# taz.de -- Umstrittene Fusion der Entwicklungshilfe: Minister Niebels Männerk… | |
> Die Einrichtungen der staatlichen Entwicklungshilfe GTZ, DED und InWEnt | |
> sollen fusionieren, um Strukturen zu verschlanken. Warum dann 7 | |
> Geschäftsführer? Und alles Männer? | |
Bild: Zieht Männer vor: Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. | |
BERLIN taz | Die ungemütlichen Tage des Herbstes vertreiben sich die | |
Entwicklungshelfer der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) | |
gern mit der traditionellen Herbstsoiree bei gutem Wein und internationalem | |
Buffet. In der vergangenen Woche war es wieder so weit, es war ein | |
festlicher Anlass unter besonderen Vorzeichen. Denn im kommenden Jahr wird | |
die große Entwicklungsorganisation noch ein wenig größer, der Deutsche | |
Entwicklungsdienst (DED) und die Weiterbildungsagentur Inwent treten der | |
GTZ bei. | |
Auch Entwicklungsstaatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz war in Bonn anwesend | |
und hatte eine launige Rede im Gepäck, eine Art Gedicht. Man musste genau | |
hinhören, um die politische Nachricht zu verstehen, doch die war in der | |
Sache eindeutig: Das Ergebnis der geplanten Fusion der drei | |
Entwicklungsorganisationen, die Steuergelder einsparen und Doppelstrukturen | |
abschaffen sollte, wird demnach zumindest in der neuen Führung verfehlt. | |
Es soll allein sieben Geschäftsführer geben, zu den bestehenden Köpfen | |
kommen zwei weitere. Die größte deutsche Entwicklungshilfeorganisation gibt | |
in Zukunft eine millionenhohe Eurosumme allein für die neue Führung aus - | |
im Namen der Armutsbekämpfung in aller Welt. | |
Doch damit ist die jüngste Posse aus dem Hause Niebel noch nicht | |
vollständig erzählt: Denn die sieben Geschäftsführer werden ausschließlich | |
Männer sein. In der gendersensiblen Entwicklungshilfe, die überall auf der | |
Welt Gleichberechtigung fördern will, ist das mehr als eine Fußnote. "Wir | |
verlangen Genderorientierung in aller Welt und schaffen selber einen | |
männlichen Wasserkopf", sagte die Grüne Ute Koczy der taz. | |
Doch selbst das ist nicht der letzte Beigeschmack, denn auch für die | |
Abteilung Personalschiebereien hat der Fall etwas zu bieten: Einer der | |
neuen Geschäftsführer wird Tom Pätz sein, verkündete Beerfeltz bei der | |
Soirée. Pätz, einst ein FDP-Mann aus dem Ortsverband Bonn-Beuel, war erst | |
im Frühjahr von Parteikollegen und Minister Dirk Niebel in sein Haus geholt | |
worden, um den Zusammenschluss der Organisationen zu managen. Nun wird Pätz | |
an die Spitze der Organisation gesetzt, die er selbst geschaffen hat. Ein | |
bislang einmaliger Vorgang. | |
Der Fall schließt sich nahtlos an die umstrittene Einstellungspolitik | |
Niebels seit Amtsbeginn an. Seit Langem steht er in der Kritik, weil er | |
sein Ministerium ohne Rücksicht auf Verluste auf Parteilinie trimmt und mit | |
FDP-Leuten besetzt. Nach und nach hat er zunächst die gesamte Leitungsebene | |
mit Staatssekretären und Abteilungsleitern ausgetauscht. | |
Fachleute wichen Parteifreunden, selbst für den ehemaligen Oberst Friedel | |
Eggelmeyer, der einem mit Wehrmachtssymbolik kokettierenden Panzerbataillon | |
nahesteht, fand sich ein gut bezahlter Ministeriumssessel in der Berliner | |
Stresemannstraße für die letzten Arbeitsjahre. Sogar der Personalrat | |
kritisierte mehrfach die "Salamitaktik", mit der das Haus personell | |
umgekrempelt werde. Ohne Erfolg. | |
Der Zusammenschluss der Entwicklungsorganisationen, der in diesem Jahr | |
abgeschlossen werden soll, ist bis dato eine Erfolgsgeschichte des | |
Entwicklungsministeriums. Die Zersplitterung der Organisationslandschaft | |
wurde schon von der OECD kritisiert, der Rechnungshof bemängelte | |
Doppelstrukturen durch parallele Abteilungen. Im Ausland gibt es zudem | |
nicht "die Deutsche Entwicklungshilfe", sondern einen Haufen verschiedener | |
Organisationen. | |
Die Notwendigkeit der Reform wird allseits anerkannt. In der vergangenen | |
Legislaturperiode hatte sich SPD-Entwicklungsministerin Heidemarie | |
Wieczorek-Zeul an der Fusion versucht und war gescheitert. Niebels | |
aktueller Versuch schließt zwar die KfW-Entwicklungsbank, den wichtigsten | |
Geldgeber, nicht ein, kam aber voran. Selbst der Name steht: GIZ, | |
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. | |
Doch mit dem neuen Personalvorschlag ist Niebel möglicherweise zu weit | |
gegangen. Seit Tagen gehen in den Bundestagsbüros der Haushalts- und | |
Entwicklungspolitiker Protestschreiben ein. Empörte Mitarbeiterinnen der | |
GTZ haben kurz nach der Soirée einen Brief verfasst, den sie nun | |
dutzendweise an die zuständigen Bundestagsabgeordneten schicken und der der | |
taz vorliegt. | |
Die Entscheidung sei "ein Affront in vielerlei Hinsicht", schreiben sie. | |
