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# taz.de -- "Fernsehfilm-Festival" in Baden-Baden: Von oben herabgeschaut
> Bei dem "Fernsehfilm-Festival" in Baden-Baden wurde deutlich, wie
> hochmütig Fernsehschaffende doch sein können. Aber die Jury ließ sich
> nicht beeinflussen.
Bild: Belohnt mit einem Sonderpreis: Nina Kunzendorf im BR-Kriminaldrama "In al…
BADEN-BADEN taz | Weit nach Mitternacht steht plötzlich eine junge Frau,
Mitte 20 vielleicht, am Tisch des Autors in der Hotelbar des Europäischen
Hofs und schnorrt eine Zigarette - nicht etwa für sich, sondern "für den
Herrn Redakteur vom ZDF", der an der Bar hockt und offenbar das Laufen
verlernt hat. Es ist einer dieser Momente beim Fernsehfilm-Festival in
Baden-Baden, in denen man sich vor der deutschen TV-Branche nur ekeln kann,
vor den Mächtigen, die ihre Macht ausspielen und auch vor denjenigen, die
sich ihnen unterwerfen - in der Hoffnung, die Mächtigen zeigen sich
erkenntlich dafür.
Informelle Begegnungen - die Mehrzahl davon erbaulicher als diese - sind
die große Stärke des kleinen Festivals, ausgerichtet von der Deutschen
Akademie der Darstellenden Künste. Die Nächte in der Hotelbar sind dabei
mindestens so wichtig wie die Tage im Kurhaus, wo die zwölf
Wettbewerbsfilme gezeigt werden - wie in jedem Jahr ein von den Sendern
eingereichtes Best-Of ihres Programmjahrs (oder das, was sie dafür halten).
Direkt im Anschluss an jede Filmvorführung urteilt die sechsköpfige Jury,
in diesem Jahr zum ersten Mal unter Vorsitz von Michael Schmid-Ospach,
Exgeschäftsführer der Filmstiftung NRW, über das gerade Gesehene, und zwar
öffentlich und in Anwesenheit der Macher.
Die Jury hat ihre Aufgabe in diesem Jahr ausgesprochen gut gemeistert -
weil sie am Schluss die richtigen Filme ausgezeichnet hat, die bezaubernde
Komödie "Frühling im Herbst" vom Schweizer Fernsehen mit dem Hauptpreis
(Buch und Regie: Petra Volpe) und das BR-Kriminaldrama "In aller Stille"
(Regie: Rainer Kaufmann) mit je einem Sonderpreis für die hinreißende
Hauptdarstellerin Nina Kunzendorf sowie die Drehbuchautorin Ariela
Bogenberger - und weil sie anders als ihre Vorjahreskollegen darauf
verzichtet hat, gebetsmühlenartig zu wiederholen, welch schwierige Aufgabe
man da auf sich genommen hat.
Die Juroren äußerten von Film zu Film zunehmend couragierter ihre Meinung,
durchweg von Respekt den Filmemachern gegenüber getragen und nie polemisch,
was die Macher aber nicht davon abhielt, ihnen genau das vorzuwerfen. Von
"voller Breitseite" sprachen gestandene Männer oder von "so viel Kritik,
dass es einem die Sprache verschlägt." Diese Empfindlichkeiten lassen nur
nur den Schluss zu, dass man ab einer bestimmten Hierarchieebene im
deutschen Fernsehgeschäft nicht mehr kritisiert wird: höchstens vielleicht
von Journalisten - aber die haben ja eh keine Ahnung.
Diese hochmütige Haltung zeigten viele auch der Jury gegenüber, indem sie
deren durchaus bedenkenswerte Kritik, etwa an allzu konventionellen
Erzählmustern und dem penetranten Einsatz von Weichspülermusik, mit dem
Verweis auf Zwänge des Mediums und seiner durchformatierten Sendeplätze
einfach wegwischten. Souverän ist anders. Es ist schlichtweg absurd, von
öffentlich-rechtlichen Programmverantwortlichen zu hören, dass man dieses
und jenes nun mal nicht ändern könne - außer für die Macher selbst. Die
halten es regelrecht für ihre Aufgabe, vor dem schlichten Geschmack des
breiten Publikums zu kapitulieren.
"Ich habe die Verpflichtung, auf diesem Sendeplatz möglichst viele
Zuschauer zu erreichen", sagte etwa René Heisig, Regisseur des
Illegalen-Rührstücks "Schutzlos", das wie das Bundeswehrdrama "Kongo", ein
anderer gut gemeinter ZDF-Montagsfilm, besonders kontrovers diskutiert
wurde. "Wenn ein Form gut erzählt ist, wird er auch seine Zuschauer
finden", formulierte Juror Albert Ostermaier die Gegenposition und wurde
prompt einer "idealistischen Haltung" bezichtigt.
Es klang wie ein Schimpfwort, naiv und weltfremd. Dass sowohl "Kongo" als
auch "Schutzlos" beim Publikum durchfielen, veranlasste die Macher nicht
dazu, an den Filmen zu zweifeln. Sie wollen dafür belobigt werden, heiße
Eisen überhaupt angefasst zu haben. "Warum wollen die Leute solche Filme
nicht sehen?", sagte "Kongo"-Regisseur Peter Keglevic. "Diese Frage
interessiert mich viel mehr als Detailkritik."
"Wir verneigen uns vor dem Publikum", sagte Manfred Hattendorf, einer der
beiden Redakteure der harmlosen ORF/SWR-Altersheimklamotte "Life is live -
Die Spätzünder" (Regie: Wolfgang Murnberger; Buch: Uli Brée), als er am
Freitagabend den 3sat-Zuschauerpreis in Empfang nahm. Solche Filme will die
Mehrheit - solche Filme soll sie kriegen. Es ist die bittere Schlusspointe
des Festivaljahrgangs 2010, dass das Publikum die Senderverantwortlichen
mal wieder darin bestätigt hat.
21 Nov 2010
## AUTOREN
David Denk
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