# taz.de -- Die Weihnachtsrede Christian Wulffs: Fusselfreie Soldaten | |
> Fünf Minuten Bellevue, fünf Minuten Bettinas Perlenkette, fünf Minuten | |
> gestärkte Uniformblusen und weichgespülte Wollpullover: Die Deutschen | |
> feiern wieder Kriegsweihnacht. | |
Bild: Der Weichzeichner umnebelte die nach Berlin Angereisten, die Nonnen und P… | |
Man muss sich das nicht ansehen. Man kann aber. Die Weihnachtsansprache des | |
Bundespräsidenten am Ersten Feiertag gibts ja quasi als Bonus zur | |
verkürzten Tagesschau dazu, und so blieb die Kiste halt an. In Zeiten, da | |
Minister gern ihre Frau in Kriegsgebiete mitnehmen und mehrseitige | |
Homestorys in der Bunten präsentieren, durfte man gespannt sein, wie | |
Bundespräsident Christian Wulff das noch toppen würde. | |
Man kann sagen: Das hat er sauber hingekriegt. Der Neubundespräsident hatte | |
diesmal nicht nur seine zweite Frau, die attraktive Bettina, und die Kinder | |
dabei, sondern auch noch einen ganzen Sack voll weiterer Gäste: 190 | |
"Mitbürgerinnen und Mitbürger" hatte die Regie um den Einsneunzigmann | |
drapiert: Ehrenamtliche, die, so Wulff in seiner Rede, "nicht dreimal | |
überlegen, ob sie sich einsetzen und Verantwortung übernehmen". | |
Der Weichzeichner umnebelte die nach Berlin angereisten patenten Männer und | |
Frauen, die Nonnen und Pfadfinder, die Vorzeigemigranten, dass es eine | |
Freude war. Und da, unten auf dem Teppich des Bellevue, lümmelten Kinder | |
sonder Zahl, die einfach mal Ruhe gaben und aufmerksam Onkel Christians | |
Rede lauschten. | |
Da fiel es erst gar nicht auf, dass von der Protokollabteilung auch die | |
eine oder andere Uniform unters Volk gemischt worden war - so einschläfernd | |
war die Rede zwischen Christbaum und Flagge. Soldaten und Matrosen fing die | |
Kamera ein, die ebenfalls gebannt lauschten. Schön gerade die | |
Seitenscheitel, fusselfrei die Uniform, leicht nach oben gerichteter Blick. | |
Ehrenamtliche wie die anderen? | |
"Viele unserer Landsleute", erklärte Wulff dazu gegen Ende seiner fünf | |
Minuten Ruhm, "sind als Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und | |
Polizisten oder als zivile Aufbauhelfer im Ausland, um Entwicklung zu | |
fördern, Frieden in der Welt zu sichern und Terrorismus zu bekämpfen." Da | |
hat er recht. Gerade unsere Soldaten sind ja welche, die - Wulff erwähnte | |
es bereits - "nicht dreimal überlegen, ob sie sich einsetzen und | |
Verantwortung übernehmen". | |
Fünf Minuten Bellevue, fünf Minuten Bettinas Perlenkette, fünf Minuten | |
gestärkte Uniformblusen und weichgespülte Wollpullover haben ausgereicht, | |
um zwei Dinge zu begreifen. Erstens: Die Deutschen feiern wieder | |
Kriegsweihnacht. | |
Zweitens: Vor einer Einladung politischer Amts- und Mandatsträger ist in | |
diesem Land wirklich niemand mehr sicher. Hätten nicht alle schon | |
dagestanden, man hätte erwartet, dass um 20.15 Uhr der Volksmusikstar | |
Florian Silbereisen hinter dem Baum hervorspringt und alle Mitwirkenden | |
bittet, für das große Finale noch mal ganz schnell auf die Bühne zu kommen. | |
Aber da waren sie ja schon. | |
26 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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