Die Bestellung von sieben Geschäftsführern sei nicht vermittelbar, ein | |
Geschäftsführer koste "zirka 500.000 Euro und mehr pro Jahr". Dies sei | |
unter der Maßgabe der Kostenreduzierung "nicht tragbar". | |
Auch die Haushälter reagierten pikiert auf die quasiöffentliche Verkündung | |
der neuen Personalpläne aus dem Ministerium - denn abgesprochen war mit | |
ihnen zuvor nichts. Die Grüne Priska Hinz und der SPD-Politiker Lothar | |
Binding erbaten sich umgehend einen Termin der Haushaltspolitiker beim | |
Minister, am Mittwoch fand das Treffen schließlich statt. | |
Es war 16 Uhr, als sich auf der Fraktionsebene im Raum S.3024 die | |
Abgeordneten wunderten, dass neben der Ministeriumsspitze und ihnen auch | |
noch Tom Pätz anwesend war. Die umstrittenste Personalie sollte selbst | |
mithören dürfen. Die Opposition reagierte wütend, sogar Politiker der | |
Koalition waren verwundert. Immer wieder wurden für die Zusammensetzung des | |
Vorstands Gegenvorschläge ins Spiel gebracht - Niebel ließ sie sämtlich | |
abprallen. | |
Auch das Geschlechterverhältnis war Thema. "Dieser Personalvorschlag hat so | |
keine Zukunft", sagt der SPD-Politiker Lothar Binding. Der FDPler Jürgen | |
Koppelin sagte der taz: "Nichts ist entschieden." | |
Die Mitarbeiter der GTZ wurden in ihrem Schreiben dennoch deutlich: Der | |
Personalvorschlag sei "eine völlige Missachtung aller in Deutschland | |
geltenden Vereinbarungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen", | |
schreiben sie, "und ein Schlag ins Gesicht aller Kolleginnen in der | |
Entwicklungszusammenarbeit". Die Organisation werde "zum Gespött in der | |
internationalen Diskussion". | |
Ein Schreiben, das für die GTZler nicht folgenlos geblieben ist. Einer der | |
angeschriebenen Abgeordneten hat es weitergeleitet an GTZ-Chef Bernd | |
Eisenblätter - offenbar mit Namen der Absender. Aus der GTZ wird nun | |
berichtet, dass die überwiegend weiblichen Protestierenden bereits den | |
Ärger der Spitze mitgeteilt bekommen haben. | |
GTZ-Chef Eisenblätter ist ohnehin die Schlüsselfigur in dem Fall. Der | |
CDU-Mann pflegt exzellente Kontakte ins Kanzleramt und zu wohlgesonnenen | |
Parlamentariern. In der vergangenen Legislaturperiode hat er auf diesem Weg | |
den Zusammenschluss mit der KfW-Entwicklungsbank zu Fall gebracht, bei dem | |
die GTZ ihre Vormachtstellung verloren hätte. | |
In Entwicklungskreisen heißt es, Eisenblätter habe Minister Niebel sein | |
Einverständnis mit der neuerlichen Reform nur unter zwei Bedingungen | |
gegeben: zum einen, dass die GTZ starker Partner bleibt. Dies ist | |
geschehen, de facto schluckt das Eschborner Unternehmen mit seinen rund | |
11.000 Mitarbeitern DED und Inwent. | |
Zum anderen bestand der 66-Jährige auf einer Verlängerung seines | |
auslaufenden Vertrages. Zum Ende der Karriere wäre er als Vorstandssprecher | |
des neuen Entwicklungsunternehmens an der Spitze der Macht angekommen. Ohne | |
den machtbewussten Mann, der zum Ende eines verlängerten Vertrages fast 70 | |
Jahre alt wäre, wäre die Debatte um Geschlechterverhältnisse und | |
aufgeblähten Vorstand leicht lösbar. Doch Eisenblätter denkt nicht daran zu | |
gehen. | |
Das Entwicklungsministerium verteidigt die Pläne. "Wir schaffen eine | |
komplett neue Führungsebene", sagt ein Sprecher. Bereichsleiter sollen | |
abgeschafft und so Stellen gespart werden. Für die Grünen-Politikerin | |
Priska Hinz kein Argument: "Die aktuellen Bereichsleiter können sich nicht | |
in Luft auflösen - schließlich sollen im neuen Unternehmen keine | |
Kündigungen ausgesprochen werden." | |
Am 3. Dezember muss der Aufsichtsrat der GTZ über die sieben | |
Geschäftsführer entscheiden. Dort sind neben den Haushaltspolitikern aus | |
CDU, FDP, SPD und Grünen auch Ministeriumsvertreter und Arbeitnehmer | |
anwesend. | |
Mit deren Stimmen könnte der Personalvorschlag gekippt werden. Doch ob sie | |
den Mut haben werden, am Ende gegen Eisenblätter zu stimmen, ist fraglich. | |
Denn Kritik wird in der GTZ, die für eine Stellungnahme nicht erreichbar | |
war, offenbar nicht goutiert. So ist es die wahrscheinlichste Lösung, dass | |
die GIZ wie geplant entsteht. | |
Eine Herausforderung der etwas anderen Art würden die sieben Männer an der | |
Spitze dann meistern müssen, wie man auf den Gängen des | |
Entwicklungsministeriums tuschelt. Denn ihre Organisation löst bereits vor | |
dem Start zwischen Asien und Afrika bei der Aussprache des Namens | |
regelmäßiges Kichern aus: Die GIZ wird dort "Dschiss" genannt, was so viel | |
heißt wie "Wichse". | |
Ob deshalb erst gar keine Frau in den Vorstand wollte, ist nicht | |
überliefert. | |
25 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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