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# taz.de -- Debatte über Fehmarnbelt-Querung: Die Verlockungen der Badebucht
> Mit einer Informationsoffensive wollen die Planer der festen Querung über
> die Ostsee Betroffene zu Beteiligten machen. Bei der ersten derartigen
> Veranstaltung auf der Insel Fehmarn gelingt das nicht so recht
Bild: Über die Farbe der maritimen Deko ließe sich - immerhin - reden: So kö…
Ein ICE schwebt hinter Stahlstreben hoch über dem Wasser der Sonne
entgegen. Elegante Betonbögen spannen sich über den Fehmarnbelt, 272 Meter
hohe Pylone recken sich schlank in den blauen Himmel, zu sanften
Geigenklängen huschen PKWs lautlos vorbei. Nur auf applaudierende Zugvögel
hat Femern A/S verzichtet in seinem dreiminütigen Video über die
Schönheiten eines Brückenschlags über die Vogelfluglinie.
Die dann klatschen, sind nur eine Handvoll Menschen. Die große Mehrheit in
der überfüllten Aula der Inselschule in Burg auf Fehmarn verzieht keine
Miene. Etwa 400 InsulanerInnen sind am Freitag gekommen zur
Informationsveranstaltung der dänischen Realisierungsgesellschaft, die eine
feste Querung der Meerenge zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark
errichten will. Beziehungsweise "das Zusammenwachsen Europas fördern", so
Projektmanager Stephan Siegert.
Es sind die Lehren aus Stuttgart, welche die Planer der Fehmarnbelt-Querung
ziehen wollen. Selbst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnt
anlässlich der Veranstaltung vor einem "Fehmarn 21": In einem
Zeitungsinterview empfiehlt er "dringend", "die Betroffenen in
Schleswig-Holstein durch Information und Kommunikation zu Beteiligten zu
machen". Und so ist denn Transparenz das Leitmotiv für mehrere
Informationsveranstaltungen im Kreis Ostholstein und auf dem anderen Ufer
im dänischen Lolland, diese auf Fehmarn ist die erste.
Die Verbindung werde durch "einen engeren kulturellen Austausch zwischen
den dänischen und deutschen Bewohnern die Region zu einem noch
attraktiveren Lebensraum machen", verkündet Femern A/S. Und um es den
Bewohnern der Ferieninsel Fehmarn so richtig schmackhaft zu machen, wird
hinzugefügt, dass "die bessere Erreichbarkeit den Tourismus in der Region
stärken" werde.
Nur leider liegt ein Tourismus-Gutachten, das solche Behauptungen stützen
könnte, noch gar nicht vor, das muss ein Vertreter des Unternehmens auf
Nachfrage aus dem Publikum einräumen. Kritiker befürchten massive Verluste
im Fremdenverkehr in der gesamten Ostseeregion zwischen Timmendorfer Strand
und Fehmarn, die zum größten Teil vom Tourismus lebt.
Aber es gibt noch andere Verlockungen. Schöne Badebuchten, "vielleicht auch
mit Dünenlandschaften", könnten auf Fehmarn und Lolland angelegt werden,
wenn die feste Querung gebaut würde, erläutert der Planer Fritz
Hilgenstock. Immerhin würden bis zu 15 Millionen Kubikmeter Meeresboden
ausgehoben, und mit der Menge Sand und Schlick ließen sich "hübsche Strände
und Feuchtgebiete" schaffen.
Nach dem jetzigen Planungsstand favorisiert Femern A/S einen Tunnel mit
zwei Röhren für eine vierspurige Autobahn und einer dritten Röhre für zwei
Bahngleise. Er soll mit 5,1 Milliarden Euro etwas günstiger sein als eine
Brücke mit 5,2 Milliarden Euro. In beiden Fällen wird ein Zuschuss der EU
in Höhe von 0,6 bis 1,1 Milliarden erhofft. Die Restkosten - von 4 bis 4,6
Milliarden Euro - sollen durch Mauteinnahmen binnen 30 Jahren refinanziert
werden. Nach Fertigstellung 2020 würde sich die Zugfahrt Hamburg-Kopenhagen
um etwa 60 Minuten auf dreieinhalb Stunden verkürzen, Autofahrten noch
stärker.
Dafür aber müssen die Anbindungen geschaffen werden. Die Verlängerung der
Autobahn 1 bis Puttgarden und der Ausbau der Bahnstrecke nördlich von
Lübeck soll Bund und Bahn etwa 800 Millionen Euro kosten. Der
Bundesrechnungshof geht vom doppelten Betrag aus.
Die Verkehrsprognosen von Femern A/S liegen bei 10.000 Autos täglich. Vor
einem Jahr indes strich das Kieler Verkehrsministerium den 3,5 Millionen
Euro teuren Bau einer Ortsumgehung für die Kleinstadt Bargteheide im
Hamburger Speckgürtel: Bei 14.000 Fahrzeugen pro Tag sei das Projekt nicht
vordringlich.
Auch die Vorhersage, jeden Tag würden 149 Güterzüge die Querung passieren,
wurde von der deutschen Bahn inzwischen auf 78 halbiert. Erst seien die
Zahlen hochgerechnet worden, um Bedarf vorzugaukeln, jetzt würden sie
heruntergerechnet, glauben Kritiker. Und eine Bürgerin in der Aula auf
Fehmarn sagt: "Soviel Geld für eine Stunde Zeitersparnis - ist es das
wert?"
16 Jan 2011
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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Querung des Fehmarnbelts: Märchenhafte Zahlen
Laut Gutachter lohnt sich weder Brücke noch Tunnel. Wurde das
Nutzen-Kosten-Verhältnis im Bedarfsplan bewusst schön gerechnet, oder war's
ein Versehen?
Kommentar Fehmarnbelt-Querung: Nicht nur darüber reden
Nach den Erfahrungen mit Stuttgart 21 treiben die Planer großen Aufwand, um
bei den Bürgern für das Projekt zu werben. Dabei steht für sie das Ergebnis
fest.
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