# taz.de -- Neue DVD zum Sonisphere Festival: Das Treffen der zufriedenen Dickh… | |
> Die großen Vier des Metal - Anthrax, Metallica, Megadeth und Slayer - | |
> spielten im Juni in Sofia. Nun gibt es eine DVD dazu. Schnell wird klar: | |
> Das wilde Leben ist anderswo. | |
Bild: "Sehr aufgeräumt und souverän": Metallica. | |
Ein interessantes neues Konzept der kommerziellen Zweitverwurstung kam mal | |
wieder aus dem Heavy-Metal-Lager, in dem sich ja immer schon die | |
ausgepichtesten Nepper, Schlepper, Bauernfänger tummelten. Alle Old School | |
Thrasher, die am 22. Juni 2010 nicht zum Sonisphere Festival nach Sofia, | |
Bulgarien, reisen konnten, um noch einmal "The Big Four" (Anthrax, | |
Megadeth, Slayer und Metallica) zu sehen, mussten nicht gleich vor Wut in | |
die Kutte beißen. | |
Via Satellit wurde die Show an 550 "ausgewählte" Kinos in 34 Ländern rund | |
um die Erde gesendet. So eine Mischveranstaltung aus dreckigem Livekonzert | |
hier und gediegenem Kinoabend anderswo gab es auch noch nicht. An eine | |
weitere Verwertung sei aber nicht gedacht, hieß es zuvor auf der | |
einschlägigen Website, der Metalhead müsse sich schon ins nächste | |
Lichtspielhaus begeben. Nun, so leichtgläubig ist der längst nicht mehr. | |
Die Kinos blieben leer, weil es ja nur eine Frage der Zeit sein würde, wann | |
die Doppel-DVD erschiene - und schon vier Monate später ist sie da, wie | |
gewohnt in den einkommensspezifischen Formaten, als Blue Ray, "Limited | |
Deluxe 2 DVD" und für den besser verdienenden Die-hard-Fan als "Limited | |
Edition Collectors Box", die neben Fotodrucken, dem Sonisphere-Plakat und, | |
hell yeah!, einem "Big 4 Guitar Pick" auch noch fünf CDs enthält - das | |
Audioformat des Festivals also. | |
Gesichert ist damit jedenfalls ein feiner Puschenkinoabend im | |
eingeschworenen Kreis der Connaisseurs. Nicht mehr, aber auch nicht | |
weniger. Die euphorisierende Atmosphäre eines gelungenen Live-Gigs stellte | |
sich schon im Kino selten ein, weil man eben doch wieder ein bisschen | |
schummelte und nicht wirklich "live" musizierte, sondern mit einem | |
mehrstündigen Versatz, der dem Regisseur die Möglichkeit gab, ein paar | |
gezielte Schnitte zu setzen. Die sind so offensichtlich, dass es jeder | |
bemerken muss. Ein paar Mal kommt dennoch fast so etwas wie Stimmung auf. | |
Feuchte Augen | |
Etwa als Anthrax, erneut vereint mit Joey Belladonna, dem Sänger des | |
80er-Line-ups, den Trust-Klassiker "Antisocial" torpedierten, um | |
anschließend ihren eigenen Hit "Indians" anlässlich des Krebstodes von | |
Ronnie James Dio mit einem Tribute-Stückchen des Black-Sabbath-Klassikers | |
"Heaven & Hell" zu strecken. Große Geste, trotzdem schön. | |
Und wenn am Ende des Metallica-Sets James Hetfield ein bisschen rührselig | |
die große "metal family" beschwört, um dann noch einmal fast die ganze | |
Rotte der großen vier auf die Bühne zu holen und mit ihnen den alten | |
Diamond-Head-Brocken "Am I Evil?" den Berg hinaufzurollen, bekommen | |
entsprechend disponierte Gemüter sowieso feuchte Augen. | |
Metallica reiten zuvor wieder einmal durch einen Hindernisparcour. Drummer | |
Lars Ulrich zerdullert bei "One" nach altem Brauch die elegische Aura, und | |
"Master Of Pupptes" gerät etwas arg außer Rand und Band, aber unterm Strich | |
ist es dennoch ein Spaß. Und nicht zuletzt Gitarrist Kirk Hammett hat ein | |
paar schöne Szenen. Wie er sich an diesem Abend durch die sehr | |
komprimierten Melodiesoli bewegt, die in der Vergangenheit auch schon mal | |
für Verdruss sorgten bei den Zuhörern, das ist alles schon sehr aufgeräumt | |
und souverän. | |
So könnte man auch das Set von Slayer beschreiben. Sie klingen, wie | |
meistens, sehr kompakt, brachial, grob. Und viel zu routiniert. Ihr | |
Verzicht auf Kommunikation mit dem Publikum, die überlangen Pausen zwischen | |
den Songs, man kennt das seit Jahren, ist aber immer noch irritiert von | |
dieser evidenten Lustlosigkeit - und den fehlenden Sanktionen der Szene. | |
Slayer sind sakrosankt, seit man mit dem Album "Christ Illusion" wieder | |
eingeschwenkt ist auf den alten Achtziger-Thrash-Kurs. | |
Bei Megadeth regnet es so stark, dass es einen selbst im heimischen | |
Wohnzimmer zu frösteln beginnt. Die im Kino noch ziemlich auffälligen | |
Abstimmungsprobleme beim Sound hat man halbwegs in den Griff bekommen. Nur | |
Dave Mustaines gepresster Sprechgesang dringt immer noch kaum durch bei den | |
vielen kreuz und quer durch den Song mähenden Gitarren, immer vorneweg der | |
neue Saitenfex Chris Broderick (Ex-Nevermore), der dann auch wirklich alles | |
zeigt, was die moderne Stromgitarre an Spielweisen bereithält. | |
Ausgeglichen und versöhnt | |
Hatte man bei der lehrreichen Metallica-Rockumentary "Some Kind of Monster" | |
noch den Eindruck, Mustaine, das vor dem Siegeszug aussortierte | |
Gründungsmitglied, würde sich über diese nie so recht verwundene Schmach | |
und Ungerechtigkeit des Schicksals bald aus dem Fenster stürzen, so | |
wehmütig-waidwund blickte er da in die Kamera, zeigt er sich beim Konzert | |
auf der Bühne und in den Interviewsequenzen ausgeglichen und versöhnt. | |
Ein Eindruck, der den Abend zusammenfasst. Man ist zufrieden mit sich und | |
der harten Welt, hat seinen Platz gefunden, sich eingerichtet. Die wirklich | |
wilden Sachen finden allerdings mittlerweile woanders statt. | |
22 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
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