# taz.de -- Folgen des Silvester-Feuerwerks: Wenn Raketen zu Keimlingen werden | |
> Nachwachsende Böller? Kann passieren, denn Feuerwerk enthält Rapssamen. | |
> Aber ob der genmanipuliert ist, wird bislang nicht kontrolliert. | |
Bild: Dieser bunte Ooh-Aah-Effekt ist Rapssamen zu verdanken. | |
Schon lange mahnt die Aktion "Brot statt Böller", Investitionen in | |
Feuerwerkskörper wären in der Entwicklungshilfe sinnvoller angelegt. | |
Obendrein können solche Silvestervergnügen aber auch bislang ungeahnte | |
negative Auswirkungen auf die heimische Umwelt haben: Die Feuerwerkskörper | |
können Wildwuchs von verbotenem gentechnisch verändertem Raps verursachen. | |
Denn viele Raketen enthalten Rapssamen. | |
Und der kann theoretisch auch genmanipuliert sein - während Bauern und | |
Forscher jeden Anbau von Gentech-Pflanzen seit 2004 in einem öffentlichen | |
Standortregister bekannt machen müssen, gibt es für die Verbreitung über | |
Knallkörper keine Regulierung. | |
Bunte Sterne | |
Der Raps sorgt beim Abfeuern der Raketen für den klassischen "Sterneffekt". | |
"Er gibt den eigentlichen Feuerwerksstoffen eine Struktur", erklärt Ralf | |
Dellmann, Leiter der Qualitätssicherung beim Feuerwerkskörper-Hersteller | |
Weco. Die Rapssamen bekommen eine oder mehrere Schichten aus Metallsalzen | |
für den Farbeffekt, danach folgt ein sogenannter Anfeuerungssatz. "Die | |
Samen werden sozusagen drapiert", so Dellmann. | |
Problematisch ist, dass der dafür verwendete Raps durchaus noch keimfähig | |
sei kann. "Wir haben Samen aus mehreren handelsüblichen Raketentypen | |
untersucht und konnten bis zu 30 Prozent Auskeimung feststellen", sagt | |
Broder Breckling vom Zentrum für Umweltforschung und Umwelttechnologie an | |
der Universität Bremen. | |
Und beim Verglühen der Rakete verglühen die Samen nicht unbedingt mit. Laut | |
Breckling gehen die Hersteller gehen davon aus, "dass etwa 5 Prozent der | |
Rapssamen unversehrt bleiben". Nach seinen Berechnungen werden so allein | |
durch in Deutschland produzierte Feuerwerksraketen jährlich bis zu zehn | |
Millionen keimfähige Rapssamen verbreitet. | |
Ein Verbot gibt's nicht | |
Tatsächlich unterwegs ist in der Silvesternacht aber noch eine ganze Menge | |
mehr Saatgut. Schließlich werden in Deutschland nicht nur Knallkörper | |
deutscher Hersteller gezündet. "Nur rund 20 Prozent solcher | |
Feuerwerkskörper der Kategorie 2, die zugelassen werden, kommen aus der | |
Europäischen Union", sagt Lutz Kurth von der Bundesanstalt für | |
Materialforschung und -prüfung: "Der Rest stammt aus Nicht-EU-Ländern, in | |
erster Linie aus China." | |
Kurth leitet die Arbeitsgruppe Pyrotechnik, die Zulassungen für | |
Silvesterraketen erteilt. Gemäß der EU-Richtlinie 2007/23/EG überprüfen die | |
Experten beispielsweise, ob eine sichere Handhabung neuer Feuerwerkskörper | |
gewährleistet ist und ob sie verbotene chemische Substanzen enthalten. | |
Auf verbotene gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe werden weder | |
europäische noch nichteuropäische Produkte getestet: "Dafür gibt es | |
keinerlei Anforderungen in den geltenden Richtlinien und Normen", so Kurth. | |
Hintergrund ist, dass die Politik annimmt, dass genmanipulierte Organismen | |
bei einer industriellen Verarbeitung nicht weiterverbreitet werden können. | |
Deshalb sind in der EU auch die Einfuhr und Verarbeitung einer Reihe von | |
keimfähigen Gentechpflanzen erlaubt, auch wenn diese innerhalb der Union | |
nicht angebaut werden dürfen. Dazu gehören eine von Monsanto und zwei von | |
Bayer Crop Science modifizierte Rapssorten. | |
Überlebenskünstler | |
Aus Sicht des Ökologen Breckling ist diese Annahme aber für Raps im | |
Feuerwerk nicht haltbar: "Hier besteht im Gegensatz zu anderen | |
verarbeitenden Industrien eindeutig die Möglichkeit der Verbreitung." Dass | |
Silvesterraketen im Winter abgeschossen werden, ändert daran übrigens | |
nichts: "Rapssamen können ihre Keimfähigkeit über mehrere | |
Vegetationsperioden behalten, teils sogar bis zu zwölf Jahre." | |
31 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schmid | |
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