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# taz.de -- Sportfördergruppen der Bundeswehr: Sorgenfreiheit für Armisten
> Die Umwandlung der Bundeswehr zum Freiwilligenheer ist beschlossen. Für
> die Sportsoldaten ändert sich nichts. Sportpolitiker wollen das System so
> erhalten, wie es ist.
Bild: Die deutsche Biathletin Andrea Henkel ist Bundeswehr-Sportsoldatin. Sie s…
BERLIN taz | Gestern gingen sie wieder in die Loipe, Hauptfeldwebel Michael
Greis und Andrea Henkel, die den gleichen militärischen Rang innehat. Die
Biathleten starteten beim Weltcup in Pokljuka. Sie können ihren Sport
relativ sorgenfrei betreiben, denn sie sind Mitglied einer
Sportfördergruppe der Bundeswehr. Der deutsche Steuerzahler bringt über 30
Millionen Euro für die derzeit 824 Sportsoldaten auf. Das
Bundesverteidigungsministerium hat für den gesamten Sportbereich im Jahr
2010 sogar über 79 Millionen Euro ausgegeben.
Mit der Bundeswehrreform, die in dieser Woche vom Parlament verabschiedet
wurde, stellt sich natürlich auch die Frage, ob die Sportförderung
gleichermaßen reformiert wird. Im Spiegel hatte es geheißen, im
Verteidigungsministerium gebe es keine Denkverbote, das Fördersystem sei
"nicht in Stein gemeißelt". Die Vorsitzende des Sportausschusses im
Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), reagierte besorgt und erkundigte sich
umgehend, ob denn auch die 15 Standorte, an den die Sportsoldaten
stationiert sind, gefährdet seien.
Thomas Kossendey, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, konnte die
SPD-Politikerin am Mittwoch in der Sitzung des Sportausschusses beruhigen.
Der Umbau der Bundeswehr zur Freiwilligenarmee und die damit einhergehende
Reduzierung der Soldaten von 250.000 auf 185.000 habe "keine Auswirkungen"
auf den Spitzensport: " Es wäre zweckmäßig, an dieser Maßnahme
festzuhalten, wir würden das gern weitermachen", sagte Kossendey. Zwar
dürfe die Förderung von Biathleten, Bobfahrern oder Fußballerinnen nicht
"zu Lasten der militärischen Kernaufgabe gehen", doch zeigte sich Kossendey
zuversichtlich, dass das Parlament "entsprechende Haushaltstitel" für seine
Staatssportler verabschieden werde.
Es dürfte also mit hoher Wahrscheinlichkeit alles so bleiben wie bisher.
Allerdings wird die Anzahl der Stellen bis zum Jahr 2012 von 824 auf 744
"plus Peripheriepersonal" (Kossendey) reduziert - das hat aber nichts mit
der Reform zu tun, das war schon vorher beschlossene Sache. Klaus Riegert
(CDU) betrieb Lobbyarbeit für die Sportsoldaten: "Wir werden kämpfen, dass
das so erhalten bleibt." FDP, Grüne und SPD finden das alte Modell auch
gut. Katrin Kunert von den Linken gab vorsichtig zu bedenken: "Man könnte
doch ein ganz neues Modell der Sportförderung entwerfen." Sie meinte damit
ein System, das sich weniger auf die Bundeswehr stützt; sie sprach von
Stipendien und individueller Förderung.
Finanziell wäre das machbar, bedenkt man, dass eine Sportförderstelle etwa
36.400 Euro kostet, allein der politische Wille fehlt. Da nützt es auch
nichts, dass der Bundesrechnungshof in diesem Jahr harsche Kritik geübt
hat: Die Spitzensportförderung führe ein Eigenleben innerhalb der
Bundeswehr, es fehle an "Haushaltsklarheit und -wahrheit", wurde moniert.
Es gebe auch kein eigenes Konzept und die Förderung erfolge lediglich auf
Grundlage eines Parlamentsbeschlusses aus dem Jahr 1968.
Der Rechnungshof verlangte Belege, "dass diese Förderung effektiver sei als
etwa die Vergabe von Stipendien". Notgedrungen befasste sich das
Verteidigungs- und Innenministerium (BMI) mit der Sache. Man sondierte, wie
das in Kanada, den USA, Norwegen oder Russland gemacht wird. Und siehe da:
Dort gibt es zum Teil viel mehr Sportstipendiaten als in Deutschland. Doch
der BMI-Referatsleiter Sport, Gerhard Böhm, sieht keinen Handlungsbedarf:
"Die Bundeswehrsportförderung ist besser als die Stipendiatslösung."
Außerdem sei die Karriere nach dem Leistungssport für einen Sportarmisten
besser planbar.
Das ist eine kühne Behauptung, der Dagmar Freitag in einem taz-Interview
vor einiger Zeit widersprochen hat. Die Sportförderung der Bundeswehr sei
auf den ersten Blick gut, "auf den zweiten Blick sind aber teilweise auch
erhebliche Nachteile mit diesem ,sorgenfreien' Sportlerleben verbunden. Bei
der Bundeswehr hat nur ein verschwindend geringer Bruchteil der dort
angestellten Athleten die Möglichkeit, als Berufssoldat bei der Bundeswehr
bleiben zu können.
Für alle anderen stellt sich die Frage nach dem ,beruflichen Danach'. Da
gibt es erschreckende Fälle", sagte die Sozialdemokratin. Der
Ruderweltmeister von 1988 und heutige Hochschullehrer, Wolfgang Maennig,
hatte in dieser Zeitung beklagt, dass das Fördersystem der Bundeswehr
"mittelfristig eine Verdrängung und Ausgrenzung des Talentepools der
Berufstätigen und Bildungsaffinen aus dem Spitzensport" begünstige.
Davon war am Mittwoch im Sportausschuss nicht einmal ansatzweise die Rede.
Vielmehr war man sich darüber einig, dass die Sportsoldaten ein prima
Marketinginstrument sind - oder wie es Thomas Kossendey formulierte:
"Spitzensportförderung zu betreiben, ist für eine Bundeswehr, die künftig
auf freiwillige Kräfte angewiesen ist, sehr attraktiv." Karl-Theodor von
und zu Guttenberg, der Minister für Eigenreklame und Symbolpolitik, wird
wohl kaum auf seine Diplomaten im Trainingsanzug verzichten wollen.
16 Dec 2010
## AUTOREN
Markus Völker
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