# taz.de -- Aus der Deutschland-taz: Pflege auf türkisch | |
> Viele der ehemaligen Gastarbeiter sind heute pflegebedürftig. Einige | |
> Einrichtungen haben sich darauf spezialisiert und bieten Betreuung in den | |
> Muttersprachen an. | |
Bild: Hassan Khateeb (2.v.l.) und seine Familie. | |
Stolz hält Sadik Arukaslan einen kleinen, sauber geflochtenen Korb in die | |
Höhe. "Den habe ich selbst gemacht", sagt der 73-Jährige. Er strahlt. Auf | |
einem Tisch im Bastelraum liegen Scheren und Filzmaler, drumherum sitzen | |
acht Senioren konzentriert über Papierbögen. Sorgfältig malen sie Mandalas | |
aus, manche mit zitternder Hand. | |
Eine Handarbeitsstunde für Senioren, wie sie ähnlich in ganz Deutschland | |
stattfinden - mit einem Unterschied: In der Tagespflegeeinrichtung Deta-Med | |
im Berliner Stadtteil Moabit wird fast nur Türkisch gesprochen. | |
Dass die alten Menschen so aufmerksam über ihren Bildern sitzen, ist für | |
Deta-Med-Geschäftsführer Kamil Akgün keine Selbstverständlichkeit. "Unsere | |
älteren Türken sehen Basteln oft als Kinderkram", sagt er. Gern erinnert er | |
sich an eine Patientin, die hier zum ersten Mal einen Pinsel in die Hand | |
gedrückt bekam. "Zunächst war sie ganz unsicher, aber dann malte sie die | |
tollsten Bilder - selbst ihre Familie war überrascht." | |
20 Patienten besuchen die Einrichtung von 9 bis 16 Uhr. Zusammen mit | |
PflegerInnen essen sie, treiben Sport, spielen oder reden. Einen Zwang, an | |
den Aktivitäten teilzunehmen, gebe es nicht, sagt Akgün: "Die meisten | |
sagen, dass sie am liebsten zum Plaudern herkommen." | |
Die meisten Gäste sind Türken oder Araber, wenige kommen aus Deutschland, | |
Italien oder Russland. Das Personal ist darauf eingestellt. Pflegerin Terry | |
Mebrathu kam vor 16 Jahren aus Eritrea nach Deutschland. "Dass das Personal | |
mit den Patienten in ihrer Muttersprache sprechen kann, ist ganz wichtig", | |
sagt sie. Mebrathu spricht Arabisch, Englisch, Italienisch und Deutsch, | |
zudem hat sie bei Deta-Med Türkisch gelernt. | |
Gerade bei Demenzkranken ist das von Vorteil: Stück für Stück verlieren | |
viele ihre Deutschkenntnisse und kehren gedanklich mehr und mehr in ihre | |
Heimat zurück. Es ist die erste Generation der ehemaligen Gastarbeiter, die | |
nun der Altenpflege bedarf - ein Wachstumsmarkt: Allein für Berlin sagt das | |
Statistische Landesamt voraus, dass sich die Zahl der Migranten über 65 | |
Jahren von etwa 23.000 im Jahr 2002 auf 57.000 im Jahr 2020 erhöhen wird. | |
Dass Migranten besondere Bedürfnisse in der Altenpflege haben, weiß | |
Pflegedienstleiterin Jutta Herbrechtsmeier: "Das fängt beim Essen an und | |
hört bei der Körperpflege auf." So sei es etwa für einen Araber sehr | |
wichtig, unter fließendem Wasser gewaschen zu werden, dazu komme ein | |
stärkeres Schamgefühl. "Der Umgang ist respektvoller und freundlicher", | |
sagt Herbrechtsmeier über den Unterschied zwischen kulturspezifischer und | |
normaler Pflege. | |
Das sieht auch Yasare Ünal so. Sie war bereits einmal Patientin in der | |
Deta-Med-Einrichtung, bis ihre Tochter sie in eine deutsche Tagespflege | |
brachte. "Da war es furchtbar langweilig und ich wurde als Ausländerin | |
nicht gut behandelt", berichtet sie. Deswegen ist sie wieder | |
zurückgekommen: "Hier kann ich auf türkisch lachen und scherzen. Und ich | |
werde von den Pflegern mit einem Wangenkuss und einer Umarmung begrüßt." | |
13 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Alice Lanzke | |
## TAGS | |
Deniz Yücel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Asylbewerber boykottieren Essenspakete: Auf einem Abstellgleis in Oberbayern | |
Im Asylbewerberheim in Denkendorf können sich die Bewohner nicht einmal ihr | |
Essen selbst kaufen. Ein Besuch an einem Ort, an dem Integration keine | |
Rolle spielt. | |
Aus der Deutschland-taz: Bis zum letzten Pfiff | |
Seit 18 Jahren bin ich in Deutschland nur geduldet - und pfeife für den | |
Deutschen Fußballbund. Damit mein Vater wieder einreisen darf, soll meine | |
Familie über 10.000 Euro zahlen. | |
Kolumne Deutschenfeindlichkeit: Mir brauche Lichterkedde | |
Woher bloß dieser Hass? Warum nur diese Verachtung? | |
Aus der Deutschland-taz: Das Ende der Dankbarkeit | |
Ich hatte es schon geschafft: vom Arbeiterkind zur Türkin zur Migrantin. | |
Nun wundere ich mich, dass ich für viele Deutsche wieder eine Ausländerin | |
bin. | |
Aus der Deutschland-taz: No Integration, Baby! | |
In vielen Großstädten hat jeder dritte Erwachsene einen | |
Migrationshintergrund. Das Gesicht des Landes hat sich verändert. Schafft | |
den Begriff Integration ab! |