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# taz.de -- Profiling an Flughäfen im Anti-Terror-Kampf: Tester im Namen der I…
> Düsseldorfs Flughafen-Chef schlägt vor, Reisende in Risikogruppen
> einzuordnen und nach ihrer ethnischen Herkunft zu kontrollieren. Das
> mussten wir mal ausprobieren.
Bild: Agent 00Höge als geheilter Wolfgang Schäuble bei einem seiner Airportte…
"Die deutschen Flughäfen schlagen im Anti-Terror-Kampf ein 'Profiling' nach
Risikogruppen vor", meldeten gestern die Nachrichtenagenturen. Und ich
danach nun: Der Bremer Flughafen hat das schon mal angetestet. Er ist
klein, aber fein und gehört einer Stadt, die nur noch aus Paranoia Wert
schöpfen kann.
So schickte Radio Bremen z. B. am 11.9. 2001 sofort einen Ü-Wagen zu einem
Bürokomplex am Bahnhof, den man pompös "World Trade Center" genannt hatte,
der jedoch nahezu unvermietbar war. Stündlich meldete der Sender dann:
"Noch ist hier am WTC alles ruhig!"
Bis zum Mauerfall flog man Weihnachten für 70 DM subventioniert von
Westberlin nach Bremen, das wurde mir zur lieben Gewohnheit. Als ich jedoch
jetzt nach dem Fest dort einchecken wollte, wurde ich beiseitegenommen -
von einem Herrn mit Halbglatze, der sich als "Salm-Schwader, Profiler"
vorstellte. Er druckste herum, bis klar wurde: Es ging um einen Test - zur
Minimalisierung des Flugrisikos.
Wie ich sicher wisse, würde man in den USA schon seit langem versuchen,
Herzkranke und Verrückte, Rockmusiker unter Drogen zum Beispiel, die sich
möglicherweise auf das Flugpersonal stürzen, schon im Vorfeld
auszusortieren. Nun kämen, ausgehend vom Kampf gegen den Terrorismus, auch
noch andere Risikogruppen hinzu. Dabei sei unter anderem "die ethnische
Herkunft, die Religion und die Lebenssituation der Passagiere
ausschlaggebend …" "Aber ich bin protestantischer Bremer" - rief ich. "Wo
ist da das Risiko?"
Der Profiler, Herr Salm-Schwader, der, wie sich dann herausstellte, genau
wie ich an der Bremer Uni studiert hatte, wurde darob noch verdruckster -
zeigte nur auf meinen Rollkoffer, über den ich meinen Mantel gehängt hatte,
und sagte leise: "die Lebenssituation".
Ich kuckte nach unten - und verstand ihn, der einen grauen Zweireiher trug,
wie sie von Sparkassenfilialleitern in den Siebzigern bevorzugt wurden: An
meinem schwarzen Wintermantel war das Innenfutter an mehreren Stellen
zerfetzt und mein Billig-Rollkoffer war ebenfalls leicht aufgerissen. Der
Profiler zeigte mir den Ausdruck meines Ganzkörperscanns. Man sah darauf
deutlich, dass auch mein Unterhemd Löcher hatte.
"Abgesehen davon", erklärte er, habe die Gepäckdurchleuchtung ergeben, dass
sich in meinem Kulturbeutel Shampooflaschen von gleich mehreren
ausländischen Hotels befänden …
"Und darauf stützt sich nun Ihre ganze Einschätzung meines
Risikopotenzials?", fragte ich - lauter, als ich eigentlich wollte. Er kam
mir mit einer Gegenfrage: "Was wollen Sie eigentlich in Berlin?" "Ich wohne
und arbeite da", sagte ich und fügte hinzu: "unter anderem für die taz,
deswegen verreise ich viel, verdiene aber nur wenig." Das schien mir
ausreichend Erklärung. Doch der Profiler wollte mehr: "Und was haben Sie in
Bremen gemacht?" "Ich hatte im World Trade Center zu tun."
Herr Salm-Schwader hatte aber für solche Witze kein Verständnis. "Sie
müssen mir nicht antworten. Wir befinden uns ja in der Testphase, noch",
sagte er. "Es geht dabei auch um Ihre Flugsicherheit." Dabei guckte er mich
erwartungsvoll an. Dann hatte er eine Idee: "Verstehen Sie sich doch -
probehalber - hier als verdeckten Ermittler, wie sie die
Verbraucherministerin Ilse Aigner bei den Banken einsetzen will." "Und was
soll ich dabei ermitteln?", fragte ich zurück. "Na, ob ich in meinem
Profiling richtig lag in Ihrem Fall", bekam ich zur Antwort.
"Sie haben aber doch mein 'Profil' noch gar nicht herausgearbeitet, wie
kann ich da ermitteln, ob Sie damit recht haben", versuchte ich Zeit zu
gewinnen. "Na ja", erwiderte er, "unverheirateter Journalist, prekär
beschäftigt, links orientiert, den Büchern im Gepäck nach zu urteilen,
teure Hotels, aber kein Geld für neuen Mantel, in Berlin lebend, Kreuzberg
wohlmöglich, taz … da kommt schon einiges zusammen …" "Aber das habe ich
Ihnen doch selbst eben alles mitgeteilt" - das gildet nicht, wollt ich noch
auf Bremisch hinzufügen, unterließ es aber.
"Zu den 'Kontrollsystemen', die demnächst ,zum Wohle aller Beteiligten'
eingesetzt werden, wie unser Flughafenverband das nennt, gehört notfalls
auch das Befragen ausgesuchter Passagiere durch einen Profiler. Und das bin
ich in diesem Fall", sagte Herr Salm-Schwader nicht ohne Stolz. "Und Sie
sind der Passagier. Aber ich will Sie nicht mehr länger aufhalten", fügte
er hinzu - und entließ mich in den Warteraum für den Flug LT 4032 nach
Tegel.
Der Flughafentest unseres Aushilfmeisters entsprang dem Reich der kuriosen
Ideen, ebenso wie die Risikoselektion selbst.
28 Dec 2010
## AUTOREN
Helmut Höge
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