# taz.de -- Neue ARD-Vorsitzende Monika Piel: "Wir sind nicht bei der Heilsarme… | |
> Die neue ARD-Vorsitzende Monika Piel zu Perspektiven der | |
> Öffentlich-Rechtlichen in Zeiten knapper Kassen, das Verhältnis zu den | |
> Privaten und die neue Programmstruktur. | |
Bild: Auch das ARD-Hauptstadtstudio hört künftig auf Monika Piel. | |
Frau Piel, Sie übernehmen nun für zwei Jahre den ARD-Vorsitz. Ist das ein | |
tolles Gefühl – oder eher nur Pflichterfüllung? | |
Monika Piel: Es ist ein „Man muss das einmal gemacht haben“-Gefühl. Auf | |
jeden Fall wird es spannend und anstrengend zugleich. Ich freue mich | |
darauf! | |
Nun heißt es in der ARD ja, es gebe immer zwei Vorsitzende – einmal den | |
offiziellen und dann die Intendantin des WDR, weil der als reichster und | |
größter Sender immer mitbestimmt, wo es lang geht. Jetzt fällt diese | |
„Arbeitsteilung“ weg – ist das gut oder schlecht für die ARD? | |
Wenn man den größten finanziellen Anteil trägt, hat man auch ein | |
entsprechendes Gewicht – das liegt in der Natur der Sache. Nur stellen Sie | |
sich das aber nicht zu leicht vor. Die ARD ist ein extrem föderales Gebilde | |
– und jede Anstalt hat eine Stimme. Deshalb werden die kleineren Sender in | |
keinster Weise benachteiligt. | |
Beim neuen Sendeplatz für „Hart aber Fair“ im Ersten hat es aber schon | |
geholfen... | |
Natürlich. Aber die Sachentscheidung für Plasbergs Platz montags vor den | |
„Tagesthemen“ hatten die Programmdirektoren getroffen – wir Intendanten | |
haben dieser Lösung schließlich zugestimmt. Wenn sich der WDR da alleine | |
hätte durchsetzen wollen, wäre das schon im Ansatz ein falsches Signal | |
gewesen. | |
Ab Herbst wird dann fast allabendlich im Ersten zur Politik getalkt. Haben | |
Sie nicht wenigstens ein bisschen Angst vorm Overkill? | |
Medienjournalisten sehen das Programm anders als glücklicherweise das | |
Publikum. Und das sieht die vier Talks, die schon heute laufen, sehr gerne | |
– Akzeptanz und Quote steigen. Mit Günther Jauch kommt jetzt ein sehr | |
attraktives Angebot dazu. Für Jauch ist das eine riesengroße | |
Herausforderung. Aber er ist ein absoluter Profi, und ich bin sicher, dass | |
er die Erwartungen erfüllen wird. | |
Welche Erwartungen denn? Gibt es da verbindliche „Benchmarks“ in Sachen | |
Quote? | |
Sagen wir es mal so: Es wäre nicht gut, wenn Günther Jauchs Quote unter dem | |
bliebe, was bisher Anne Will auf diesem Sendeplatz holt. Da ergibt sich die | |
„Benchmark“ von ganz alleine. | |
Wie dankbar muss die ARD Anne Will eigentlich sein, dass sie trotz ihrer | |
Abschiebung auf den Mittwoch kein größeres Fass aufgemacht hat? | |
Ich schätze Frau Will außerordentlich und finde es einfach professionell, | |
wie sie sich jetzt verhält. Denn es ist ja nicht an den Moderatoren, die | |
Sendeplätze im Ersten zu verteilen. Alle unsere Moderatoren werden höchst | |
anständig bezahlt, und bei vielen hat der Sendeplatz in der ARD dazu | |
beigetragen, dass sie so bekannt wurden. Es sind übrigens alles befristete | |
Verträge – niemand ist gezwungen zu verlängern. Wir sind ja nicht bei der | |
„Heilsarmee“, es ist ein Geben – und Nehmen. | |
Apropos anständig bezahlen: Ihr Vorgänger als ARD-Vorsitzender, | |
