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# taz.de -- Wind bei der Vierschanzentournee: Die lange Nase der Natur
> Trotz neuer Regeln des Weltskiverbands zeigt das irrwitzige
> Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen: Die Naturkräfte lassen sich
> nicht bändigen.
Bild: "Wind of Change": Sprungschanze in Garmisch-Partenkirchen.
INNSBRUCK taz | Auch in Innsbruck am Bergisel ist der Wind unberechenbar.
Anfang 2008 musste das dritte Springen der Vierschanzentournee in Tirol
erstmals abgesagt werden - der Föhnwind war zu stark. Nachgeholt worden ist
der Wettbewerb dann in Bischofshofen.
In diesem Winter war der Tourneetross am Sonntag nun wieder in Innsbruck
angekommen. Wetterturbulenzen hatte man da schon hinter sich gebracht. Am
Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen hatte ein Springen stattgefunden, das
mit Begriffen wie "Wind-Lotterie" oder "Chaos-Wettbewerb" noch sehr
freundlich umschrieben war.
Die Weltskiverband FIS hatte eigentlich geglaubt, den Wind gebändigt zu
haben. Windstärke und Windrichtung sollte das Schanzenspektakel nicht
länger stören, sondern in einer mathematischen Formel erfasst werden. Wer
Rückenwind und somit schlechtere Bedingungen hat, bekommt Bonuspunkte, wer
Aufwind spüren darf, Minuspunkte.
Computer sollten blitzschnell erfassen, woher und wie stark der Wind wehte
und dies dann in die Ergebnisse einrechnen. Die meisten Athleten haben sich
schnell mit der neuen Regelung angefreundet, denn schon zu oft hatte der
Wind an den Schanzen seine Kraft entfaltet, Favoriten gehemmt und
Glückskinder belohnt. "Das ist ein Schritt zu mehr Fairness", fand etwa
Thomas Morgenstern aus Österreich, der Gewinner von Oberstdorf.
Aber der Wind lässt sich nicht in eine Formel und in einen PC einsperren.
In Garmisch-Partenkirchen hat die Natur dem Weltskiverband die lange Nase
gezeigt. Die Verlierer dabei waren die Sportler, weil so ein Weltskiverband
gibt sich nicht einfach geschlagen. Er wehrt sich und lässt trotzdem
springen, auch wenn stark wechselnder Auf- und Rückenwind empfindlich
störte. Spontane Böen können nicht berechnet werden, sie sind plötzlich da.
Sie treiben ihr munteres und gefährliches Spiel mit den schmalen Athleten
auf breiten Skiern. Die Bedingungen waren irregulär. Ein Abbruch wäre
logisch gewesen.
Man sei eben in einer Freiluftsportart tätig, da laufe nicht alles
wunschgemäß, sagte FIS-Renndirektor Walter Hofer nur. "Das war heute ein
sehr selektiver Wettkampf." Dass sich die Naturkräfte nicht beliebig
bändigen lassen, haben Favoriten auf den Gesamtsieg als bittere Erfahrung
verbuchen müssen: Für Matti Hautamäki aus Finnland, den Zweiten von
Oberstdorf, hatte das Windspiel nur Platz 34 parat, Andreas Kofler aus
Österreich, Gesamtsieger des Vorjahres, konnte nur mit Mühe einen Sturz
abwenden. Thomas Morgenstern wurde 14. - und war "heilfroh", gut gelandet
zu sein.
Im Gesamtklassement führt er zwar immer noch - doch der Wind hat seinen
schärfsten Konkurrenten reich beschenkt: Der Schweizer Simon Ammann war
nach seinem Sieg in Garmisch-Partenkirchen sogar so selbstbewusst, dass er
sagte: "Diese Verhältnisse taugen mir einfach, da geht was ab."
Das deutsche Team ist vom unbarmherzigen Wind von Garmisch-Partenkirchen
weitgehend verschont worden. Martin Schmitt war noch zu regulären
Bedingungen gesprungen - er schaffte es auf Platz sieben. Seit knapp zwei
Jahren war er nicht mehr so gut im Weltcup unterwegs gewesen. "Erfrischend"
fand Cheftrainer Werner Schuster die Tourneeauftritte seiner Schützlinge,
die sich nach desolaten Vorstellungen im Weltcup tatsächlich rechtzeitig
gefangen haben. Auch wenn es für "absolute Spitzenleistungen" noch nicht
reiche, wie Schuster auch erkannt hat.
An der Spitze bietet sich für das heutige Springen in Innsbruck nun dieses
Panorama: geknickte Österreicher, die sich von Wind, Wetter und
Weltskiverband ganz schön verschaukelt fühlen (Cheftrainer Pointner:
"Hinsichtlich der Fairness wurde der Bogen überspannt.") - und Glückskind
Simon Ammann, das seine vollmundige Ankündigung, in diesem Winter
Tourneesieger zu werden, nun durchaus wahrmachen kann. Er liegt jetzt nur
noch knapp hinter Thomas Morgenstern in der Tourneewertung.
Morgenstern sagte tapfer: "Ich freue mich, als Tournee-Leader nach
Innsbruck zu kommen." Seine Mannschaft setzt auf die Stimmung rund um den
Bergisel und auf die Begeisterung der heimischen Fans. Es sei
"Energieverschwendung", sich weiter über Garmisch-Partenkirchen zu ärgern,
sagte Morgenstern noch: "Ich hoffe auf faire Bedingungen in Innsbruck."
2 Jan 2011
## AUTOREN
Kathrin Zeilmann
## TAGS
Skispringen
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