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# taz.de -- Geschlechterfrage beim Schaffermahl: Unter Männern
> Beim Bremer Schaffermahl sind nur Männer zugelassen. Auf Druck seiner
> Partei will SPD-Bürgermeister Böhrnsen nun auch Frauen einladen - doch
> die ausrichtenden Kaufleute lehnen dies ab.
Bild: 453. Schaffermahl 1997: in der Festhalle des Bremer Rathauses bildeten di…
BREMEN taz | Mit unbewegter Miene sitzt mir Bremens Bürgermeister Jens
Böhrnsen in seinem repräsentativen Arbeitszimmer gegenüber. Für eine
Radiosendung des Westdeutschen Rundfunks soll er über die Schaffermahlzeit,
das alljährliche gesellschaftliche Spitzenereignis der Hansestadt, Auskunft
geben.
Das klingt harmlos, aber der bedächtige SPD-Politiker ist angespannt.
"Stimmungsvolle Atmosphäre, über vier Jahrhunderte alte Tradition, gehört
zur Kultur unserer Stadt, Werbeträger" -mit sanftem Pathos liefert Böhrnsen
die erwarteten Stichworte. Als es um den andauernden Ausschluss von Frauen
geht, verliert der frühere Richter für einen Moment die Kontrolle. Er sei
nicht der Gastgeber, entfährt es ihm, verantwortlich seien die Herren von
"Haus Seefahrt".
Bürgermeister Böhrnsen steht, wie seine Vorgänger seit Jahrzehnten, unter
Druck. Allen voran drängen ihn SPD-Genossinnen, zuletzt per
Parteitagsbeschluss, dass er sein traditionelles Vorschlagsrecht für einen
der 300 Plätze an der Tafel im Festsaal des Alten Rathauses nutzt und eine
hochkarätige Frau benennt.
Böhrnsen hatte stets für die Hansestadt wichtige Wirtschaftsmänner
vorgeschlagen, um gut Wetter für den Standort zu machen, darunter Lakshmi
Mittal, Milliarden schwerer Eigentümer des örtlichen Stahlwerks. Er
entscheide erst zum Jahreswechsel, laviert Böhrnsen. Es ist November.
Zur Schaffermahlzeit treffen sich Bremer Kaufleute und Kapitäne, allesamt
Mitglieder der Stiftung "Haus Seefahrt", am zweiten Freitag im Februar.
Früher war es das Abschiedsessen, bevor die Schiffe wieder in See stachen.
Man speist von Hühnersuppe bis Rigaer Butt, dazwischen werden exakt ein
Dutzend Reden gehalten. Jedes kaufmännische Mitglied darf einen Gast
einladen, von dem wird eine großzügige Spende zugunsten bedürftiger
Kapitäne und ihrer Witwen erwartet.
Drei Bremer Kaufmänner nimmt Haus Seefahrt jedes Jahr als Neumitglieder
auf. Drei Jahre nach ihrem Eintritt finanzieren sie die Schaffermahlzeit
und dürfen fortan lebenslang teilnehmen. Einzige Bedingung für alle
Beteiligten: Sie müssen männlich sein.
Es war nicht leicht, die fünf wichtigen Herren von Haus Seefahrt unter
einen Hut zu bringen, aber Andreas Bunnemann - weißer Bürstenhaarschnitt,
scharfe Nasolabialfalten, kein Gramm Fett zu viel - hat es schließlich
geschafft. Erst am Vortag ist der Schifffahrtskaufmann von einer
Geschäftsreise aus China zurückgekehrt. Gemeinsam mit seinem
Kapitänskollegen verwaltet er die Spenden und organisiert die
Schaffermahlzeit: "Das hält uns alle zusammen hier in Haus Seefahrt."
Die Wände des Sitzungssaales sind über und über mit Wappen bemalt. Wer sich
um das Schaffermahl verdient gemacht hat, darf sein Familienwappen
anbringen. Henry Lamotte ließ eigens ein Wappen entwerfen, denn die
renommierte Kaufmannsfamilie war bis dato ohne ausgekommen. Genau hier und
mit allen zusammen, darauf hatte der "Verwaltende Vorsteher" Bunnemann
bestanden, müssten die Interviews stattfinden, damit ich für meine
Radiosendung den richtigen Eindruck bekäme.
Enkel Otto Lamotte, 59, groß, schlank, ein hanseatischer Kaufmann vom
gepflegten Scheitel bis zur Ledersohle, darf dieses Jahr als Erster
Schaffer das opulente Mahl mitfinanzieren. "Ich war schon stolz", bekennt
der Präses der Handeskammer. Während einer Geschäftsreise in Marokko hatte
sein Handy geklingelt und er wurde gefragt, ob er Schaffer werden wolle.
"Das ist eine Auszeichnung." Als Schaffer kann man sich nicht bewerben.
"Man redet immer über die Schaffermahlzeit", verrät Ralph Geuther, Schaffer
in zweiter Generation und dieses Jahr ebenfalls mit dem Bezahlen dran.
Schaffer sind meist Mittelständler, sie verdienen ihr Geld oft im
Außenhandel oder in der Schifffahrt. Unberührt von Haushaltsnotlagen im
kleinsten Bundesland besitzen die alteingesessenen Unternehmerfamilien
solide Vermögen, einige unterhalten millionenschwere Stiftungen.
Als Dortmunder Arbeitersohn, langjähriger Becks-Chef und Post-Aufsichtsrat
ist Josef Hattig im Kreis der Schaffer ein bunter Hund. Der 79-Jährige
federt durch sein Büro beim Logistik-Riesen Bremer Lagerhaus-Gesellschaft
am Kennedy-Platz 1 A, dessen Aufsichtsrat er führt. Bei seiner Wahl zum
Schaffer 1984 ließ Hattig einen Frack in dezentem Dunkelblau statt dem
üblichen Schwarz schneidern.
