# taz.de -- Hannover 96 - Schalke: Vorwärts nach weit | |
> In Niedersachsens Landeshauptstadt ist die Freude über den erfolgreichen | |
> und auch noch ansehnlichen Fußball von Hannover 96 groß. Daran ändert | |
> auch die 0 : 1-Niederlage gegen Schalke 04 nichts. | |
Bild: Kaum erwachsen und kaum zu halten: der Hannoveraner Manuel Schmiedebach a… | |
Der Gang des Fans von Hannover 96 zu den Bundesligaspielen ins | |
Niedersachsenstadion war immer der des schon Geschlagenen. Gesenktes Haupt | |
schlichen sie dahin. Bierdose in der Hand. Leise leidend. Gegenstand der | |
Gespräche war das zu erwartende dröge Spiel. Es gab keine Enttäuschung, | |
weil die Erwartung gering war. Von Hannover 96 ging eine seltsam | |
melancholische Faszination aus. Das Herz an Hannover 96 verloren zu haben, | |
war schmerzhaft. Aber was soll man machen? | |
Vor der Partie gegen den FC Schalke 04 sangen niedersächsische Menschen | |
keck auf den Straßen ihrer Landeshauptstadt. Thema der Lieder war unter | |
anderem die Frage, wer die Nummer eins im Norden ist. Würde man die | |
Niedersachsen nicht besser kennen, würde man von Euphorie sprechen. | |
So also sieht das hannoversche Stadion aus, wenn es mit 49.000 Zuschauern | |
ausverkauft ist. Da hängt ja auch ein Transparent mit dem rätselhaft | |
schönen Satz: "Vorwärts nach weit." Die 96-Hymne wird von zwei | |
zauselhaarigen Altrockern mit Schmelz in der Stimme live im Stadion | |
gesungen. Auch in dieser Situation sind Fans und Mannschaft eins. Und das | |
wird auch nach der etwas unverdienten 0 : 1 (0 : 1)-Niederlage gegen | |
Schalke 04 so bleiben. | |
Hannover 96 spielt den Stil, der in dieser Saison Erfolg bringt: Kurzpässe, | |
viel laufen, schnell laufen, alle laufen, den Gegner durch frühes Angreifen | |
unter Druck setzen, die Außenverteidiger weit nach vorne schieben, bei | |
eigenem Ballbesitz geht es sofort nach vorne. Keine Quer-, keine Rückpässe. | |
Das sieht gut aus. Das sieht aus wie zu der Zeit, als Ralf Rangnick hier | |
Trainer war, und man erinnert sich, dass sein Assistent Mirko Slomka hieß. | |
Der ist jetzt Cheftrainer. | |
Slomka stellte erneut Ron-Robert Zieler ins Tor und am Ende standen mit | |
Konstantin Rausch, Manuel Schmiedebach und Moritz Stoppelkamp drei weitere | |
Spieler auf dem Platz, die nicht so aussehen, als dürften sie ohne Slomka | |
in einen Film für Erwachsene. Sie kickten aber wie Erwachsene und zwar mit | |
einer flachen Viererreihe im Mittelfeld. Slomka setzte gegen Schalke nicht | |
auf Konter, wie sonst, sondern auf Dominanz. | |
Schalkes Trainer Felix Magath spielte mit zwei defensiven | |
Mittelfeldspielern: Ivan Rakitic und Peer Kluge, Jefferson Farfán rechts | |
und Julian Draxler links im Mittelfeld und Raúl hinter Klaas-Jan Huntelaar. | |
In einem guten Spiel war Hannover einen Tick besser, aber Schalke 04 machte | |
das Tor. "Uns fehlte die Effizienz der letzten Spiele", sagte Slomka. | |
Schalke hatte diese Effizienz, dank Raúl und Manuel Neuer. In der 18. | |
Minute die erste Szene von Schalkes Torwart, der einen Schuss von Rausch | |
entschärfte. | |
"An Neuer haben wir uns heute die Zähne ausgebissen", sagte Slomka nach dem | |
Spiel. Schalke war bei seinen wenigen Angriffen brandgefährlich, Hannovers | |
Innenverteidiger Karim Haggui musste spektakulär gegen Huntelaar klären. | |
Das Tor für Schalke fiel in der 33. Minute: Der 17-jährige Julian Draxler, | |
viertjüngster Spieler der Bundesligageschichte, zum ersten Mal in der | |
Anfangsformation, passte zu Außenverteidiger Christoph Schmitz, auch er ein | |
junger Mann, der flankte nach innen, dort stand der nicht mehr junge Raúl. | |
Schalkes Trainer Magath nuschelte: "Draxler ist ein großes Talent, wir sind | |
froh, dass wir ihn haben, konditionell ist er noch nicht auf der Höhe, | |
deshalb habe ich in zu Beginn der zweiten Halbzeit herausgenommen." Wer | |
weiß, wie Magath lobt, der weiß: Das war eine Hymne. | |
Dann kamen noch eine ganze Reihe von Chancen für Hannover 96, die größte | |
nach 65 Minuten, als Neuer einen ziemlich unhaltbaren Schuss von Pinto weg | |
faustete. "Wir haben einen großen Aufwand betrieben und hätten einen Punkt | |
verdient", meinte Slomka. Hannover bleibt Zweiter, Schalke ist Zehnter. | |
Die Gefahr, dass in Hannover nun wieder Melancholie einzieht, besteht | |
nicht. Auch nach Spielende wurde in den Straßen der größten Stadt | |
Niedersachsens gesungen, und die Straßenmusiker vor dem Bahnhof spielten | |
den Triumphmarsch aus "Aida". | |
23 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
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