| # taz.de -- Iraks Nationalelf: Durchs wilde Land der Fußballspieler | |
| > Trainer Wolfgang Sidka soll bei den Asien-Meisterschaften den Titel | |
| > verteidigen – und ganz nebenbei auch noch mithelfen, das zerrissene, | |
| > kriegsgeschüttelte Land zu einen. | |
| Bild: Trainer Wolfgang Sidka mit zwei seiner irakischen Nationalspieler beim Tr… | |
| DOHA taz | Einmal war er tatsächlich auch in Bagdad. Aber auch nur für ein | |
| paar Stunden am Flughafen, auf dem Rückweg von einer Reise in den Jemen. | |
| Sonst macht Wolfgang Sidka einen ganz weiten Bogen um die Hauptstadt des | |
| Irak. Den Terror nimmt der deutsche Fußball-Nationaltrainer des Irak nur | |
| aus gebührendem Abstand wahr, aus seinem relativ ruhigen kurdischen Domizil | |
| in Arbil, 350 Kilometer nördlich von Bagdad. "Nach Bagdad gehe ich nicht. | |
| Zu unsicher, lebensgefährlich", sagt Sidka, ein Mann, der sich in der | |
| arabischen Welt so gut wie kaum ein anderer deutscher Coach auskennt. | |
| Selbst der irakische Verband, der sein Hauptquartier in der Metropole hat, | |
| verlange von ihm nicht, "dort zu erscheinen", sagt Sidka. Ab kommender | |
| Woche hat Sidka allerdings seine erste große sportliche Bewährungsprobe zu | |
| überstehen: Er tritt mit seinem Team als Titelverteidiger bei den | |
| Asien-Meisterschaft an, die im katarischen Doha stattfinden. | |
| Im Sommer hat er nach sorgfältiger Prüfung den Vertrag bei den Irakis | |
| unterschrieben und ist damit wieder in eine Region zurückgekehrt, die ihm | |
| seit Anfang des neuen Jahrhunderts zu einer Art zweiten Heimat geworden | |
| ist. Sidka war schon zwei Mal Nationaltrainer in Bahrein, er arbeitete bei | |
| mehreren katarischen Vereinen, und jetzt hat er sich auf sein wohl größtes | |
| Abenteuer im Irak eingelassen. | |
| Vertraut mit der arabischen Mentalität, ist ihm der Einstieg nicht allzu | |
| schwer gefallen: "Wenn man bereit ist, auch mal Kompromisse einzugehen, ist | |
| das schon okay", sagt der 56-Jährige, der für Hertha BSC, 1860 München und | |
| Werder Bremen genau 333 Bundesligaspiele bestritt. In Deutschland hatte | |
| Sidka nur einmal als Trainer auf Spitzenniveau gewirkt, vor zwölf Jahren | |
| bei Werder Bremen. | |
| Nach den ersten Auslandsstationen am Golf versuchte Sidka dann, noch einmal | |
| im professionellen Geschäft in Deutschland Fuß zu fassen, scheiterte aber | |
| nachhaltig: "Wenn du aus Regionen wie Arabien zurückkommst, hast du daheim | |
| kaum eine Chance. Da gilt man als verbrannt, zu weit weg vom aktuellen | |
| Geschehen." | |
| Deshalb wohnt und arbeitet er jetzt in Kurdistan. Und kann sich ehrlich | |
| freuen über sein Leben in Arbil, einer Stadt, einer Region, die er noch aus | |
| den alten Büchern von Karl May kennt. Büchern wie "Das wilde Kurdistan". | |
| Allerdings: "So wild ist es gar nicht. Eher angenehm ruhig", sagt Sidka, | |
| der in den vergangenen Monaten aus 60 Spielern die Mannschaft | |
| zusammengestellt hat, die nicht nur den Asien-Titel verteidigen, sondern | |
| mit einem Sieg auch einen Moralschub für die kriegsgeschundene Nation | |
| liefern soll, ein Ruck-Erlebnis gar "wie in Deutschland damals 1954", hat | |
| Sidka erkannt. Kürzlich hat ihm Ministerpräsident al-Maliki am Telefon | |
| dringend alles Gute gewünscht - ein frühes Scheitern ist eigentlich nicht | |
| erlaubt, es würde den Stolz seiner Arbeitgeber verletzen. | |
| Wenn in Sonntagsreden von der völkerverbindenden Kraft des Sports die Rede | |
| war, hat der bekennende Realist Sidka früher gern mal weggehört. Aber heute | |
| betrachtet er seinen bunten Fußball-Haufen, diese irakische | |
| Fußball-Nationalmannschaft, und sieht ein Stück gelebte Integration: "Wer | |
| von ihnen nun ein Schiit, ein Kurde oder ein Sunnit ist, weiß man im Eifer | |
| des Spiels gar nicht mehr. Das sind ganz einfach nur Jungs, die heiß auf | |
| den Ball sind", sagt er. | |
| Einer der Gruppengegner ist Nachbar Iran. Brisant werde das Spiel sicher, | |
| sagt Sidka, "aber nur im sportlichen Sinne, das ist eben auch eine große | |
| Fußball-Rivalität." | |
| Sidka ist schon der zweite Deutsche, der sich an der ungewöhnlichen Mission | |
| auf dem Trainerstuhl im Irak versucht. 2002 bis 2004 hatte der ehemalige | |
| DDR-Nationaltrainer Bernd Stange den Job gemacht. Wie der muss sich auch | |
| Sidka vertrauensvoll auf seine einheimischen Assistenten verlassen, die das | |
| Gewirr der Sprachen und Dialekte beherrschen und Anweisungen übersetzen. | |
| Denn auch des Englischen sind die Spieler nicht mächtig, sie spielen fast | |
| alle in ihrem Heimatland und träumen bisher vergeblich von einem | |
| professionellen Engagement in der Fremde. Nur Stürmer Younis Mahmud ist in | |
| Katar unter Vertrag und genießt vergleichsweise märchenhafte Bedingungen. | |
| Die Liga im Irak ist dagegen ein befremdliches Glücksspiel in maroder | |
| Infrastruktur, mit verfallenen Stadien - und steht immer unter der | |
| lähmenden Bedrohung durch den Terror. Oft müssen Zwangspausen eingelegt | |
| werden, wenn die Sicherheitslage keine Spiele zulässt. "Ich bin aber nicht | |
| hierher gekommen, um zu jammern. Sondern, um das Beste aus der Situation zu | |
| machen", sagt Sidka. Am besten schon beim Asien-Cup. | |
| 7 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Allmeroth | |
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