# taz.de -- Wikileaks vorübergehend lahmgelegt: Kein Anschluss unter dieser Nu… | |
> Nach Cyberattacken ist die Internetseite zeitweise nicht erreichbar. Der | |
> erste Infokrieg sei ausgebrochen, sagt Wikileak-Chef Julian Assange. Die | |
> Schweiz bietet virtuelles Asyl an. | |
Bild: Über die Schweiz waren die Wikileaks-Dokumente noch abrufbar. | |
BERLIN taz | Kampfstimmung bei Wikileaks: "Der erste ernsthafte Infokrieg | |
ist ausgebrochen. Das Schlachtfeld ist Wikileaks - und Ihr seid die | |
Truppen", verbreitete Chef Julian Assange am Freitag über den | |
Nachrichtendienst Twitter: "Die Wahrheit wird sich auch im Angesicht der | |
totalen Vernichtung ihren Weg bahnen." | |
Grund für die martialischen Worte sind massive Angriffe auf die | |
Internetseite [1][www.wikileaks.org], durch die die Whistleblowing-Seite | |
zum Verstummen gebracht werden soll. Am Freitag war die Website zeitweise | |
nicht erreichbar. | |
Schuld war vor allem die US-Firma everydns.net, die die Internetadresse von | |
Wikileaks verwaltet. "Nach den massiven Angriffen hat everydns.net die | |
Domain Wikileaks.org gekillt", schrieb Assange am Freitag via Twitter. Er | |
kündigte Alternativen an: Über die Schweizer Adresse [2][www.wikileaks.ch] | |
bleibe die Seite online. Tatsächlich war Wikileaks mitsamt seiner geheimen | |
Dokumente am Freitag weiterhin verfügbar. | |
DNS-Provider wie everydns.net verwalten Domainnamen im Internet und leiten | |
Seitenaufrufe an die richtigen Computer weiter. Sie sind die Telefonbücher | |
des Internets und übersetzen die Namen von Websites in Adressdaten. Wer | |
"Wikileaks.org" in seinen Browser eintippt, der wird zurzeit auf die | |
Internetadresse 213.251.145.96 weitergeleitet. Diese Ziffernfolge verweist | |
nach Frankreich, ergaben taz-Recherchen. | |
Everydns.net hatte die Wikileaks-Seite in der Nacht zum Freitag vom Netz | |
genommen, weil massive Cyberangriffe angeblich die Stabilität des gesamten | |
Dienstes gefährden, der rund 500.000 Domains verwaltet. Bei den Angriffen | |
handelt es sich um sogenannte Distributed Denial of Service Attacken | |
(DDoS). | |
"Dabei werden zigtausende Computer, die mit einem speziellen Virus | |
infiziert sind, gleichzeitig dazu gebracht, eine bestimmte Internetseite | |
aufzurufen", sagte der Computerjournalist Jörg Schieb der taz. So können | |
Computerkriminelle zahllose Computer in eine Art virtuelle Armee | |
rekrutieren, die nach der Infektion mit dem Virus auf ihren Einsatzbefehl | |
wartet. Im Frühjahr 2010 enttarnte das FBI ein solches so genanntes | |
Bot-Netzwerk, zu dem 13 Millionen Computer in 190 Ländern gehörten. | |
"Kriminelle Hacker bieten DDoS-Angriffe auf dem schwarzen Markt schon für | |
wenige hundert Euro an", sagt Schieb. | |
Für Domainserver wie die von Everydns.net sind DDoS-Attacken normalerweise | |
kein Problem, denn die DNS-Einträge von populären Websites wie Wikileaks | |
werden weltweit von Providern in lokalen DNS-Verzeichnissen | |
zwischengespeichert. Die meisten Wikileaks-Aufrufe werden daher nicht von | |
Everydns.net vermittelt. "Es ist aber möglich, dass sich die Angriffe | |
gezielt gegen den DNS-Server von Everydns.net richteten und dort die Server | |
überlasteten", sagt Jörg Schieb. | |
Wikileaks habe konsequent reagiert, so der Computerexperte: "Sie haben die | |
IP-Adresse des Domainverwalters geändert. Allerdings kann es bis zu 24 | |
Stunden dauern, bis die Adressänderung weltweit alle DNS-Computer erreicht | |
hat, die die Wikileaks-Zieladresse zwischenspeichern." | |
Mittelfristig können die Angreifer "dieses Katz-und-Maus-Spiel nicht | |
gewinnen", sagt Schieb. "Es gibt Verfahren, mit denen sich DNS-Attacken | |
erkennen und schnell bekämpfen lassen". Selbst wenn es den Angreifern | |
gelänge, die Domain Wikileaks dauerhaft offline zu halten, wäre das wohl | |
nur ein Pyrrhussieg. Denn die Geheimdokumente befinden sich bereits | |
dutzendfach auf anderen Websites in Kopie. Eine Übersicht der sogenannten | |
Mirrorseiten findet sich auf [3][www.wikileaks.info]. | |
Auch in der Netzgemeinde halten viele die Angriffe für wirkungslos, die | |
aber viel Aufmerksamkeit auf Wikileaks lenken. "Schön zu sehen, wie alles | |
online bleibt, was mal online war … Die Uhr ist nicht mehr zurückzudrehen", | |
schreibt User Nomis auf [4][netzpolitik.org]. | |
3 Dec 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wikileaks.org | |
[2] http://www.wikileaks.ch | |
[3] http://www.wikileaks.info | |
[4] http://netzpolitik.org | |
## AUTOREN | |
Tarik Ahmia | |
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