| # taz.de -- Angriff gegen Westerwelle: Kubicki fordert Perestroika in der FDP | |
| > Die Lage der FDP ähnele der "Spätphase der DDR", klagt | |
| > Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Die Führung sei | |
| > "abgehoben". In der Partei rumort es. | |
| Bild: Muss sich einiges anhören von Kubicki: Guido Westerwelle. | |
| BERLIN taz | Das härteste Urteil über die FDP fällt Wolfgang Kubicki gleich | |
| zu Beginn des Interviews. "Die Situation, in der wir uns befinden, erinnert | |
| mich fatal an die Spätphase der DDR. Die ist irgendwann implodiert." Deren | |
| Führung habe die Gefahr bis zum Ende nicht gesehen, sagt der | |
| schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende dem Spiegel. "Es kann | |
| sein, dass auch die FDP in sich selbst zusammenfällt." Führende | |
| Parteimitglieder zeigen sich empört über den jüngsten Angriff Kubickis. | |
| Doch inhaltlich haben sie seinen Angriffen wenig entgegenzusetzen. | |
| Kubicki greift den Parteivorsitzenden frontal an: "Wenn die Kritik ein so | |
| hohes Ausmaß erreicht hat wie bei Guido Westerwelle, dann will man das | |
| nicht mehr wahrnehmen." Die Regierungsverantwortlichen der FDP in Berlin | |
| "nehmen den Zustand der Partei kaum wahr", kritisiert der 58-Jährige. "Sie | |
| sind abgehoben von dem, was in der FDP passiert." Westerwelle kapsele sich | |
| aufgrund der massiven Kritik ab. "Ab diesem Moment haben Sie Probleme bei | |
| der Entwicklung einer vernünftigen Strategie oder deren Umsetzung." | |
| Der als vehementer Westerwelle-Kritiker bekannte Kubicki wirft seiner | |
| Partei Konzeptlosigkeit vor: "Die FDP hat überhaupt kein Modell einer | |
| wirksamen Kontrolle der Finanzmärkte entwickelt." Auch brauche die Partei | |
| eine klare Haltung zur Dauer des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. | |
| Die Aussetzung der Wehrpflicht, obwohl seit langem offizielles Ziel der | |
| Partei, halte die Öffentlichkeit ausschließlich dem Verteidigungsminister | |
| von der CSU zugute. Der Zustand der Partei sei nach einem Jahr Dauerkritik | |
| an einem Tiefpunkt: "An der Basis hat die Auflösung schon begonnen", | |
| urteilte Kubicki. Immer mehr Menschen verließen die Partei mit ihren | |
| derzeit rund 70.000 Mitgliedern. | |
| Damit trifft der einstige Vertraute Jürgen Möllemanns die wunden Punkte der | |
| FDP. Seit Monaten verharrt die Partei in Umfragen zwischen 4 und 6 Prozent. | |
| Zwei Monate vor Beginn einer Serie von 7 Landtags- und 2 Kommunalwahlen | |
| fürchten die Freidemokraten ein Desaster. In Baden-Württemberg droht die | |
| Regierungsbeteiligung verloren zu gehen. In Hamburg, Sachsen-Anhalt, | |
| Rheinland-Pfalz und Berlin steht ihr Einzug ins Parlament infrage. | |
| Entsprechend feinnervig reagieren die Parteifreunde. "Das sind die Worte | |
| eines Selbstdarstellers", kritisiert die Vizevorsitzende der FDP-Fraktion | |
| im Bundestag, Miriam Gruß, gegenüber der taz: "Herr Kubicki äußert sich | |
| regelmäßig vor Wahlen, das ist wie ein pawlowscher Reflex." | |
| Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner sieht Kubicki vom Drang zur | |
| "Selbstdarstellung" getrieben. "So macht man sich nur zum Kronzeugen der | |
| Gegner", urteilt Lindner. "Wolfgang Kubicki pflügt damit auch unsere ersten | |
| Erfolge unter." | |
| Der starke Mann der schleswig-holsteinischen FDP bringt sich regelmäßig | |
| durch deutliche Kritik an seiner Partei ins Gespräch. Der langjährige | |
| Landesfraktionschef in Kiel verfügt im nördlichsten Bundesland über eine | |
| Hausmacht, die ihn parteiintern unangreifbar macht. Weil er kein | |
| politisches Amt auf Bundesebene anstrebt, ist er nicht durch Drohungen der | |
| Parteispitze einzuschüchtern. | |
| Umso härter fällt die Kritik an Kubicki aus. "Manche können sich nur | |
| profilieren, wenn sie sich gegen die eigene Partei positionieren", sagte | |
| Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle dem Handelsblatt. Das gelte vor | |
| allem für Kritiker, die selbst noch nie Regierungsverantwortung getragen | |
| hätten. Kubicki ist - mit einer dreijährigen Unterbrechung - seit 1992 | |
| FDP-Fraktionschef in Kiel. Einen Posten in der schwarz-gelben | |
| Landesregierung schlug er aus. | |
| 13 Dec 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Lohre | |
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