# taz.de -- Ökotopia wird 30: Solidarität in die Tasse | |
> Seit drei Jahrzehnten handelt Ökotopia mit Tee und Kaffee. Einst | |
> Soli-Projekt für Nicaragua, ist die Firma heute einer der größten | |
> Biohändler Berlins. | |
Bild: Bio? Fair gehandelt? Mit bloßem Auge ist das nicht zu erkennen. | |
Goldgelb glänzt der Treptower Backsteinbau in der spätherbstlichen Sonne. | |
Schon auf der Lieferrampe riecht es wie auf einem orientalischen Basar: | |
Gerüche von Zimt, Nelke, Ingwer, Kardamom und Lavendel liegen in der Luft. | |
In der Lagerhalle stapeln sich säckeweise Tee und Kaffee: 128 Sorten aus | |
fünf Kontinenten. Der aromatisierte Tee duftet so stark, dass der milde | |
Kaffeegeruch untergeht. Die Kräutertees müssen sogar einzeln gelagert | |
werden, da sie ihre starken Aromen sonst "übertragen" würden, berichtet | |
Christine Kluziak. Sie ist Marketingleiterin von Ökotopia. Das Unternehmen, | |
das mit Fairtrade- und Bioprodukten handelt, wird in diesem Jahr 30 Jahre | |
alt. 15 Mitarbeiter beschäftigt die Firma. | |
"Die Idee hinter Ökotopia war ursprünglich, Jugendlichen eine kaufmännische | |
Ausbildung anzubieten", erklärt Geschäftsführer Bernd Hashagen. 1980 | |
gründet eine kleine Gruppe von Studierenden der Freien Universität das | |
Projekt. Namentlich angelehnt an den Roman von Ernest Callenbach will die | |
Forschergruppe das Konzept des amerikanischen Schriftstellers im Kleinen | |
umsetzen. Eine Gesellschaft, die sich ökonomisch, ökologisch und | |
sozialverträglich organisiert: Ökotopia. "Schwer vermittelbare Jugendliche | |
sollten durch den Handel eine berufliche Perspektive bekommen", erklärt | |
Hashagen. Der Handel mit ökologischen Produkten war anfangs nur ein Mittel | |
zum Zweck. | |
Das gesamte Großhandelsgeschäft wird von der Gruppe eigenständig geplant, | |
koordiniert und umgesetzt. Gehandelt wird vornehmlich mit Tee. Erst durch | |
die politische Solidaritätsbewegung mit Nicaragua nimmt die Firma ab Mitte | |
der 80er Jahre Kaffee ins Sortiment auf. Durch den Import von Kaffee | |
versucht man, wie viele deutsche Initiativen in dieser Zeit, die dortige | |
linke Revolution zu unterstützen. | |
Dafür sucht man Partner. Mehrere Unterstützergruppen, die nicht umständlich | |
einzelne Container aus Übersee transferieren wollen, schließen sich zur | |
Mittelamerikanische Kaffee Im- und Export GmbH (Mitka) zusammen. Die Mitka | |
kann als zentraler Handelspartner größere Mengen für mehrere kleine Firmen | |
abwickeln. Neben Ökotopia gehören Initiativen wie el rojito, El Puente und | |
dwp zu dem Bund. | |
Seit mehr als 20 Jahren wird das Gros aller alternativen Kaffeeimporte aus | |
Mittelamerika, die in Weltläden und im Naturkosthandel in Deutschland | |
angeboten werden, über diesen Zusammenschluss abgewickelt. Etwa 200 Tonnen | |
importiert die Mitka jährlich - das entspricht weniger als 1 Prozent am | |
Gesamtimport von Rohkaffee in Deutschland. | |
1990 stockt der Absatz von Solikaffee. "Die sandinistische Befreiungsfront | |
verlor die Parlamentswahl überraschend", berichtet Anna Löwisch, | |
Geschäftsführerin der Mitka. Deswegen hätten in Deutschland weniger | |
Menschen Solikaffee getrunken. "Die Unternehmen reagierten unterschiedlich | |
auf den Knick der Absätze", so Löwisch. "Eine Firma, die ihren Kaffee über | |
uns bezog, löste sich sogar enttäuscht auf." Auch für Ökotopia musste ein | |
neues Konzept her. Das Unternehmen setzte fortan weniger auf politische | |
Motive und mehr auf ökologische. Mitte der 90er Jahre stellt es die | |
genossenschaftlichen Zusammenschlüsse von Bauern in Lateinamerika, mit | |
denen zusammengearbeitet wird, auf kontrolliert biologischen Anbau um. | |
Überwacht wird dieser von der peruanischen Ökozertifizierer Biolatina und | |
den Ökotopia-Mitarbeitern selbst. "Ungefähr alle zwei Jahre fliegen wir in | |
die Region", erzählt die Ökotopia-Marketingleiterin Christine Kluziak. "Wir | |
sehen uns dort persönlich die Plantagen an, sprechen mit den Bauern und | |
schauen, was die Bauern mit den Geldern erreicht haben." Beim importierten | |
Tee sind die Kontrollen schwieriger: Ökotopia arbeitet fest mit Plantagen | |
in aller Welt zusammen, allerdings sind das keine Kooperativen, die | |
Ökostandards werden durch Organisationen vor Ort überprüft. | |
Die Ausrichtung des Unternehmens an Ökokriterien scheint zukunftssicher. | |
Anna Löwisch von der Mitka beobachtet in den vergangenen Jahren einen | |
Wandel im Kaufverhalten von Kaffee. "Mittlerweile gibt es viel mehr Leute, | |
die unseren Kaffee in erster Linie trinken, weil er hochwertig ist - und | |
weniger aus politischer Motivation." Außerdem trage der wachsende Konsum | |
von Espressogetränken und der Trend in Richtung Nachhaltigkeit zum Anstieg | |
der Verkäufe bei. Das zeigt sich nicht nur an den Produkten. Ökotopia | |
musste vor zwei Jahren seinen langjährigen Sitz in den Mehringhöfen in | |
Kreuzberg aufgeben und nach Treptow ziehen. Grund war schlichtweg | |
Platzmangel. | |
Dass das Unternehmen sich so viele Jahre behaupten konnte, liege sicher | |
auch an dem Standort Berlin, resümiert Hashagen. Die Hälfte aller | |
Ökotopia-Waren verkaufe man hier, die andere Hälfte in der restlichen | |
Republik. "Berlin ist eine sehr junge Stadt, die auch immer ein bisschen | |
avantgardistischer ist als andere. Bio ist vielen hier sehr wichtig", | |
erklärt Hashagen. | |
27 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Christoph Berger | |
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