# taz.de -- Gala "Kir Loyal" im Schauspielhaus: Das Gängeviertel-Baby | |
> Die Recht-auf-Stadt-Bewegung nutzt eine Schauspielhaus-Gala, um sich in | |
> Szene zu setzen. Das macht einen ansonsten lustigen und abgründigen Abend | |
> problematisch. | |
Bild: Alle machen mit und feiern sich: Familienszene bei der Schauspielhaus-Gal… | |
Ach, das Schauspielhaus. Halb Hamburg macht sich Gedanken, wer die vakante | |
Intendanz des größten deutschen Sprechtheaters übernehmen kann. Karin Beier | |
aus Köln? Matthias Lilienthal aus Berlin? Der radikalste Vorschlag zur | |
Zukunft des Schauspielhauses kommt nun aus Hannover: Wozu überhaupt eine | |
Intendanz? | |
Das Schauspielhaus soll abgewickelt und zu einem "Bad Theater" nach dem | |
Vorbild der "Bad Bank" aus dem Finanzsektor umgewandelt werden, "zu einem | |
nachhaltigen Endlager für gescheiterte Inszenierungen aus dem gesamten | |
deutschsprachigen Raum!" | |
Vorgestellt wurde das Konzept von Darstellern des Schauspiels Hannover am | |
Samstag auf der Gala "Kir Loyal" im Schauspielhaus. Der Abend verstand sich | |
laut Ankündigung als ein "Herzensbekenntnis von Freunden, Kollegen und | |
Wegbegleitern an das Schauspielhaus". Konzipiert war er ursprünglich als | |
Solidaritätsveranstaltung für das zwischenzeitlich von weitgehenden | |
Kürzungen bedrohte Haus. | |
Der Abend, charmant moderiert von Jacques Palminger und Rocko Schamoni, bot | |
von allem etwas: Vorträge, Satirebeiträge, Performances und Konzerte. Er | |
bot aber auch von etwas entschieden zu viel: von den Initiativen der | |
Recht-auf-Stadt-Bewegung. | |
Sicher, alles hängt irgendwie mit allem zusammen, und darum lässt sich auch | |
die Initiative NoBNQ, die sich gegen ein Investorenprojekt auf St. Pauli | |
wehrt, mit der Hamburger Kulturpolitik und dem Schauspielhaus in Verbindung | |
bringen. Aber es reißt halt nicht vom Hocker, von der Theaterbühne Infos | |
verlesen und erklärt zu bekommen, die ohnehin schon in allen Zeitungen | |
gestanden haben. | |
Schlimmer ist allerdings die Translozierung theaterhafter Politformen von | |
der Straße auf die Bühne. Eine "Fette-Mieten-Party" mag eine lustige Sache | |
sein, wenn sie bei einer Wohnungsbesichtigung abgeht. Im Theaterraum | |
nachgestellt, mit Tröten, Papphütchen und Konfetti fürs Publikum aber? Ein | |
Trauerspiel. | |
Schade, denn es gab gute Momente: Martin Sonneborn und Heinz Strunk von der | |
"Partei" waren skandalös komisch, die Chorszene aus Volker Löschs | |
Marat-Stück berückend, die von Schorsch Kamerun und Sepp Bierbichler | |
vorgetragenen Lieder aus der Münchener Räterepublik abgründig. | |
Nur gings danach wieder ans Getröte und Gehampel. Da durften wir uns im | |
Publikum einen Namen für einen Schauspieler ausdenken, einen neuen | |
Indentanten wählen, Fragen über die Marke Hamburg beantworten oder im Takt | |
auf die Stuhllehnen klopfen. | |
Und dann, Tusch: Alles, was wir schon immer übers Gängeviertel wissen | |
wollten, uns aber nie zu fragen trauten. Das hörte sich so an: Wie ist das | |
mit Sex im Gängeviertel? Die Antwort aus dem kleinen Kreis der Getreuen: Es | |
gibt schon ein erstes Gängeviertel-Baby. | |
Als krönender Abschluss des Spiels trat nach vier Stunden ohne Pause | |
Schauspielhaus-Interimsleiter Jack Kurfess auf die Bühne und zeichnete ein | |
Genossenschaftsanteil des Gängeviertels. Aus dem Erlös des Eintrittsgeldes, | |
sagt er. Alle haben also mitgemacht. Toll, was? | |
Interaktivität, das lässt sich beim Philosophen Robert Pfaller nachlesen, | |
will Gesellschaft in kritiklose Gemeinschaft verwandeln. Das Problem: Die | |
geht einher mit Exklusion. Auf der Gala wurde dann auch nicht zufällig, | |
natürlich satirisch, über die Pinneberger hergezogen und der lustige | |
Vorschlag aus Hannover aus dem Publikum niedergetrötet. Beim | |
Anti-Gentrifizierungsdiskurs ist diese Rhetorik ohnehin notorisch: Hamburg | |
den Hamburgern. Das Böse bricht immer von außen in "unsere Viertel" herein. | |
Also: Schon aus Sorge um sich gilt es, Galas zu meiden. Man kommt aus ihnen | |
gemeiner heraus, als man hereingegangen ist. | |
23 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Probst | |
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