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# taz.de -- Amnesty-Polizeiexpertin Spieß: "Die Ermittlungen sind mangelhaft"
> Der Fall Jalloh zeigt: Solange die Polizei gegen sich selbst ermittelt,
> gibt es keine unabhängigen Verfahren, sagt Katharina Spieß von Amnesty.
> In Sachsen-Anhalt habe man reagiert.
Bild: Polizeieinsatz am 30.09.2011 im Stuttgarter Schlossgarten.
taz: Frau Spieß, vor sechs Jahren ist der gefesselte Oury Jalloh bei einem
Brand in einer Dessauer Polizeizelle gestorben. Haben Polizei und Politik
daraus gelernt?
Katharina Spieß: Zumindest in Sachsen-Anhalt hat man reagiert: Mit der
Einrichtung zentraler Gewahrsamseinrichtungen, in denen speziell geschulte
Beamte arbeiten. Außerdem ist die ganze Verwahrungstechnik überprüft
worden. Allerdings kam im Prozess zutage, dass es massive rassistische
Äußerungen vonseiten der Polizei gab. Trotzdem gibt es bis heute keine
institutionalisierte Antirassismusschulung für die Polizeibeamten. Das
kritisieren wir.
Amnesty International recherchiert seit den Neunzigerjahren Fälle von
Polizeigewalt in Deutschland. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
Im Jahr 2009 gab es zum ersten Mal überhaupt eine Statistik über
Ermittlungen wegen Polizeigewalt. Das waren deutschlandweit knapp 3.000
Verfahren. Das sind aber nur die Fälle, bei denen tatsächlich ein Verfahren
eingeleitet wurde. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Betroffene
gar keine Anzeige erstatten.
Warum nicht?
Manche haben Angst vor einer Gegenanzeige. Vor allem aber gibt es wenig
Vertrauen, dass so eine Anzeige auch etwas bringt - da herrscht richtige
Frustration bei den Betroffenen.
Und wie viele Ermittlungen führen zu einer Anklage oder Verurteilung der
Beamten?
Dazu haben wir bislang gar keine Zahlen. Das statistische Bundesamt beruft
sich auf Probleme wegen der Umstellung in statistischen Verfahren.
Also wissen Sie gar nichts über die Qualität und den Erfolg der
Ermittlungen?
Es gibt kriminologische Untersuchungen, die ergeben haben, dass
Ermittlungen gegen Polizisten regelmäßig schneller eingestellt werden als
andere Strafverfahren. Und aus unseren eigenen Untersuchungen wissen wir:
Es gibt eklatante Mängel bei den Ermittlungen. Der europäische
Menschenrechtsgerichtshof fordert, dass solche Verfahren unmittelbar,
unabhängig, unparteiisch und umfassend sein müssen. Das sind sie in vielen
Fällen nicht.
Das Innenministerium von Sachsen-Anhalt hat eine zentrale
Polizeibeschwerdestelle eingerichtet. Bringt das etwas?
Es ist ein Anfang. Die Beschwerdestelle ist eine erste Anlaufstelle für
Opfer von Polizeigewalt, aber sie untersucht ja die Fälle nicht. Das macht
weiterhin die Polizei selbst.
Wer sollte es denn sonst machen?
Wir fordern die Einrichtung unabhängiger Untersuchungskommissionen. In
Großbritannien, Irland und Norwegen gibt es solche Einrichtungen längst.
Oft reicht es schon, wenn eine solche Kommission die ermittelnde Polizei
überwacht.
INTERVIEW: MANUELA HEIM
13 Jan 2011
## AUTOREN
Manuela Heim
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