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# taz.de -- Promis und ihre Imagepfleger: Einflüsterer im Namen des guten Rufs
> Ist der Rummel um einen Prozess groß genug, schlägt die Stunde
> professioneller Imagepfleger. Sie wollen die Berichterstattung im Sinne
> ihrer Mandanten beeinflussen.
Bild: Ralf Höcker ist Medienanwalt für Jörg Kachelmann - und selbst Medienpr…
Der Kampf um den guten Ruf wird mit harten Bandagen geführt. In ihrer
Bild-Kolumne greift Frauenrechtlerin Alice Scharzer den Medienanwalt des
der Vergewaltigung angeklagten Wettermoderators Jörg Kachelmann an: Dieser
versuche ihr geplantes Buch über den Fall zu verhindern, bevor es überhaupt
erschienen sei. Der Attackierte schlägt zurück: Er wolle falsche
Berichterstattung verhindern, sagte Ralf Höcker der taz. Wer Schwarzers
bisheriges Wirken in dem Fall betrachte, könne sich ziemlich sicher sein,
dass ihr Buch angreifbare Rechtsverletzungen enthalte.
Mit Höcker hat sich Jörg Kachelmann einen Berater eingekauft, der sein
öffentliches Image noch halbwegs retten und das Gericht durch öffentliche
Stimmungsmache beeinflussen soll: Ralf Höcker, Rechtsanwalt für Marken- und
Medienrecht, RTL-Fernseh-Jurist ("Einspruch! Die Show der Rechtsirrtümer")
und des Öfteren Gast beim Deutschen Fernsehpreis.
Die Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit einem Prozess hat System -
und einen Namen: Litigation-PR. Professionelle Meinungsmacher rufen
Journalisten an, bieten Hintergrundgespräche an, stellen gefilterte
Informationen zur Verfügung. Kurz und einfach: Man macht PR für Leute, die
Probleme mit der Justiz haben. Diese Strategie, die seit den
Neunzigerjahren in den USA sehr populär ist, hat sich seit einigen Jahren
auch in Deutschland zu einem neuen Geschäftsfeld entwickelt.
Anwälte und PR-Profis versuchen den Ausgang des Verfahrens über die
öffentliche Meinung zu beeinflussen oder aber wenigstens zu verhindern,
dass ein Prozess allzu verheerende Auswirkungen auf den Ruf ihrer Mandanten
hat. Die Zunft profitiert davon, dass die Justizbehörden nur schwerfällig
kommunizieren und das Recht kompliziert sein kann. Da sind Journalisten
manchmal froh, wenn ihnen jemand Informationen zusteckt. Manchmal finden
sie es aber auch lästig.
So erzählt Alice Schwarzer, Verlegerin und Chefredakteurin der Zeitschrift
Emma, sie habe vor einer Talkshow zum Fall Kachelmann von Höcker ungefragt
eine Mail erhalten: "Liebe Frau Schwarzer, sie sind am Sonntag bei Frau
Will. Sie können mich jederzeit anrufen, falls sie eine Frage haben, auch
am Wochenende. Hier ist meine Handynummer."
Anders als in den USA gibt es in Deutschland noch wenige Agenturen, die
sich auf Ligitation-PR spezialisiert haben. Einer der Ersten, der
hierzulande das Potenzial dieses Geschäfts erkannt hat, ist der einstige
Focus-Journalist Uwe Wolff. Mit dem Spruch "Es ist ihr gutes Recht, vor
Gericht gehört zu werden. Und nicht nur dort", wirbt er für seine Agentur
Naima Strategic Legal Services.
Das Unternehmen rühmt sich auf seiner Homepage, im Fall eines britischen
Unternehmers "massiven Druck auf die Staatsanwaltschaft aufgebaut" zu
haben. Schließlich "kam der Mandant aus der U-Haft frei, die Medien
zeichneten plötzlich ein anderes Bild des Unternehmers und die Anklage
brach in weiten Teilen zusammen".
2008 erschien das erste deutsche Fachbuch zu dem Thema, an dem auch Wolff
mitschrieb. Titel: "Im Namen der Öffentlichkeit. Litigation-PR als
strategisches Instrument bei juristischen Auseinandersetzungen". Nach der
Veröffentlichung warnte der Präsident des Bundesgerichtshofs, Klaus
Tolksdorf, vor einem "Sturmangriff" auf die Rechtsfindung.
"Es ist gefährlich, wenn versucht wird, über die Medien Einfluss […] auf
Richter auszuüben", dies aber sei das erklärte Ziel des Buches. Tolksdorf
rief Journalisten dazu auf, sich nicht missbrauchen zu lassen. "Dass ein
Richter das sagt, wundert mich nicht, denn Richter neigen dazu, jegliche
äußere Einflussnahme als Zumutung zu betrachten", kommentiert Kachelmanns
Medienanwalt Höcker Tolksdorfs Kritik. Den Vorwurf des "Sturmangriffs" will
er nicht stehen lassen: "Prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit kann für
die Rechtsfindung sogar hilfreich sein, etwa wenn dadurch Vorverurteilungen
verhindert werden. Anwaltliche Pressearbeit gehört zu einer
Mediengesellschaft und muss als Realität akzeptiert werden", so Höcker.
