Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Aufstand in Ägypten: Im Zweifel für die Potentaten
> Jahrelang unterstützen europäische Mächte die arabischen Regime und
> schwiegen zu deren Verbrechen. Jetzt sind sie auf einmal ganz schnell mit
> ihren Urteilen. Zu spät.
Nach langen Jahren, in denen die europäischen Mächte und die EU die
arabischen Gewaltherrscher unterstützten und sich ausschwiegen angesichts
massiver Menschenrechtsverletzungen, ist jetzt hektische Aktivität
ausgebrochen. Bereits am Wochenende hatten Angela Merkel, Nicolas Sarkozy
und David Cameron den ägyptischen Präsidenten aufgefordert, "einen Wandel
einzuleiten". Dies zu einem Zeitpunkt, als von den ägyptischen Demokraten
der sofortige Rücktritt von Mubarak als Grundbedingung für Verhandlungen
gefordert worden war.
Am Donnerstag haben sich zu der Dreierrunde noch Italiens Silvio Berlusconi
und Spaniens Luis Zapatero gesellt. Die fünf Kernmächte der EU verurteilten
jede Gewaltanwendung in Ägypten, traten für das Demonstrationsrecht ein und
verlangten von dem Militär, dieses Recht zu schützen. Zentrale politische
Forderung war ein "schneller und geordneter Übergang zu einer Regierung,
die die Bevölkerung stärker vertritt". Lady Ashton, Außenministerin der EU,
sekundierte. Sie forderte, "das Volk vom Militär beschützen zu lassen".
Zu wenig, zu spät. In den Augen oppositioneller arabischer Demokraten haben
die europäischen Mächte und die EU jede Glaubwürdigkeit in Sachen
Menschenrechte eingebüßt. Wo in den vergangenen Jahren seitens der Europäer
Menschenrechte postuliert und - wie im Fall der nordafrikanischen
Maghreb-Staaten - in Vertragswerke mit der EU niedergelegt wurden, blieben
sie auf dem Papier.
Notorische Gewalttäter wie noch wenige Wochen vor Beginn des Aufstands
Tunesiens Ben Ali wurden Lieblingskinder der EU. Und Westerwelle - ganz
sicher in Übereinstimmung mit der EU - lobte Mubarak als "einen Mann
enormer Erfahrung, großer Weisheit, der die Zukunft fest im Blick hat".
Das Verhalten der EU zu arabischen Potentaten ist kein bedauerlicher
Einzelfall. Unter vielen Beispielen für die Menschenrechtspolitik der EU
nur eines: Dem usbekischen Potentaten Karimow wird von der EU im Januar
2011 der Teppich ausgerollt, obwohl seine Verbrechen notorisch sind. Gegen
Karimow hatte die EU nach dem von ihm befohlenen Massaker in Andischan 1996
Sanktionen erlassen. Sie wurden 1999 wiederaufgehoben, ohne dass
irgendetwas aufgeklärt worden wäre.
Wo immer die EU für ihre Mitgliedsländer zentrale Positionen in Stellung
bringt - Abwehr der Flüchtlinge an den Mauern der Festung Europa, Sicherung
der Energiequellen -, überall ist ihr jeder Gewaltherrscher recht, soweit
er Stabilität zu verbürgen scheint. Es ist dieser Fetisch Stabilität, für
den die EU jetzt die Quittung erhält.
Lady Ashton hat gegenüber der Forderung, die EU müsse vernehmlich und
nachhaltig Menschenrechtsverletzungen anprangern, auf das Primat der
"stillen Diplomatie" verwiesen. Die Resultate dieser Politik sind ärmlich.
Der Schaden aber, der durch die selektive Behandlung von
Menschenrechtsverletzungen für die Glaubwürdigkeit der EU entstanden ist,
wird schwer zu reparieren sein.
4 Feb 2011
## AUTOREN
Christian Semler
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.