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# taz.de -- Münchener Tatort: Das Recht auf juristischen Beistand
> Im Tatort "Nie wieder frei sein" verteidigt eine Anwältin einen
> Sexualstraftäter. Wie hier die Grundlagen des Rechtsstaates schmerzhaft
> ausgelotet werden, ist eine juristische Tragödie.
Bild: Ivo Batic (Miroslav Nemec, l.) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) kämpf…
HAMBURG taz | Ist sie eine skrupellose Karrieristin oder ist sie einfach
nur eine gute Anwältin? Regina Zimmer führt Polizei und Staatsanwaltschaft
während eines Sexualmordprozesses gnadenlos vor. Sämtliche
Ermittlungsergebnisse werden von ihr vor Gericht als formal unbrauchbar
diskreditiert. Kommissar Batic (Miroslav Nemec), der den Täter schon
überführt glaubte, schäumt; Leitmayr (Udo Wachtveitl) will die Wellen
glätten. Doch das ist fast unmöglich, muss der aufgewühlte Kollege mit ihm
den zuvor Festgesetzten auch noch gegen den Volkszorn verteidigen. Die
Nachbarschaft hat schon ihren Widerstand organisiert, auch die junge
Anwältin kriegt ihn bald am eigenen Körper zu spüren.
Die Angstdebatte um die Sicherheitsverwahrung von Triebtätern ist noch im
Gange, da bringt der Bayerische Rundfunk diesen überhitzten und zugleich
kühl konstruierten Krimi auf den Bildschirm. Zweifel an der Täterschaft des
Freigesprochenen kommt nicht auf: Ja, das ist der Mann, dem der Zuschauer
in einer Szene gleich am Anfang einen unendlich lang erscheinenden
Augenblick dabei zuschaut, wie er den bewegungslosen Körper seines Opfers
aus einem Lieferwagen wuchtet.
Ist die Münchner „Tatort“-Episode „Nie wieder frei sein“ (Buch: Dinah …
Golch) also eine Anklage gegen die Mängel unseres Rechtssystem? Nein, eben
nicht. In der verwegenen erzählerischen Konstruktion werden das Opfer
(grandios: Anna Maria Sturm) und die Anwältin (ebenso grandios: Lisa
Wagner) ins Zentrum des Krimis gestellt: Hier die zerstörte junge Frau, die
jeder Zukunft beraubt ist und nun auch noch ihren Peiniger davon kommen
sieht; dort die brillante Nachwuchsjuristin, die als Pflichtverteidigern
konsequent den rechtlichen Rahmen für ihren Klienten ausschöpft, weil eben
jeder Mensch ein Recht auf juristischen Beistand hat.
Regisseur Christian Zübert hat neben einigen Folgen „KDD“ vor allem
Komödien gedreht, direkt im Anschluss an seinen „Tatort“ läuft seine extr…
schluffige Kleinkriminellenkomödie „Hardcover“ als Fernseherstaufführung.
In seinem Fernsehkrimi geht er nun weit über die Grenzen des üblichen
Primetime-Problemplauschs: Wie er hier die Grundlagen des Rechtsstaates
schmerzhaft auslotet, ohne dabei in dumpfen Populismus zu verfallen, ist
furios. Eine juristische Tragödie.
19 Dec 2010
## AUTOREN
Christian Buss
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