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# taz.de -- Ein Besuch in Simbabwe: „Gut, wenn wieder Fremde kommen“
> Nach desolaten Jahren hoffen die Menschen wieder auf bessere Geschäfte.
> Ihre Politiker werden ihnen dabei kaum helfen.
Bild: Independent Standard, Harare, December 13, 2010. Der illegale Diamantenha…
Wahrscheinlich zählt es zu den besonderen Qualitäten autoritärer Systeme,
Besuchern jenes Gefühl von Unwirklichkeit zu vermitteln, wie es sonst nur
Agentenfilme bieten: Nichts ist tatsächlich so wie es scheint, alles
Öffentliche spricht mit gespaltener Zunge, jedes Wort will gewogen, jede
Geste gedeutet werden. Bis schließlich nach einigen Tagen auch die Häuser
anfangen wie aus Pappmaschee - oder ist es Styropor? - auszusehen. „Oh ja,
ich habe ihn schon zweimal persönlich kennengelernt“, sagt Rosanna, die
fröhliche junge Dame im Tourist Office von Harare. Sie blickt auf das Foto
an der Wand. „Zweimal hat er uns in seine Residenz eingeladen. Mit fünfzig
Kollegen waren wir dort. Er war ein toller Gastgeber, so charmant und
humorvoll, wie wir es gar nicht erwartet hätten. Er hat sich wirklich um
uns bemüht, obwohl wir ja keine wichtigen Leute waren, sondern nur kleine
Angestellte.“
Der solcherart Gepriesene, Simbabwes Staatschef Dr. Robert Mugabe, vermag
auch mit 86 Jahren noch zu überraschen. Die inzwischen dreißig Jahre seiner
Präsidentschaft haben das Land zwar an den Rand des Ruins geführt, seine
eigene Vitalität aber offenbar nicht beeinträchtigt. Gute Gene, behaupten
seine Anhänger, regelmäßige Frischzellenkuren bei den politischen Freunden
in Peking, glauben die Gegner. Man weiß es nicht so genau.
Die Sache mit seinem Humor lässt sich immerhin leichter recherchieren. Dass
der - anders als Rosanna behauptet - so groß nicht sein kann, erleben wir
noch am selben Tag während der Stadtrundfahrt. „Kameras runter! Sofort
runter! Keine Fotos!“, schreit unser Guide, als der Bus die weitläufige
Residenz des Präsidenten passiert: Weiß getünchte Mauern, die üppige Gärten
verbergen, Wachhäuschen, Kontrollposten mit Maschinengewehren,
Stacheldraht, Verbotsschilder. Die Verschanzung der Macht schreit nach
fotografischer Dokumentation, doch der Guide bleibt unerbittlich.
Die zugänglichen Motive der Hauptstadt sind für das Regime jedoch nicht
weniger kompromittierend: Die Textil- und Ramschmärkte in Harares
Armenviertel Mbare, auf denen sich viele Händler, aber kaum Käufer tummeln,
die Fußgängerzone voller Schlaglöcher und rostiger Leitungsstränge, der
African Unity Square, auf dem allein die wunderbar violett blühenden
Jacaranda-Bäume von dem überall herumliegenden Müll ablenken.
Simbabwe hat zehn harte Jahre hinter sich. Brutale Gewalt der
Mugabe-Regierung gegen eine erstarkende Opposition, eine katastrophale
Landreform, die zur Zerstörung der hochproduktiven Agrarwirtschaft führte,
sowie zuletzt eine Hyperinflation haben den einstigen Vorzeigestaat in
einen Krisenherd verwandelt. Cholera und Aids sind auf dem Vormarsch,
achtzig Prozent der Menschen ohne Arbeit, Millionen nach Südafrika
geflohen.
Seit die Landeswährung 2009 gegen US-Dollar und Südafrikanischen Rand
ausgetauscht wurde und Mugabe auf internationalen Druck mit der Opposition
in eine große Koalition eintrat, hat sich die Lage immerhin stabilisiert.
Die lange Zeit leeren Regale sind wieder voller Waren, die politischen
Konflikte wenn auch nicht gelöst, so doch befriedet.
Die Tourismusbehörde würde vor diesem Hintergrund am liebsten zur
Tagesordnung übergehen und wieder jene Afrikaromantik aus Weite und Wildnis
vermarkten, die sich in Regionen wie dem Hwangae-Nationalpark tatsächlich
im Überfluss findet.
Doch die Wirklichkeit ist weniger romantisch: Selbst an Top-Zielen wie den
weltberühmten Victoriafällen nahe Sambia blieben die Hotels in der
Vergangenheit meist leer. Das Geschäft kommt nur langsam wieder in Gang.
Tourismusminister Walter Mzembi, der in Harare anlässlich einer
Touristikmesse zur internationalen Pressekonferenz geladen hat, kennt die
Schuldigen der Misere. Es sind Simbabwes Medien. „Schauen Sie sich doch die
Schlagzeilen an“, schäumt der Politiker, während er ein Blatt nach dem
anderen hochhält: „Korruption, Diamantendiebstahl, Kapitalflucht,
Vergewaltigung, Straßenraub, Aids - kein Wunder, dass unser Land weltweit
einen so schlechten Ruf hat, wenn die Medien nur Negatives berichten.“
Im nächsten Moment driftet die Veranstaltung ins Absurde. Die Medienschelte
stößt nicht etwa auf Widerspruch, sondern erntet Beifall. Ein Teil der
anwesenden Journalisten ist offenbar gekauft. „Touristen interessieren sich
nicht für Politik, die Politik lässt sich ohnehin nicht ändern. Man sollte
mehr über Simbabwes Schönheiten berichten“, sekundiert ein angeblich aus
Südafrika stammender Kollege.