Dass Richter unabhängig sein sollen, ist ein Ideal, das vom Rechtsstaat
gefordert wird. Aber wer allein an die objektive Nüchternheit der Richter
glaubt, unterschätzt die Meinungsmacher. Hans Mathias Kepplinger,
Kommunikationsforscher an der Universität in Mainz, hat 2008 Richter,
Staatsanwälte und Verteidiger gefragt und kommt zu dem Ergebnis: "Man kann
durch empirische Studien zeigen, dass die öffentliche Meinung Urteile
beeinflusst."
Mehr als die Hälfte der Richter und Staatsanwälte gab an, dass
Medienberichte sich auf ihr Verhalten auswirken. 42 Prozent der
Staatsanwälte antworteten auf die Frage, ob sie bei dem geforderten
Strafmaß an das Echo in der Öffentlichkeit denken würden, mit "Ja". Bei den
Richtern waren es 58 Prozent. Ein Drittel gab zu, dass Medienberichte
Einfluss auf die Höhe der Strafe haben. Und fast jeder Vierte sagte, dass
davon die Frage, ob eine Bewährung bewilligt oder verweigert wird,
beeinflusst wird.
Versuche der Beeinflussung gab es auch im größten Wirtschaftsprozess der
deutschen Nachkriegsgeschichte: im Fall Mannesmann. Richterin Brigitte
Koppenhöfer setzte den mächtigsten Banker Deutschlands auf die Anklagebank.
Sie war es, die 2004 die Klage gegen den Deutsche-Bank-Chef Josef
Ackermann, den früheren IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel und vier
weitere Manager und Aufsichtsräte zugelassen hat - wegen Untreue und
Beihilfe.
"Noch nie während meiner nunmehr 25-jährigen Dienstzeit als Richterin ist
wie in diesem Verfahren derart massiv versucht worden, auf die
Entscheidungen direkt oder indirekt Einfluss zu nehmen", sagte Brigitte
Koppenhöfer in ihrem persönlichen Vorwort zur Urteilsbegründung.
Verteidiger und auch Angeklagte hätten versucht, vor, während und
vermutlich auch nach dem Prozess die Presse mit mehr oder weniger Erfolg zu
instrumentalisieren. Die Richterin sieht sich als "unabhängig, aber
deswegen nicht unbeeinflussbar" an.
"Unter den Roben stecken Menschen mit Mut und Ängsten und mit einer ganz
eigenen subjektiv gefärbten Vorstellung von der Welt", sagt sie. Sie ist
sich sicher: "Jeder Richter interessiert sich für ,seinen Prozess'; er
liest alles, was es darüber zu lesen gibt." Auch sie habe während des
Mannesmann-Prozesses die Berichterstattung gelesen. "Denn durch die
Berichterstattung schleicht sich ein weiterer unsichtbarer,
unkalkulierbarer und unkontrollierter Schöffe ins Beratungszimmer. Nur wenn
wir ihn als solchen erkennen, können wir unsere Befangenheit überwinden,"
sagt sie.
Auch Richter und Staatsanwälte rüsten sich gegen die medialen
Schattenmänner. Sie lassen sich schulen, wie man Interviews gibt und
bürgernah kommuniziert. Diesen Wandel belegt eine Studie der Macromedia
Hochschule für Medien und Kommunikation München, die über 600
Justizbehörden und mehr als 400 Kanzleien untersucht hat. Den Ergebnissen
zufolge rüsten die Behörden ihre Pressestellen massiv auf. Sie sind sich
des wachsenden öffentlichen Drucks bewusst.
Meinungsmache im Auftrag des Mandanten, das erlebte auch der Richter
Nikolaus Berger. Mit einer Verurteilung für den Unternehmer Alexander Falk
endete 2008 nach 157 Verhandlungstagen ein erbittert wie kaum je zuvor in
Hamburgs Justizgeschichte geführter Prozess. Hans-Hermann Tiedje,
PR-Großstratege und ehemaliger Chefredakteur von Bunte und Bild, war Falks
Kommunikationsberater. Der habe versucht, den Prozess außerhalb des
Gerichtssaals zu führen, und den Angeklagten als Opfer dargestellt,
kritisiert Berger, damals vorsitzender Richter im Falk-Fall und heute
Bundesrichter in Karlsruhe.
So hat Tiedje in einem Gastkommentar in der Financial Times Deutschland
gegen das Gericht polemisiert. "Seine Methode ist einfach und offenbar bei
Bild erlernt: Man [...] verschweige Tatsachen, die nicht ins Konzept
passen, und ziehe Schlüsse, die nur darauf abzielen, sich selbst ins rechte
Licht zu setzen und den Kontrahenten zu verunglimpfen", kritisierte der
Hamburgische Richterverein Tiedje damals.
Als Alexander Falk inhaftiert war, konnte man in der Bild auffällig oft
Tendenziöses lesen. "Wie befangen sind seine Richter" oder "Hat die
Hamburger Justiz Fehler gemacht?", fragte Bild. Man würde Tiedje gern
fragen, ob und wie er mit Bild damals zusammengearbeitet hat - er reagierte
aber nicht auf Anfragen. Seinem Klienten jedenfalls half alles nichts.
Richter Berger verurteilte den Millionenerben zu vier Jahren Haft. Im
November hat Falk die Strafe angetreten.
22 Nov 2010
## AUTOREN
Cigdem Akyol
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