SWR-Intendant Peter Boudgoust, führte das Wort „Sparen“ so oft im Mund, | |
dass es manch anderen ARD-Größen schon auf den Wecker ging. Wie arm ist die | |
ARD denn wirklich, aus Sicht ihres reichsten Mitglieds? | |
Ich bin da ganz an Peter Boudgousts Seite: Hier im WDR müssen wir pro Jahr | |
mindestens 50 Millionen Euro sparen – und das erst einmal auf längere | |
Sicht. Natürlich soll man davon im Programm möglichst wenig sehen – also | |
müssen wir an den Strukturen etwas verändern. Das geht innerhalb der ARD am | |
besten durch Synergien und Kooperationen, ist aber auch extrem schwierig, | |
weil jede einzelne ARD-Anstalt autonom ist. Da hilft nur | |
Überzeugungsarbeit. Aber natürlich sind wir im Gegensatz zu anderen | |
Medienunternehmen noch immer finanziell solide aufgestellt. | |
Boudgoust hat außerdem klar gesagt: Es wird in Zukunft weniger Programme | |
geben. Stehen auch unter Ihrem Vorsitz die ARD-Digitalkanäle teilweise auf | |
der Kippe? | |
Klar ist zumindest eins: Es wird keinen „Sender-Zuwachs“ mehr geben. Wir | |
müssen uns natürlich in der ARD weiter entwickeln, aber das bedeutet | |
künftig: umverteilen, etwas Anderes lassen, damit man etwas Neues machen | |
kann. Von daher wird es wohl am Ende meiner Amtszeit eher weniger geben – | |
und ich hoffe bei den Digitalkanälen auf mehr Zusammenarbeit mit dem ZDF – | |
analog zu Phoenix und KiKa. | |
Wie neidisch sind Sie denn auf ZDFneo und die vielen tollen US-Serien, die | |
dort laufen? Oder wird ZDFneo am Ende das nächste gemeinsame Projekt von | |
ARD und ZDF? | |
Neidisch bin ich nur auf das Geld, das in ZDFneo steckt. Wir haben mit | |
Einsfestival ja einen ähnlichen Kanal für Menschen ab 30, der genau so | |
erfolgreich ist – aber mit viel kleineren Summen auskommen muss. Bei | |
Einsfestival müssen wir uns aber noch stärker trauen, zu experimentieren | |
und dort eigenen Nachwuchs auch für die klassischen ARD-Programme | |
aufzubauen. Da geht es mir weniger um internationale TV-Serien. | |
Die ARD erreicht im Fernsehen trotzdem zu wenig junge Menschen. Dabei ist | |
natürlich auch das ihr Auftrag. Warum gibt es immer mehr Dritte | |
Fernsehprogramme, die wie ein kleines Erstes aussehen – also auch eher | |
Ältere erreichen – und nicht einen öffentlich-rechtlichen Jugendkanal | |
analog zum Kinderkanal? | |
Da würde Kollegen vom Privatfernsehen ja das Herz stehen bleiben, und | |
medienpolitisch ist das wohl ebenfalls nicht durchsetzbar. Es wäre zudem | |
programmlich außerordentlich schwierig, denn wir müssen auch hier immer | |
öffentlich-rechtlich sein. Aber was bei den jungen Zuschauern zieht – siehe | |
die Top-Ten der jungen Zielgruppe bei den Privatsendern – sind alles keine | |
öffentlich-rechtlichen Formate. Wir haben das Beitragsprivileg – und müssen | |
deshalb schon etwas Anderes anbieten. | |
Der WDR ist ja bislang immer bereitwillig eingesprungen, wenn andere in der | |
ARD die weiße Fahne hissen: Hier noch ein „Tatort“ fürs Erste, da die | |
freundliche Leihgabe der Radiowelle Funkhaus Europa an den RBB, weil der | |
sein Radio Multikulti nicht mehr weiterführt. Was übernimmt Köln als | |
nächstes? | |
Gar nichts, wir sind am „Ende der Fahnenstange“ angekommen. In der ARD ist | |
