# taz.de -- Kolumne Ball und die Welt: Ein Ass ohne Pass | |
> Der 25jährige Fußballer Wiyam Amashe spielt beim israelischen | |
> Tabellenführer. Weil er als Druse einer Minderheit angehört, lässt ihn | |
> die Fifa nicht in die Nationalmannschaft. | |
Bild: Über die nationale Zugehörigkeit von Fußbällen kann die FIFA noch nic… | |
Dafür, dass Wiyam Amashe partout keinen Pass erhält, ist er ein sehr | |
erfolgreicher Stürmer. Der Fußballprofi spielt in der ersten israelischen | |
Liga für Hapoel Ironi Kiryat Shmona, den aktuellen Tabellenführer, und hat | |
in den ersten elf Spielen der Saison bereits acht Tore erzielt. Doch der | |
Pass, der ihm fehlt, ist aus Papier. | |
Wiyam Amashe, 25, ist Druse, stammt aus der Stadt Buquata im nördlichen | |
Golan, das 1967 von der israelischen Armee erobert wurde. Nur etwa zehn | |
Prozent der 20.000 dort lebenden Drusen sind israelische Staatsbürger, die | |
Mehrheit von ihnen hat weiterhin einen syrischen Pass. | |
Amashe wurde deutlich nach der Eroberung geboren, 1985, und für die | |
israelische U19- und U21-Auswahl hat er bereits gespielt. Bislang genügte | |
ihm eine Art Passersatz, mit dem er frei reisen kann. Ein Angebot des | |
syrischen Fußballverbandes hat Amashe vor Jahren bereits abgelehnt. Er will | |
lieber in Buquata bleiben und für Israel kicken. Israels Nationaltrainer, | |
der Franzose Luis Fernandez, hätte ihn auch gerne in seinem Aufgebot für | |
die EM-Qualifikation. | |
Amashes Problem ist nicht der israelische Staat, sondern es sind zwei | |
Institutionen, die so tun, als seien sie auch Staaten: der | |
Weltfußballverband Fifa und die Scheichs in Buquata. Die Fifa hat nämlich | |
ganz im Stil einer Einreisebehörde, die mit Hilfe von Scannern und | |
Fahndungscomputern Menschen Visa erteilen darf, beschlossen, dass bei | |
offiziellen Länderspielen nur Spieler antreten dürfen, die die volle | |
Staatsbürgerschaft besitzen. Und bei den Scheichs in Buquata hatte Amashes | |
Vater schon eine Sondergenehmigung einholen müssen, damit sein Sohn in | |
einer israelischen Jugendmannschaft spielen durfte. | |
"Meine Familie und ich würden exkommuniziert", beschreibt er in der | |
Tageszeitung Jerusalem Post seine Ängste, wenn er die israelische | |
Staatsbürgerschaft annähme. Eigentlich sind die etwa 100.000 Drusen in | |
Israel eine gut integrierte Minderheit. Man findet sie in der Armee und im | |
Profifußball: Der Druse Maaran al-Lala etwa spielt für Hapoel Tel Aviv in | |
der Champions League, zuletzt gegen Schalke 04. | |
Aber konkret die Gemeinden im nördlichen Golan wollen sich nicht mit Israel | |
anfreunden. Das drückt sich auch im Fußball aus: Die vier kleinen | |
Ortschaften dort haben eine kleine Liga aus insgesamt zehn Vereinen | |
gebildet. Das ist aus Sicht von Drusen-Funktionären, die zwischen Israel | |
und Syrien auch mal große Welt spielen wollen, keineswegs kleingeistig. | |
Von dem französischen Politologen Pascal Boniface stammt die Beobachtung, | |
dass gerade Bewegungen, die politische Macht und letztlich staatliche | |
Souveränität anstreben, auf den Fußball und eine Fifa-Mitgliedschaft | |
setzen: "Als sei dies ebenso natürlich und notwendig wie der Beitritt zur | |
UNO, als beschränke sich die Definition des Staatsbegriffs nicht auf die | |
drei traditionellen Bestandteile Staatsgebiet, Staatsvolk und Regierung, | |
sondern als müsse noch ein viertes, ebenso wesentliches Element, eine | |
Fußballnationalmannschaft, hinzukommen." Also ist es klug, ein Talent, das | |
die Jerusalem Post sogar zum "Weltklassespieler" ausruft, halten zu wollen. | |
Statusfragen spielen im Nationalmannschaftsfußball immer eine Rolle, auch | |
in Israel: Der gebürtige Argentinier Roberto Colautti etwa, der bis zum | |
Sommer noch bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag stand, wurde 2006 | |
durch die Hochzeit mit einer Israelin Nationalspieler. Der in Nigeria | |
geborene Toto Tamuz, der seit dem zweiten Lebensjahr als Adoptivkind in | |
Israel lebt, bekam erst nach persönlicher Intervention des Innenministers | |
die vollständigen Papiere. | |
Die Fifa, die sich schon bei Toto Tamuz weigerte, eine Ausnahme zu machen, | |
wird das bei Wiyam Amashe wieder tun: Zur Demonstration ihrer politischen | |
Macht muss sie sich ja gerade wie ein richtiger Staat aufführen, der auf | |
seine hoheitlichen Rechte pocht. Und Amashe selbst sollte bald sein Dilemma | |
selbst lösen: Handelt er in seinem eigenen Interesse, als junger Mann, der | |
sich sportlich und kulturell entwickeln will, nimmt er die ihm angebotene | |
israelische Staatsbürgerschaft. Macht er nichts, bleibt er im Dorf. | |
24 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Fifa | |
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