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# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Warum ich gern die dicke Anna wär
> Muslime sind humorlos? Falsch, aber wir verkrampfen sehr schnell, wenn es
> um den Islam geht.
Auch ich wurde in der Schule mit schlecht geschriebenen Jugendbüchern über
Mobbing gequält - von Erwachsenen, die uns Jugendliche voll gut verstanden.
Eines der Mobbingbücher handelte von Anna, einem fülligeren Mädchen, das
von seinen Mitschülern geärgert wird. Irgendwann passiert ganz viel Drama.
Am Ende wird Anna selbstbewusst. Happy End. Langweilig. Eine Szene aber
blieb mir im Kopf hängen:
Als Anna mit ihrem neuen Selbstbewusstsein ins Schwimmbad geht, ruft ein
Junge "Fette Anna!" und lacht sie aus. "Fett schwimmt oben!", ruft Anna
zurück. Und lacht auch. Er ist irritiert. Dann lachen sie zusammen und
werden Freunde. Frei nach der Pausenhofregel: Wenn dich jemand auslacht,
dann lach mit. Denn das kommt souverän rüber.
So einfach ist das. Im letzten Jahr war ich in den Religionsleistungskurs
einer Schule eingeladen. Das Thema war der Islam und ich das lebende
Beispiel. Der Lehrer, gleichzeitig Leiter der Schule, stellte mich der
Klasse so vor: "Das ist Kübra, sie ist Muslimin, aber trotzdem ganz nett."
Einen Moment der Stille. Betretenes Schweigen. Da fing ich an zu lachen,
die Klasse mit mir mit. Und auch der Lehrer, wenn auch zögerlich.
Letztendlich hatten wir viel Spaß. Hat man ja sonst kaum in der Schule.
Auch mit meinen - muslimischen wie nichtmuslimischen - Freunden witzeln wir
im Alltag über die geheimen Waffenlager unter meinem Kopftuch oder die
verrückte Terrorhysterie. An Flughäfen flüstern wir "Terror", "Bombe" und
"Trainingscamp".
Sobald aber Muslime mit Fremden, mit Kritikern vor allem, über den Islam,
ihre Religion, diskutieren, ist erst mal Schluss mit Humor. Das Thema ist
so persönlich, privat und emotional geladen, dass viele von uns
verkrampfen.
Fast automatisch gehen wir auf Verteidigungskurs und sehen uns als
Vertreter der Religion, die sich der ganzen Welt erwehren müsse. Und ja,
wir kennen auch den Vorwurf, der daraus resultiert: Muslime seien humorlos.
Gerne würde ich deshalb stets so locker reagieren, wie damals in der
Schule. Das gelingt mir aber nicht immer. Rassismus, Diskriminierung,
Islamophobie. Das sind wichtige Themen. Man muss sie ernst nehmen. Aber
nicht nur.
Letzte Woche war ich ich bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. Eine junge
muslimische Schülerin fragte: "Wie soll ich mit Diskriminierung umgehen?"
Da hätte ich ihr gerne geantwortet: Mit Humor.
Humor ist ein einfacher und gesunder Umgang mit Diskriminierung. Mal
ehrlich, über Sarrazin, Nazis oder unsere Familienministerin Schröder kann
man doch lachen. Nur so kann man die Lächerlichkeit entblößen, sich der
Absurdität bewusst werden. Weder jene, die diskriminieren, noch sich selber
darf man zu ernst nehmen. So wie das die dicke Anna gemacht hat. Das hätte
ich der Schülerin gern gesagt - aber es war keine Zeit mehr. Wir haben zu
lange sehr ernst über Identität diskutiert.
Also lacht doch mal. "Deutschland lacht sich schlapp" singt Dia feat.
Rebell Comedy über Sarrazin. Richtig so. Ich versuch's auch.
8 Dec 2010
## AUTOREN
Kübra Yücel
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