vereinbart, dass wir bis 2013 unsere finanziellen Zusagen an andere | |
Anstalten einhalten – die kleinen könnten sonst gar nicht weitermachen. Wir | |
zahlen doppelt so viel ins Erste ein, wie es unsere Pflicht wäre – rund 100 | |
Millionen Euro pro Jahr. Weitere Steigerungen sind den Mitarbeitern hier im | |
WDR nicht zu vermitteln, gerade weil wir im eigenen Sender stark sparen | |
müssen. | |
Erhoffen Sie sich von anderen mehr Engagement? Vom neuen BR-Intendanten | |
Ulrich Wilhelm zum Beispiel, dessen Anstalt sich unter seinem Vorgänger – | |
obwohl groß und finanzstark - ja aus dem Ersten Programm eher zurückgezogen | |
hat?. | |
Der Bayerische Rundfunk ist ein unglaublich wichtiger Partner. Und ich | |
hoffe, dass er sich zum Wohle der ARD künftig wieder stärker einbringt. | |
Das neue Gebührenmodell – die Haushaltsabgabe ab 2013 – soll nun ja alle | |
Probleme lösen. Herrscht dann nur noch Friede, Freude, Eierkuchen? | |
Auf keinen Fall. Wir hoffen, dass wir weiter ungefähr soviel an Beiträgen | |
hereinbekommen wie 2009. Mehr wird es nicht werden. Außerdem muss der | |
Staatsvertrag mit dem neuen Beitragsmodell in diesem Jahr durch alle 16 | |
Landtage. Und bei den vielen Wahlen, die anstehen, dürfte der ein oder | |
andere Politiker auf die Idee kommen, das Thema Gebühr populistisch zu | |
nutzen. | |
So eine Deutschlandreise durch 16 Länder könnte der ARD auch die Chance | |
geben, sich in ihrer ganzen Schönheit und Vielfalt zu präsentieren. Woher | |
kommt diese Defensivhaltung, von der Spötter sagen, ARD heiße nun mal | |
„Angst regiert dich“? | |
Viele Themen sind von außen gesetzt: Die Bild-Zeitung z.B. hat kurz vor | |
Weihnachten eine üble Kampagne gegen uns gemacht, weil wir schon im Sommer | |
aus Kostengründen den Sendebetrieb über einen bestimmten | |
Satelliten-Betreiber eingestellt hatten und daher die ARD für die Soldaten | |
in Afghanistan nicht mehr zu sehen war – obwohl wir frühzeitig Wege | |
aufgezeigt hatten, wie die Truppen dort trotzdem mit unserem Programm | |
hätten versorgt werden können. Da ist man ja automatisch erst einmal in der | |
Defensive. Vielleicht sind wir aber auch manchmal einfach zu bescheiden, | |
auf unsere tollen Programmangebote noch stärker hinzuweisen; wobei uns dann | |
ja immer gleich vorgeworfen wird, wir seien selbstverliebt. | |
Aber Anfang Dezember saßen Sie doch höchstpersönlich bei der Präsentation | |
der Bild-App im Springer-Hochhaus in der ersten Reihe und wurden vom | |
Konzernchef stolz der Presse präsentiert. Ist das der Beginn einer großen | |
Liebe? Springer-Chef Mathias Döpfner sah jedenfalls ganz danach aus. | |
Es war Zufall, dass ein lange verabredetes Treffen und diese Präsentation | |
zusammenfielen. Wir haben aber auch vorher schon Gespräche geführt. Und in | |
der Analyse, wo die Probleme der Zeitungen und Zeitschriften liegen, sind | |
wir uns weitgehend einig. Nur wenn es um eine Lösung geht, treten wieder | |
verschiedene Interessen zutage. Mir liegt schon sehr daran, dass wir mit | |
den Verlegern hier zu einem Ausgleich kommen. | |
Wie liebevoll finden Sie es denn, wenn Sie so eine Springer-Veranstaltung | |
garnieren – und dafür hinterher wie beschrieben von Bild eins übergebraten | |
bekommen? | |