Das Theater wäre zum Lachen, würde es nicht all jene verhöhnen, die das
Land mit eigenen Ideen wieder aufzubauen versuchen. „Es ist immer
dasselbe“, schimpft Caroline Dodzo, die in Harare eine Initiative für
lokalen Ökotourismus unterstützt. „Mugabe und seine Leute haben hier noch
nie für irgendwas Verantwortung übernommen. Immer sind es die anderen, die
schuld an der Misere sind: die Amerikaner, die Briten, George Bush, die EU,
die CIA, die internationalen Medien.“
Wir befinden uns fünfzig Kilometer östlich von Harare in einem kleinen
Dorf, wo es sich offenbar freier reden lässt als in der Stadt. Dominik, der
78-jährige Chef des Dorfes, und seine Leute würden gerne Touristen
beherbergen, ein solides Steinhaus mit gemütlichen Schlafplätzen und
Leihfahrräder sind bereits vorhanden. Doch die Idee ist einigermaßen
illusorisch. Das Dorf liegt weitab der Hauptstraße, hat weder Elektrizität
noch besondere Attraktionen. Wer hier Touristen hinbekommen will, muss ein
überragendes Marketinggenie sein.
Caroline und ihre Initiative unterstützen das Projekt trotzdem: „Vielleicht
könnte man Schulklassen aus Harare einladen, damit sie lernen, wie die
Leute auf dem Land leben.“ Dem Dorfchef ist die Sache überaus ernst. „Wir
brauchen neue Einnahmequellen. Die Böden geben nicht genug her. Es gibt
nicht immer genug zu essen. Damit es für alle reicht, müssten wir
Kunstdünger kaufen können, aber dafür haben wir kein Geld.“
Das Geld ist woanders. Kurz vor der Fußball-WM spendierte Tourismusminister
Mzembi großzügig knapp eine Million US-Dollar für ein Gastspiel des
brasilianischen Nationalteams in seinem Land. Die Edelkicker wurden von
seinem eigenen Busunternehmen chauffiert. Immerhin, so der Minister, könne
Simbabwes Elf auf diese Weise gegen eine internationale Top-Mannschaft
antreten. Derartige Eskapaden sind noch die moderate Form von Korruption in
Simbabwe.
Während viele touristische Fachkräfte das Land in den vergangenen Jahren
Richtung Südafrika verlassen haben, investiert Karikoga Kaseke, Chef des
Zimbabwe Tourist Board, sein Budget vorzugsweise in den Unterhalt seiner
eigenen Mätressen. Als er mit seinem BMW im September einen Unfall
verursachte, entstiegen nicht weniger als drei örtliche
Schönheitsköniginnen, darunter Miss Simbabwe höchstselbst, der vollständig
lädierten Nobelkarosse.
Wer als Besucher umherreist, begreift schnell, dass die Menschen Besseres
verdient haben. Simbabwe hat nicht nur eine faszinierende Natur, eine weit
zurückreichende Geschichte, riesige Wildtierbestände und die
spektakulärsten Wasserfälle des Kontinents, sondern ist ungeachtet aller
Not noch immer ein sicheres, relativ unkompliziertes Reiseziel. Das viel
gerühmte Straßennetz ist nach wie vor hervorragend, das
Übernachtungsangebot gut, die Freundlichkeit der Menschen oft geradezu
entwaffnend.
Wer sich neokolonialer Attitüden enthält und Neugier für den Alltag
aufbringt, kann nicht nur gut gelaunte, sondern auch erstaunlich gut
informierte Gesprächspartner treffen. Mitunter gelingt das sogar ganz ohne
Mimikry: „Wir haben zwei Jahre nur Maisbrei gegessen. Ich bin total schlank
geworden“, lacht die 24-jährige Wadzanai, deren jugendliche Unbeschwertheit
darauf hindeutet, dass sie darin vor allem eine sportliche Herausforderung
gesehen hat. Auf einer Verbrauchermesse präsentiert sie einen neuartigen
Holzkochofen, der wegen der vielen Stromausfälle im Land Einsatz finden
soll. Wenn sie nicht jobben muss, studiert sie Energiewirtschaft an Harares
Universität. „Gut, wenn wieder Fremde kommen, gut, wenn sich überhaupt
wieder jemand für uns interessiert.“
Dass die Regierung in Deutschland wieder auf Atomenergie setzt, hat sie
gehört. Doch davon hält sie so wenig wie von der Diamantenförderung in
ihrem Land: „Atomkraft ist viel zu gefährlich. Und die Diamanten gehen
sowieso nur an die Reichen. Wir in Afrika müssen die Solartechnologie
weiter voranbringen. Dann produzieren wir in Zukunft den Strom und liefern
ihn euch.“
15 Dec 2010
## AUTOREN
Martin Jahrfeld
## TAGS
Simbabwe
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reiche Simbabwer Luxuswagen zu unvorstellbaren Preisen.
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