Der passe ihm heute noch, kokettiert er. In puncto Schaffer-Kerngeschäft
weiß der einstige CDU-Wirtschaftssenator, was sich gehört: "Ich habe immer
darauf geachtet, dass ich für Bremen etwas mit meinen Gästen bewirken
konnte." Bei stundenlangen Gesprächen in seinem privaten Bierkeller machte
er seinen einflussreichen Gästen die Vorzüge bremischer Selbständigkeit
schmackhaft.
Man lade Leute ein, "die der Sache dienen", also auch dem Geschäft, erklärt
Hattig. Dass Frauen als Schafferinnen und Gäste dem Geschäft gut tun
könnten, will er nicht ausschließen. Aber das Schaffermahl sei nun mal "ein
Brudermahl, kein Schwestermahl". Hattig unterdrückt ein Seufzen, hält aber
den Charmepegel hoch: "Die Zukunft ist immer offen", versichert er.
Sein vierzig Jahre jüngerer Schaffer-Kollege Niels Herrmann, der seine
Helikopter zu Bohrinseln und Off-Shore-Windparks fliegen lässt und beim
467. Schaffermahl als dritter Kofinanzier fungiert, wird im Wappensaal
ungehalten. "Diese Thematik" stehe für ihn nicht im Vordergrund, blafft er.
Es sei eine private Veranstaltung, zu der man einladen könne, wen man
wolle, und, mit Blick auf die adventliche Dekoration vor dem Wappensaal, er
gehe doch auch nicht "bei Herrn Lamotte zur Familienweihnachtsfeier".
Der Verwaltende Vorsteher Bunnemann guckt gequält. Es schmerzt ihn
sichtlich, dass sich die Öffentlichkeit angesichts der schönen Tradition
und des wohltätigen Engagements derart am Ausschluss der Frauen festbeißt.
Dabei ist für ihn das Thema nicht neu. Sein Vater hatte vor Jahrzehnten
eine Hamburger Reederin eingeladen. Die bis heute als trinkfeste
Matriarchin erinnerte Herrscherin über Afrika-Linien und
Chemikalienfrachter war nicht amüsiert, als ihr Bunnemann senior bedeutete,
zur Nahrungsaufnahme mit ausgewählten Schaffer-Gattinnen im Damen-Séparée
Platz zu nehmen.
Die versammelten Herren hingegen empfinden sich als aufgeschlossen, haben
sie doch erst kürzlich bei Haus Seefahrt einen Beschluss gefasst, nach dem
als Ehrengast eine bedeutende "Persönlichkeit" eingeladen wird, also
geschlechtsneutral formuliert. Und bereits 2007 war der Ehrengast weiblich.
Damals folgte Bundeskanzlerin Merkel der Einladung zum Männer-Mahl und
hielt die Ehrengast-Rede.
Die Kapitäne sind bei dem Streit fein raus, denn bei ihnen geht es strikt
nach Qualifikation, und Gäste dürfen sie sowieso nicht mitbringen. Wer aus
Bremen kommt und das Kapitänspatent besitzt, kommt auf die Warteliste, und
die wird abgearbeitet. 2004 erhielt Kapitänin Barbara Massing die Einladung
zu Stockfisch und Bordeaux. Mannhaft wirbt Otto Lamotte um Verständnis für
die Frauendiskriminierung. Erstmals in der Geschichte spielten Frauen eine
derart große Rolle und "wir werden mit dieser Neuheit richtig umgehen, nur
wird das seine Zeit brauchen".
Dabei hat Haus Seefahrt sich zu keiner Zeit gescheut, Traditionen zu
verändern. Der Ort der Tafelfreuden, Kleiderordnung, Speisenfolge und
Veranstaltungsdauer wechselten, und Richard Wagner hat den heute zur
Eröffnung intonierten Tannhäuser-Marsch "Einzug der Gäste" erst drei
Jahrhunderte nach der ersten Schaffermahlzeit komponiert.
Mitte Januar ist Zeit für eine Routinenachfrage beim Böhrnsen-Büro, ob er
erwartungsgemäß einen Mann als Gast vorgeschlagen hat. Sein Sprecher ruft
prompt zurück. Der Bürgermeister habe Haus Seefahrt signalisiert, er könne
sich gut vorstellen, diesmal eine Frau zu benennen. Vorsteher Bunnemann und
Kollegen berieten, dann gaben sie dem Bürgermeister einen Korb. Der nicht
als impulsiv bekannte 61-Jährige ließ wissen, dass er keinen Ersatzmann
vorschlagen werde. Im Mai ist in Bremen Landtagswahl.
Sobald im Wappensaal das Aufnahmegerät ausgeschaltet ist, drängt es die
Herren zu Erklärungen. Dürften Frauen Schafferinnen werden, argumentieren
sie, und dürften die Schaffer auch weibliche Gäste einladen, dann wäre die
unausweichliche Folge, dass die Ehefrauen der Schaffer mitessen wollten.
Dafür aber sei im Festsaal einfach zu wenig Platz! Dass es nicht um
Ehefrauen geht, sondern um Geschäftspartnerinnen, mit denen bei Braunkohl
und Seefahrtsbier Deals eingefädelt werden könnten, ist Bremens weltweit
agierenden Kaufmännern bisher offenbar nicht eingefallen.
14 Jan 2011
## AUTOREN
Gaby Mayr
## TAGS
Schaffermahl
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