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# taz.de -- Kolumne Ökosex: Che, dass Passivhaus und ich
> Warum der Komunismus und das Ökoparadies ähnlich theoretische Probleme
> haben.
Die Wege ins Ökoparadies, ins Nirvana des ewig Erneuerbaren, können wir nur
finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, in der
Opposition oder in der Regierung. Ich habe mal ein Wort aus einem
Kommunismus-Zitat von Frau Lötzsch ausgetauscht und werde nun damit die
theoretischen Fundamente der solaren Effizienzrevolution überprüfen.
Welche Wege ins Ökoparadies wollen wir denn eigentlich beschreiten? Bei
näherer Sparlampenbeleuchtung muss ich zugeben: Der Kommunismus und das
solare Effizienzparadies haben ähnliche theoretische Probleme. Zum Beispiel
sind da die ausbleibenden absoluten Mehrheiten bei Wahlen in der
parlamentarischen Demokratie trotz drohender Klimakatastrophe. Marxistische
Theoretiker pflegten in der Vergangenheit zu Recht die demokratische
Erfolglosigkeit ihrer Ideen mit dem falschen Bewusstsein der arbeitenden
Menschen zu begründen. Die Leute seien unter dem Kapitalismus ja gar nicht
in der Lage, ihre Interessen adäquat wahrzunehmen.
Jawoll, möchte man da rufen, das gilt noch mehr für ökologische Interessen.
Warum brettern die Leute immer noch lieber mit dem Tuareg als mit dem
Linienbus? Ist es nicht das akkumulierte Brumm-Brumm-Marketing, die unseren
Mitbürgern das Hirn vernebelt? Kann es überhaupt, um mit Adorno zu
sprechen, ein Leben im falschen Auto geben? Was liegt da näher, als ein
Herrschaftssystem anzustreben, in dem es möglich ist, auch gegen den
Mehrheitswillen alle Privat-Pkws abzufackeln.
Klingt logisch, ist aber das Gegenteil meiner Ökosexschen
Erkenntnistheorie. Wie jeder weiß, hat Marx Hegels Begriff des absoluten
Geistes durch den des menschlichen Kollektivsubjekts ausgetauscht. Das war
Quatsch und später bekanntlich ein pfiffiger Trick, um die Diktatur der
wenigen Erleuchteten zu rechtfertigen. Nehmen wir mal hypothetisch an, ich
hätte mit Che Guevara zusammen die solare Effizienzrevolution gemacht. Und
Genosse Che hätte plötzlich hinter meinem Rücken die Atomenergie in den
ökologischen Fünfjahresplan reingeschrieben.
Che war ja, wie jeder weiß, ein alter Atomfreak. Dann hätten wir natürlich
tierisch Knatsch gekriegt. Gehört die Atomkraft zum richtigen
Ökobewusstsein wegen CO2 und so? Nehmen wir weiter an, Che hätte mich
öffentlich ermahnt, meine reaktionäre Antiatomkrafthaltung zu widerrufen.
"Niemals!", hätte ich gerufen, worauf mich der gut aussehende Asthmatiker
ruckizucki an die nächste, gut gedämmte Passivhauswand gestellt hätte.
Sie finden das übertrieben? Dann schicke ich ihnen mal einige Kommentare
von Biotreibstoffgegnern, die mich wegen meiner Liebe zum Rapsölautofahren
exkommunizieren wollen. Für jene und alle Autoabfackler eine wichtige
Nachricht. Nichts wird uns vom gesellschaftlichen Argumentieren, Suchen,
Zweifeln und Streiten erlösen. Weil es nämlich weder Ökoparadies noch
Kommunismus gibt. Beides kann also gar kein Ziel sein. Und auf keinen Fall
sollten wir uns auf den Weg dorthin machen, sondern daheim bleiben, den
Unterbau isolieren und den Überbau mit Solarmodulen vollknallen.
17 Jan 2011
## AUTOREN
Martin Unfried
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