# taz.de -- Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson: "Wir hatten einen Notfallpla… | |
> Wikileaks nimmt aktuell keine Dokumente an, sagt Sprecher Hrafnsson. Der | |
> Druck durch die USA offenbare "schon eine gewisse Ironie". Wikileaks sei | |
> nicht gefährlich für die Weltdiplomatie. | |
Bild: Ganz rechts: Julian Assange, daneben Kristinn Hrafnsson. | |
taz: Herr Hrafnsson, wer spricht nach der Festnahme von Julian Assange für | |
Wikileaks? | |
Kristinn Hrafnsson: Im Moment mache ich das. Dass Julian gerade nicht da | |
ist, hat keinen Effekt auf die tägliche Arbeit. Wir waren auf eine solche | |
Situation vorbereitet und hatten einen Notfallplan. Die | |
Verantwortlichkeiten in der Organisation sind gleich geblieben. Wir | |
veröffentlichen in Kooperation mit unseren Medienpartnern noch immer | |
Depeschen. | |
Mit welchen Problemen sieht Wikileaks sich jetzt konfrontiert? | |
Es sind ernsthafte Attacken gegen Wikileaks gestartet worden. Die | |
US-Regierung übt Druck aus auf Unternehmen wie PayPal, Mastercard und | |
andere, die mit Wikileaks gearbeitet haben. Mit ihren Attacken auf die | |
Redefreiheit hat diese Regierung große Wut hervorgerufen. Das schmeckt nach | |
etwas, das man sonst nur von repressiven Regimen kennt. Jetzt erleben wir | |
ein solches Verhalten von einem Land, das für sich beansprucht, die Rede- | |
und Ausdrucksfreiheit zu verteidigen. Das hat schon eine gewisse Ironie. | |
Im Moment nimmt die Webseite keine sensiblen Dokumente an. Warum? | |
Das ist eine zeitlich begrenzte Maßnahme, aus Respekt vor dem Material, das | |
wir bereits haben. Das ist derzeit so viel, dass wir eine Pause einlegen | |
müssen, bevor wir neue Dokumente annehmen können. | |
Was halten Sie von der Aussage der US-Regierung, die jetzt veröffentlichten | |
Dokumente seien gefährlich für die Weltdiplomatie? | |
Das ist unbegründet. Es ist eine ernste Sache, einen genauen Blick auf die | |
Welt zu werfen. Die US-Regierung sagt, die Wahrheit sei eine | |
destabilisierende Kraft. Wir haben diese Aussagen früher schon von anderen | |
gehört und jetzt hören wir sie in einer sehr überzogenen Form von dieser | |
Seite. | |
Wie sind Sie mit Wikileaks in Kontakt gekommen? | |
Als Wikileaks Dokumente über die zusammengebrochene Kauphting Bank | |
veröffentlichte, arbeitete ich gerade für einen Fernsehsender in Island. | |
Das Dokument gab einen Überblick über den Umgang mit hohen Krediten. Die | |
Bank hat die größten Kredite an die eigenen Besitzer vergeben. Das war eine | |
sehr wichtige Geschichte und warf ein Schlaglicht auf die Bankenkrise. Das | |
war meine erste Erfahrung mit Wikileaks, das erste Mal, dass ich davon | |
hörte. Später bin ich in Kontakt mit Julian Assange gekommen. Im Fall der | |
unprovozierten US-Hubschrauber-Attacke im Irak, das Video "Collateral | |
Murder" machte Wikileaks ja sehr bekannt, habe ich dann im Irak | |
recherchiert. In Zusammenarbeit mit dem isländischen Staatsfernsehen und | |
Wikileaks bin ich nach Bagdad gereist, um die Betroffenen zu finden. Das | |
war der Anfang meiner Arbeit für die Organisation. | |
Warum glauben Sie als Journalist, dass es Wikileaks geben muss? Es | |
existieren doch mehr als genug andere Medien. | |
Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen sehe ich eine Tendenz zu wachsender | |
Geheimhaltung und gleichzeitig sehe ich, dass die traditionellen Medien, zu | |
denen ich 20 Jahre lang gehörte, immer weiter beschnitten werden - | |
finanziell und personell. Investigativer Journalismus ist fast zu einer | |
bedrohten Art geworden. Zu große Nähe von Unternehmen und Regierungen | |
fördert Korruption, es ist ungesund für Demokratie und Gesellschaft. | |
Größere Transparenz trägt zu mehr Verantwortung bei Regierungen und | |
Unternehmen bei. | |
Was glauben Sie ist die Zukunft von investigativem Journalismus und von | |
Wikileaks? | |
Ich glaube, Wikileaks trägt zum investigativem Journalismus bei, in | |
Zusammenarbeit mit hunderten von Journalisten. Ich glaube, dies ist eine | |
positive Kooperation von Wikileaks und anderen Medien, die zu mehr | |
Offenheit führen wird und den investigativen Journalismus in der Welt | |
stärkt. | |
Übersetzung: Frauke Böger/Daniel Schulz | |
10 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Louise Osborne | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |