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# taz.de -- Autorin Idel über artgerechte Tierhaltung: Furzen ist nicht alles
> Kühe gelten seit vielen Jahren als Klimakiller. Dass das gar nicht
> stimmt, belegt Anita Idel sehr überzeugend und eröffnet neue Perspektiven
> für die unschuldigen Rindviecher
Bild: Besser verehren als in Frage stellen: Kühe in Nepal.
Rülpsende und furzende Kühe gelten gemeinhin als Klimakiller. Seit Jeremy
Rifkin vor fast 20 Jahren den Bestseller "Das Imperium der Rinder"
veröffentlichte, werden die Wiederkäuer für einen erheblichen Teil der
Erderwärmung verantwortlich gemacht: Bei ihrer Verdauung entsteht Methan,
das die Atmosphäre wesentlich stärker belastet als Kohlendioxid.
Die Tierärztin Anita Idel hat nun ein sehr überzeugendes Gegenbuch
geschrieben: "Die Kuh ist kein Klima-Killer". Kühe pupsen nämlich nicht
nur, sondern sie fressen Gras, wenn sie ihrer Art entsprechend gehalten
werden. Etwa 40 Prozent der weltweiten Landflächen sind mit Grünland
bedeckt. Was dort wächst, ist wie kaum eine andere Vegetation geeignet,
große Mengen an Humus aufzubauen - und jede Tonne Humus bindet 1,8 Tonnen
klimaschädliches CO2.
Weiden sind also, wenn sie vor Erosion geschützt sind, dauerhafte
Kohlendioxidlager und Kühe als Pfleger derartiger Landschaften überaus
geeignet: Ihre Klauen stabilisieren den Boden, ihr Mist düngt die Pflanzen
und die sprießen umso kräftiger, wenn sie gelegentlich abgefressen werden.
Zudem sind Kühe keine Nahrungskonkurrenten zum Menschen. Was Kühe zu
Klimakillern und Hungerverursachern macht ist die Agroindustrie. Denn meist
stehen die Tiere heute nur noch im Stall und in ihren Trögen landet
Kraftfutter aus Mais, Getreide und Soja. Das wird in Monokulturen angebaut,
mit hohem Energieaufwand gedüngt, und dabei entwickelt sich auch noch
extrem klimaschädliches Lachgas.
Ich und meine Kuh
Anita Idel gelingt es, den Lesern neue Perspektiven auf die Kuh als
Nutztier zu eröffnen. Nicht nur erfährt man interessante Details, zum
Beispiel wie die vier Mägen der Kuh funktionieren, die täglich mehrere
Kilogramm Bakterien züchten und das Tier so mit Proteinen versorgen. Idel
liefert auch Historisches zum frühneuzeitlichen Kuhhandel oder setzt sich
mit der Entwicklungspolitik auseinander. So führt der Brunnenbau in Afrika
vielfach dazu, dass die Menschen ihre umherziehende Lebensweise aufgeben
und ihre Tiere deshalb zu häufig auf denselben Weiden stehen. Wenn das Gras
aber ständig abgefressen wird, regeneriert es sich nicht ausreichend und
der Boden laugt aus.
Im zweiten Teil des Buchs stellt Anita Idel konkrete Menschen und ihre Kühe
vor. Da ist der in der Stadt aufgewachsene Mann, der Jahre lang eine
Almherde hütete und heute zusammen mit seiner Frau einen preisgekrönten
Käse herstellt. Da ist der Bauer, der von dem stundenlangen Kampf des 16
Monate alten Fleckviehbullen Axel gegen das Verladen so beeindruckt war,
dass er seither nur noch auf dem Hof schlachten lässt. Und da ist das Paar
in Namibia, das eine gemischte Schaf- und Rinderherde aufgebaut hat und
auch auf Dauer ein Auskommen haben wird. Das alles ist spannend, weil gut
und konkret erzählt. Wohltuend dabei ist, dass sie die Tiere Tiere sein
lässt und nicht vermenschlicht, ihnen aber zugleich Individualität und
Würde zuspricht.
Und nach der Lektüre ist klar: Nicht die Kuh ist der Klimakiller, sondern
eine auf Hochleistung fixierte Landwirtschaft, die die produktiven
Kreisläufe von Pflanze und Tier ausschaltet und die Kuh zur Maschine
degradiert.
"Die Kuh ist kein Klima-Killer. Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet
und was wir dagegen tun können". Metropolis Verlag 2010, 200 Seiten, 18
Euro
21 Jan 2011
## AUTOREN
Annette Jensen
## TAGS
Rinder
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