# taz.de -- Thailands Regierung: Notstand wieder aufgehoben | |
> Thailands Machthaber rechnen derzeit nicht mehr mit gewaltsamen Protesten | |
> der oppositionellen "Rothemden". Unklar bleibt die Rolle dee Armee bei | |
> der Ermordung von Zivilisten. | |
Bild: AktivistInnen der "Rothemden" gedenken am 18. Dezember den bei den Aussch… | |
BANGKOK taz | Thailands Regierung will an diesem Mittwoch den seit April | |
geltenden Ausnahmezustand auch in den letzten vier Provinzen inklusive | |
Bangkok aufheben. Es sei derzeit nicht mehr mit gewaltsamen Protesten der | |
Opposition zu rechnen, sagte ein Regierungssprecher. Stattdessen wollen die | |
Behörden das "Interne Sicherheitsgesetz" (ISA) anwenden. | |
Das erlaubt, Personen für sieben statt wie bisher für dreißig Tage ohne | |
formelle Anschuldigung festzusetzen. Allerdings könne der Notstand | |
"jederzeit wieder neu erhoben werden", drohte Armeechef Prayuth Chan-ocha. | |
Regierung und Militär hatten den Notstand benutzt, um etliche hundert | |
oppositionelle sogenannte Rothemden und vermeintliche Sympathisanten zu | |
verhaften sowie vor allem "rote" Medien mundtot zu machen. | |
Für Kritiker ist die Beendigung des Notstands keine Geste des guten | |
Willens, sondern Resultat des internationalen Druck auf die Regierung. | |
Zudem erschien diese Regelung zunehmend absurd: Denn die Rothemden hatten | |
sich dadurch nicht davon abhalten lassen, in den letzten Monaten mehrfach | |
friedlich mit bis zu 10.000 Teilnehmern zu demonstrieren - obwohl der | |
Notstand Ansammlungen von mehr als fünf Personen verbietet. | |
"Abwarten, was die nähere Zukunft bringt", sagt Sombat Boonngamanong. Der | |
Rothemden-Aktivist saß zwischenzeitlich selbst hinter Gittern. Er vermutet, | |
dass einige inhaftierte Mitstreiter nun freikommen könnten. "Allerdings | |
nicht alle, denn dann wird die Regierung diese nicht mehr kontrollieren | |
können." Auch bleibe abzuwarten, ob mit der Aufhebung des Notstands auch | |
die Medienzensur ende. | |
Von nationaler Versöhnung ist weiter wenig zu spüren. Das liegt auch daran, | |
dass offiziell immer noch ungeklärt ist, wer für die mindestens 91 Toten | |
und fast 2.000 Verletzten vom April und Mai verantwortlich ist. Vor kurzem | |
kamen Dokumente der Sonderermittlungseinheit DSI an die Öffentlichkeit. | |
Laut der von Reuters veröffentlichten Papiere war das Militär womöglich | |
viel stärker an der Ermordung von Zivilisten beteiligt, als es die | |
Regierung zugibt. Demnach feuerten Soldaten am 19. Mai, dem Tag der | |
Niederschlagung der roten Proteste, an der Ratchaprasong-Kreuzung von der | |
Bangkoker Hochbahn aus in den gegenüberliegenden Tempel Pathum Wanaram und | |
töteten dabei Zivilisten. | |
Regierung und Armee bestreiten das oder verweisen darauf, dass nichts | |
endgültig geklärt sei. Da dürften ihnen die Untersuchungsergebnisse der | |
Sonderermittlungseinheit DSI eher gepasst haben: Im November hatte das DSI | |
bekannt gegeben, dass 12 von 18 bislang untersuchten Todesfällen auf das | |
Konto militanter Rothemden oder deren Sympathisanten gingen. Weitere 6 | |
seien von Unbekannten getötet worden. Die Angehörigen der Opfer waren | |
empört. | |
Den Autoritäten glaubt Phayao Akkahad nicht mehr. Ihre Tochter war | |
Krankenschwester und wurde im Tempel erschossen, als sie Verwundeten half. | |
"Das DSI, das diese Untersuchungen durchführt, hat ja von den anderen | |
Autoritäten keine Informationen bekommen", so Phayao. "Es wurde und wird | |
weiter behauptet, dass Soldaten keine Menschen getötet haben. Vielleicht | |
wird die Wahrheit nie ans Licht kommen." | |
Die Rothemden wollen ihren Druck auf die Regierung beibehalten und | |
kündigten weitere Demos an. Auch hat sich ihre Dachorganisation, die | |
Vereinigte Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die nach der | |
Niederschlagung der Proteste zeitweise nicht mehr existierte, neu formiert. | |
Vorsitzende ist Thida Thavornseth, Ehefrau eines inhaftierten moderaten | |
roten Anführers. Sie setzt auf friedliche Kundgebungen, räumt aber ein, | |
dass sie nicht für alle roten Gruppierungen sprechen könne: Es gebe einige, | |
die nicht daran glaubten, dass gewaltfreie Demonstrationen etwas nützten. | |
21 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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