel-Chefredakteur von Blumencron - schreibt: "Vielleicht gelingt es der
neu zusammengesetzten Jury, ein bisschen aus dem üblichen
Stern-Spiegel-Zeit-Kontinuum des Henri-Nannen-Preises auszubrechen." Das
scheint besonders naiv, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie letztes Jahr
die Chefredakteure von Zeit und Spiegel Stücke aus ihrem Haus an der
Nominierungskommission vorbei in die Auswahl hineingedrückt haben. Alles
klar bei meedia?
Die Älteren unter Ihnen, liebe Leser, werden sich noch an die Zeiten
erinnern, als Werber ein Feindbild darstellten. Sie dürfen den Staub von
diesem Bild abpusten. Mit ihrer "Guerilla-Aktion", bei der sich Leute unter
die Castorprotestierenden mischten, um Plakate für den Autovermieter "Sixt"
hochzuhalten, haben die "Kreativen" von Jung von Matt in Minutenschnelle
geschafft, was der Regierung nicht gelingt: die Atomkraftgegner als Idioten
hinzustellen. Das soll wohl witzig sein - klar ist, wo man jetzt nicht mehr
mietet.
Wo ich mich doch gerade so in Rage rede, hier im Nieselregen am Baumwall,
erinnere ich mich, wann mir zuletzt richtig schön warm war. Das war letzte
Woche Freitag. Da haben der DJV und Ver.di Redakteure zur Aktion "Stand up
for Journalism" aufgerufen, um ihre Solidarität mit freien Journalisten
auszudrücken. Landesweit sollte über die Umsetzung der neuen und leider an
den Interessen der Freien in großen Teilen vorbeigehenden Vergütungsregeln
gesprochen werden. Und das, liebe Leser, habe ich gespürt. Ich habe
gespürt, wie im ganzen Land meine Kollegen aufgestanden sind und ganz innig
an uns gedacht haben. Das hat so viel Energie freigesetzt, so viel
kosmische Strahlung, dass mir immer noch ganz heiß ist. Warm vor Glück
zurück nach Berlin!
SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail
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10 Nov 2010
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Silke Burmester
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