# taz.de -- Wahl in der Zentralafrikanischen Republik: Geputschter Bruder Jesu … | |
> Fiktive Wahl in einem fiktiven Staat: Den Großteil der | |
> Zentralafrikanischen Republik hat Präsident Bozizé an Banden aufgegeben. | |
> Trotzdem feiert er sich als "Aufbauer". | |
Bild: Mauer-Gemälde in der zentralafrikanischen Republik. | |
Die Straßen der Hauptstadt sind voller Löcher und die Wellblechdächer der | |
Häuser rostig, aber auf seinen Wahlplakaten feiert sich Präsident François | |
Bozizé als "der Aufbauer". Wenn die Zentralafrikanische Republik am Sonntag | |
einen neuen Präsidenten wählt, ist das ähnlich paradox. Formal ist das eine | |
ganz normale Wahl, bei der sich Bozizé gegen Ange-Félix Patassé, Martin | |
Ziguélé, Jean-Jacques Demafouth und Emile Gros Raymond Nakombo behaupten | |
muss. Aber in Wirklichkeit ist nichts normal, denn Bozizé stürzte Patassé | |
2003 per Putsch, und zahlreiche Oppositionelle flirten mit der bewaffneten | |
Rebellion. | |
In der Hauptstadt Bangui sind viele Menschen unzufrieden, weil jeden Tag | |
der Strom ausfällt. Die Diamantenhändler, Rückgrat der Volkswirtschaft des | |
Landes, schimpfen immer noch über Präsident Bozizés Neffen, Oberstleutnant | |
Sylvain Ndoutingai, der vor zwei Jahren als Bergbauminister sämtliche | |
Diamanten beschlagnahmen ließ. Aber Bozizé hat den Staatsapparat der | |
Zentralafrikanischen Republik fest im Griff, soweit es ihn gibt. Die | |
Präfekten im Landesinneren stehen alle loyal zu Bozizés Partei "Kwa na Kwa" | |
(Arbeit, nichts als Arbeit) und kontrollieren die lokalen Wahlkommissionen. | |
Die Opposition rechnet daher mit massivem Wahlbetrug. | |
"Arbeit, nichts als Arbeit" | |
Faktisch spielt sich der Wahlkampf vor allem in Bangui ab. Der 2003 | |
weggeputschte Patassé nennt sich "Jüngerer Bruder Jesu Christi" und zählt | |
auf eine treue Anhängerschaft unter den vielen Zuwanderern aus seiner | |
Heimatregion im Norden des Landes. Seine Partei MPLC (Befreiungsbewegung | |
des Zentralafrikanischen Volkes) wird aber heute von seinem früheren | |
Premierminister Ziguélé geführt, ein ehemaliger Bankier. Diese Spaltung der | |
Opposition hilft Bozizé. | |
Draußen auf dem Land haben die Leute andere Sorgen. In den meisten Städten | |
gibt es Strom nur, wenn der Präsident kommt. In Mobaye und Ndélé streiken | |
die Mitarbeiter der Wahlkommission wegen ausbleibender Gehälter. Im Osten, | |
Richtung Tschad und Südsudan, hat die Rebellenarmee CPDP (Konvention der | |
Patrioten für Gerechtigkeit und Frieden) 21 Mitarbeiter der Wahlkommission | |
entführt. | |
Die CPJP ist für Bozizé gefährlicher als die zivile Opposition. Seit ihr | |
Führer Charles Massi Anfang 2010 im Tschad festgenommen, nach Bangui | |
überstellt und dort in der Haft getötet wurde, soll sie die Zahl ihrer | |
Kämpfer auf 3.000 verdreifacht haben. Am 24. November besetzten die | |
Rebellen kurzzeitig die Stadt Birao. Die Rückeroberung durch die Regierung | |
dauerte eine Woche und forderte nach Regierungsangaben Dutzende Tote, | |
hauptsächlich durch einen Luftangriff der tschadischen Luftwaffe. Die | |
18.000 Einwohner der Stadt waren da bereits geflohen. | |
Im CPJP-Gebiet ist außerdem die ugandische Rebellenarmee LRA | |
(Widerstandsarmee des Herren) aktiv, die mit ihren 400 Mann fast bis Birao | |
vorgestoßen ist. Gegen sie ist ein Armeekontingent aus Uganda in der Stadt | |
Obo stationiert. Weiterhin machen lokale, sudanesische, tschadische und | |
libysche Bewaffnete das Gebiet unsicher. | |
Dies erklärt, warum bei den Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit am | |
1. Dezember auch französische Legionäre an der Militärparade in Bangui | |
teilnahmen. Es gibt 300 von ihnen, sie sichern informell das Umland Banguis | |
in einem Umkreis von 100 Kilometern. Den Rest der Zentralafrikanischen | |
Republik hat die Regierung faktisch aufgegeben. | |
21 Jan 2011 | |
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