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# taz.de -- Snooker-Main-Tour in Berlin: Der feine Unterschied
> In Berlin beginnt heute nach langer Pause wieder ein Main-Tour-Turnier
> auf deutschem Boden. Der Deutsche Lasse Münstermann will sich dabei in
> der Weltelite etablieren.
Bild: Filigran am grünen Tisch: Snookerspieler beim Wettstreit.
"Wenn es richtig ist", sagt Lasse Münstermann, "gibt es keine Fragen mehr
und keine Zweifel; alles geschieht einfach und wird perfekt." Das ist für
ihn "der wunderbarste Moment überhaupt, der ,Om-Zustand'. Man muss über
nichts nachdenken, es läuft automatisch. Du kommst irgendwie in diesen
Tunnel und fliegst irgendwann auch wieder raus. Bewusst steuern kann man
das nicht."
Es müssen diese meditativen Erlebnisse sein, die den 31-jährigen
Snookerspieler weiter am Billardtisch gefesselt halten. In den anderen
Währungen für Leistungssportler - Geld, Prestige, Popularität - hat ihm das
Schicksal bisher wenig ausgezahlt. Auch im zwanzigsten Jahr seiner
Leidenschaft agiert der blondgelockte Feingeist aus Ratingen außerhalb des
Radars der breiten Öffentlichkeit - weil er seine Flows in der Regel auf
Turnieren erlebt, von denen nur die Fachwelt Notiz nimmt.
Ab Mittwoch aber herrscht der Ausnahmezustand. Dann steigt nach mehr als
13-jähriger Pause erstmals wieder eines von acht Turnieren der Main Tour
Prestigeserie auf deutschem Boden. Die komplette Weltelite des Snooker ist
im Berliner Tempodrom am Start, um 300.000 Euro an Preisgeldern und viele
Weltranglistenpunkte unter sich aufzuteilen. Dazu ein Trio deutscher
Hoffnungsträger, die sich in der vorgeschalteten "Wildcard Round" beweisen
dürfen: Stefan Kasper als nationaler Meister aus Memmingen, das 13-jährige
Berliner Großtalent Pawel Leyk und eben Münstermann.
Am Donnerstag um 10 Uhr tritt der ambitionierteste deutsche Spieler gegen
den Engländer Robert Milkins an, Nr. 26 der Weltrangliste - nicht als
Günstling des Veranstalters, wie er betont, sondern als Nr. 2 der
Kontinentalrangliste. Dieses Match steht "erhaben über allem" in seinem
Turnierkalender, weil es mit einem finalen Stoß Türen öffnen kann. Durch
einen Sieg über den "Blizzard aus Gloucester" träfe Münstermann in der
nächsten Runde auf den dreifachen Weltmeister John Higgins und beträte
voraussichtlich Fernsehland: Ab Donnerstag überträgt der Spartensender
Eurosport die attraktivsten Partien aus Berlin in 59 Länder.
Über 14.000 Zuschauer haben schon Tickets erworben, um dem Tanz der 15
bunten Kugeln beizuwohnen - ein neuer Rekord in der Geschichte der Main
Tour. Die meisten kommen freilich nicht für Münstermann, sondern um die
TV-Personalities der britischen Billardvariante aus nächster Nähe zu sehen:
den genialisch-wechselhaften Briten Ronnie OSullivan, den smarten
platinblonden Australier Neil Robertson, Chinas Wunderkind Ding Junhui. Sie
alle sind dann Stars einer Reality-Serie, die am deutschen TV-Markt
merkwürdigerweise auch ohne heimische Helden funktioniert: Bis zu einer
Million schauen den Magiern des Queues bei ihren Duellen am grünen Tisch
zu.
Vielleicht ist da noch Luft nach oben, wenn sich demnächst auch ein
Deutscher unter die besten 96 Spieler auf der Main Tour schieben könnte.
Genau genommen war Lasse Münstermann sogar schon dabei. In der Saison
2000/01 erhielt er eine Wildcard, scheiterte aber in den
Qualifikationsturnieren. "Damals war ich vom Kopf her noch nicht weit
genug", sagt er. In den folgenden Jahren blitzte sein Potenzial immer
wieder auf, wenn er Topspieler wie Mark Williams und Peter Ebdon schlug -
und John Higgins in 2008 bei einem Einladungsturnier an den Rand einer
Niederlage spielte. "Zwei Fehler", staunt er bis heute, "und weg war das
Match. Dabei hatte ich eigentlich schon gewonnen."
Die Unterschiede in dem anspruchsvollen Spiel sind ebenso gering wie
bedeutend, doch bisher hat der frühbegabte Sohn eines Carambolage-Amateurs
den Abstand zur Spitze mit jedem Jahr verringern können. Daraus speisen
sich seine Zuversicht, "dass ich da irgendwann hinkomme" - und die
Bereitschaft, in seinem eigenen Snooker-Club am Ratinger
Leichtathletik-Stadion der fleißigste Aktive zu sein. So viel Zeit bleibt
nur, weil ein Sponsor ihm großzügig den Rücken stärkt. "Der will mit mir
den Beweis antreten, dass es auch ein deutscher Spieler bis in die Main
Tour schaffen kann", glaubt Münstermann.
Das Vertrauen des Mäzens in den Halbfinalisten der Amateur-WM 2007 könnte
in der Tat kaum größer sein. Vor dessen Abreise nach Berlin ließ er seinen
Hoffnungsträger wissen, dass er zum ersten Match in dem K.-o.-Turnier noch
nicht dabei sein könne; er käme dafür am Freitag, "zu deinem zweiten." Wen
immer der Flow trifft, ist eben frei von Zweifeln.
1 Feb 2011
## AUTOREN
Bertram Job
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