Natürlich freue ich mich nicht darüber. Andererseits spricht das in diesem | |
Fall doch eigentlich auch für den Springer-Verlag: Da wurde eben nicht von | |
oben in die Redaktion hineinregiert. | |
Wie sehr befürchten Sie, dass Ihnen die Medienpolitik in Ihrer Amtszeit um | |
die Ohren fliegt, weil Verleger oder Privatsender doch wieder nach Brüssel | |
marschieren und sich bei der EU über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk | |
beschweren, der ihre Märkte verzerrt? | |
Es wäre mein großer Wunsch, dass sich hier die Lage beruhigt und wir uns | |
endlich auf das konzentrieren können, wozu wir da sind: Programm zu machen | |
nämlich. Natürlich könnten sich Verleger oder Privatsender wieder an die EU | |
wenden, dem sehe ich aber ganz gelassen entgegen, weil wir alle EU-Auflagen | |
umgesetzt haben. Es wird über Gebühren nichts im Markt verzerrt. | |
Nur dass sich die ARD von ProSieben Stefan Raab leihen muss, um den | |
Eurovision Song Contest wiederzubeleben ... | |
Der Grand Prix mit Stefan Raab ist eine Ausnahme. Da spricht aber doch auch | |
nichts gegen! Für beide Seiten war und ist das ein erfolgreiches | |
Projekt.Trotzdem müssen wir uns künftig auch selbst noch viel mehr trauen - | |
ohne Katalysator aus der privaten Ecke. | |
Beim Kinderkanal wird derzeit zu klären versucht, wie mal eben vier | |
Millionen Euro von einem leitenden Mitarbeiter hinterzogen werden konnten. | |
Der innerhalb der ARD für den KiKa zuständige MDR erklärt, gegen kriminelle | |
Energie sei letztlich kein Kraut gewachsen, das ebenfalls am KiKa | |
beteiligte ZDF hält sich vornehm zurück und scheint damit durchzukommen... | |
Sie merken das wenigstens. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich zum | |
Stand beim KiKa nichts sagen kann, solange die konkreten Überprüfungen beim | |
MDR nicht abgeschlossen sind. | |
Aber beim MDR hat es früher bereits Ungereimtheiten gegeben. Wäre es nicht | |
sinnvoll, derartige Überprüfungen an den ARD-Vorsitz oder eine neutrale | |
Instanz abzugeben? Auch um jeden Anschein von Rücksichtnahme oder | |
Unter-den-Teppich-kehren auszuschließen? | |
Das wäre bedenkenswert. Allerdings haben wir in der ARD schon lange die | |
Praxis, in Konfliktfällen solche Überprüfungen an nicht beteiligte | |
Anstalten abzugeben oder sie hinzu zu ziehen. | |
Sie sind seit Jahren die erste ARD-Vorsitzende, die vom Radio kommt. Wird | |
man das hören? | |
Ich hoffe doch – denn ich möchte das Gewicht des Radios in der ARD stärken. | |
Der Vorsitzende der ARD-Hörfunkkommission wird künftig bei der internen | |
ARD-Intendantenrunde wie bei den großen ARD-Pressekonferenzen mit dabei | |
sein - zusammen mit dem Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens. | |
Nun besagt liebevoller Spott unter Ihren Intendantenkollegen, Monika Piel | |
habe es doch gut: Die großen Kühe wie die Online-Streit mit der EU und die | |
Gebührenreform sind vom Eis, jetzt werden das zwei sehr ruhige Jahre. | |
Das sehe ich auch so (lacht). Ich hab schon ganz viel Urlaub gebucht, und | |
diesen kleinen Sender hier in Köln mache ich sowieso mit links. | |
2 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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