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# taz.de -- Nach Einsatz von Tränengas: Demonstrantin in Bilin getötet
> Das palästinensische Grenzdorf Bilin will an seinem Konzept der
> Gewaltlosigkeit festhalten – auch nach dem Tod einer Demonstrantin.
> Steinewerfen ist in Bilin verpönt.
Bild: Israelische Soldaten und palästinensische Demonstranten in Billin, fotog…
Die Bevölkerung des kleinen palästinensischen Grenzorts Bilin will auch
nach dem Tod einer Demonstrantin an der Gewaltlosigkeit festhalten. Zum
zweiten Mal starb eine Person während der wöchentlichen Proteste gegen die
Grenzanlagen, die Israel auf dem Land der palästinensischen Bauern
errichtete.
Für die 36-jährige Jahawer Abu Rahmah war der heftige Tränengasbeschuss der
Soldaten zu viel. Am frühen Samstagmorgen folgte sie ihrem Bruder Bassem in
den Tod. Vor eineinhalb Jahren war auch er von einer Tränengaspatrone
tödlich verletzt worden. "Wir haben kein Bedürfnis, ihren Tod zu rächen",
erklärten die Eltern der beiden Besatzungsopfer.
Der unmittelbar im Grenzbereich und etwa auf halber Strecke zwischen Tel
Aviv und Jerusalem gelegene Ort Bilin gilt seit über fünf Jahren als
Paradebeispiel für den friedlichen palästinensischen Widerstand, der
inzwischen auch in anderen Grenzdörfern Schule macht. Die beharrlich jeden
Freitag stattfindenden Demonstrationen laufen genau nach Wunsch westlicher
Friedensbewegungen ab: gewaltlos. Steinewerfen ist verpönt.
Wer es dennoch tut, wird von den Palästinensern zurückbeordert. Das
"Volkskomittee Bilin" genießt deshalb große Rückendeckung sowohl unter
israelischen Friedensbewegungen als auch bei ausländischer Aktivisten. Vor
zwei Jahren zeichnete die Liga für Menschenrechte das "Volkskomitee" mit
der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus.
Der Kampf Bilins jeweils Freitags am frühen Nachmittag gilt dem gestohlenen
Land. Für den Bau einer Siedlung und der Trennanlagen wurden in Bilin knapp
2.000 Hektar enteignet. Nach erfolgreichem Protest vor einem israelischen
Gericht musste die Armee ein Teilstück des Zauns verlegen. Geplant ist nun
der Bau einer Mauer, um die auf westlicher Seite immer dichter an Bilin
heranwachsende Siedlung Modein Elit vor Übergriffen zu schützen. Etwa ein
Drittel des enteigneten Landes liegt seit der Grenzverlegung auf der
palästinensischen Seite. Das "Volkskomitee Bilin" will den Kampf nicht eher
aufgeben, bevor die Bevölkerung das ganze Land zurückbekommt.
Die Demonstrationen laufen immer nach gleichem Schema ab. Eine Gruppe
versammelt sich im Dorf und beginnt den Marsch hügelaufwärts zu den
Grenzanlagen. Dort warten die mit Gasmasken ausgerüsteten Fotografen und
Kameraleute und die Soldaten, die mal mit Tränengas reagieren, wenn ihnen
die Demonstranten zu nahe kommen, mal zusätzlich mit Wasserwerfern, wobei
das Wasser oft mit übelriechenden Chemikalien versetzt ist.
"Die Demonstration am Freitag war besonders groß", berichtet Jonathan
Pollak, Medienkoordinator des "Volkskomitees". Gewöhnlich kommen nur ein
paar Dutzend Demonstranten, doch beim letzten Mal sollen es rund tausend
gewesen sein, darunter auch der palästinensische Premierminister Salam
Fayyad, der Bilin jedoch noch vor dem gewaltsamen Zwischenfall wieder
verließ. "Wir waren kaum in Sichtweite, als die Soldaten anfingen,
Tränengas abzuschießen", sagt Pollak. Abu Rahmah sei gestürzt und
bewusstlos gewesen, bevor sie in ein Krankenhaus nach Ramallah gebracht
wurde, wo sie starb.
Nach Informationen der Armee war Abu Rahmah noch vor ihrem Tod wieder nach
Bilin gebracht worden. Sie habe außerdem an Asthma gelitten. Beides hält
Medienkoordinator Pollak "für Erfindungen". Die Palästinenser lehnen eine
Kooperation mit Israel bei der Untersuchung des Todesfalls ab.
Der Tod der jungen Frau motivierte hunderte israelische Besatzungsgegner zu
Solidaritätsdemonstrationen. In Tel Aviv wurden mehrere Menschen verhaftet,
darunter der ehemalige Abgeordnete Mossi Raz. Mit Schildern wie "Mörder in
Uniform" und "Israel hat Jahawer Abu Rahmah getötet" protestierten die
Friedensaktivisten gegen das Vorgehen der Armee.
Unterdessen erschossen israelische Soldaten bei einem Zwischenfall am
Grenzübergang in der Nähe von Nablus am Wochenende einen Palästinenser, der
sich mit einer Flasche "bewaffnet" dem Straßenkontrollpunkt näherte. Nach
Angaben der Soldaten ignorierte der Mann ihre Aufforderungen, sich in eine
andere Reihe einzuordnen, sondern ging auf sie zu. Daraufhin eröffneten sie
offenbar zu dritt das Feuer auf ihn.
2 Jan 2011
## AUTOREN
Susanne Knaul
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