# taz.de -- Nahost-Friedensgespräche: Neue Leaks sorgen für Furore | |
> Geheimdokumente zeigen, dass die Palästinenser zu großen Zugeständnissen | |
> bei den Friedensgesprächen bereit waren. Israels Außenminister frohlockt. | |
Bild: In der Altstadt von Ostjerusalem: Der Streit geht weiter. | |
JERUSALEM taz | Hunderte Protokolle von israelisch-palästinensischen | |
Friedensgespräche, die al-Dschasira diese Woche veröffentlicht, zeigen, | |
dass die Palästinenser zu weitgehenden Konzessionen bereit waren. Bis auf | |
die Siedlung Maale Adumim hätte die PLO im Zuge einer Endstatuslösung | |
Israel fast vollständig den besetzten Rest von Ostjerusalem und Umgebung | |
überlassen. "Das sind Lügen und Halbwahrheiten", beeilte sich Saeb Erekat, | |
Chef des palästinensischen Verhandlungsteams, die Veröffentlichungen | |
herunterzuspielen. | |
Die meisten Mitschriften der 16.000 Dokumente, die al-Dschasira | |
präsentieren will, stammen aus den Jahren 2008 bis 2010, als die ehemalige | |
Außenministerin Zipi Livni für Israel die Verhandlungen führte. Die | |
strebsame Kadima-Chefin, die heute die Opposition in Jerusalem führt, | |
erweist sich in den Gesprächen als erstaunlich schlecht vorbereitet und | |
gleichzeitig über lange Strecken defensiv, während die Palästinenser bis | |
ins kleinste Details ausgearbeitete Vorschläge machen. | |
Einer der Kernpunkte ist die Siedlung Maale Adumim bei Jerusalem. Die rund | |
30.000 Siedler "können unter palästinensischer Regierung leben", wird Ahmed | |
Qurei, palästinensischer Exregierungschef, zitiert. "Sie wissen, dass das | |
nicht realistisch ist, sie würden am nächsten Tag ermordet werden", | |
antwortet Zipi Livni. Wenn Israel die Siedler nicht in der Stadt lassen | |
wolle, entgegnete Qurai, "dann könnt ihr sie rausholen, genauso wie es in | |
Gaza gemacht wurde". | |
Die meisten Dokumente zeigen, dass die Palästinenser nach vorn drängen, | |
während die Israelis auf die Bremse treten. In einem Gespräch mit dem | |
US-Diplomaten David Hale beschwert sich Erekat darüber, wie schwer es sei, | |
auch nur ein Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin | |
Netanjahu zu arrangieren. Zudem geben sich die Israelis bisweilen | |
herablassend gegenüber den Palästinensern, mit Bemerkungen wie: "Wenn ihr | |
euch anständig benehmt, bekommt ihr mehr". | |
Qurei reagierte erbost auf die Enthüllungen, die "Teil einer Hetzkampagne" | |
seien. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas versicherte, dass die PLO keine | |
Geheimnisse hätte. "Es gibt nichts, was wir vor unseren arabischen Brüdern | |
verstecken würden", meinte er. | |
Der Politologe Abdel Sattar Qassem glaubt hingegen, dass die Dokumente echt | |
sind, da "sie von anerkannten unabhängigen palästinensischen Historikern | |
wie Salman Abu Sitta geprüft wurden". Die Frage, wer die Dokumente | |
durchsickern ließ und warum das gerade jetzt passierte, hält Qassem für | |
irrelevant. Der noch unausgesprochene Verdacht richtet sich auf Mohammed | |
Dahlan, ehemals Fatah-Sicherheitschef im Gazastreifen. Er wurde jüngst aus | |
der Parteiführung ausgeschlossen, weil ihm vorgeworfen wurde, einen Putsch | |
gegen Abbas zu planen. Qassem glaubt indes nicht, dass die | |
Veröffentlichungen einen Einfluss auf den Fatah-internen Machtkampf oder | |
andere politische Prozesse haben wird. | |
Für Israels rechtsnationalen Außenminister Avigdor Lieberman bieten die | |
Dokumente Grund zum Frohlocken. "Wenn es noch nicht einmal der | |
linksgerichtetsten Regierung von [Ehud] Olmert und Livni gelang, ein | |
Friedensabkommen zu erreichen", kommentierte er, dann sollte nach Sichtung | |
der Dokumente klar sein, "dass die einzige Lösung ein unbefristetes | |
Interimsabkommen ist". Die Friedensbewegung "Peace Now" interpretiert die | |
Veröffentlichungen genau umgekehrt: "Abu Masen [Abbas] und seine Regierung | |
in Ramallah sind die pragmatischsten Partner, die Israel sich wünschen | |
kann", heißt es in einer Stellungnahme. | |
24 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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