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# taz.de -- Bürgerrechtler gewinnt Prozess: 40 Jahre zu Unrecht bespitzelt
> Jahrzehnte lang hat der Verfassungsschutz den Bürgerrechtler Rolf Gössner
> rechtswidrig ausgespäht, urteilt Verwaltungsgericht Köln. Wer ihn
> denunziert hat, erfährt Gössner nicht.
Bild: Gerade weil Rolf Gössner, der Vizepräsident der Liga für Menschenrecht…
BREMEN taz | Fast 40 Jahre lang hat das Bundesamt für Verfassungsschutz
Rechtsbruch begangen. Das geht aus einem Urteil hervor, das das
Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag gefällt hat. Das Gericht gab damit
der Klage des Bremer Rechtsanwalts und Vizepräsidenten der Liga für
Menschenrechte Rolf Gössner in vollem Umfang statt.
Gössner hatte das Bundesamt 2007 verklagt, weil es ihn seit 1970
unausgesetzt beobachtete. Damals studierte er noch in Freiburg.
Anschließend war Gössner in Bremen Gerichtsreferendar, hat später an der
dortigen Uni promoviert und schließlich auch gelehrt. Von 1990 bis 2001
beriet er die niedersächsische Grünen-Fraktion. Immer blieb der
Inlandsgeheimdienst dran. Selbst als die Bremische Bürgerschaft den
parteilosen Juristen 2007 zum stellvertretenden Richter am
Staatsgerichtshof, dem Landesverfassungsgericht, wählte, dauerte die
Observation an.
Eingestellt wurde sie erst Ende 2008, kurz vor Beginn der
Gerichtsverhandlung. Die Sicherheitslage habe sich verändert, hieß es
plötzlich. Geheim bleibt, was genau sich 19 Jahre nach dem Mauerfall
verändert hatte. "Ich werde schauen, ob sich das Fachreferat dazu äußert",
sagte dazu eine Sprecherin des Verfassungsschutzes. Zum Urteil könne
"derzeit gar nichts gesagt werden", sie bitte um Verständnis: "Das müssen
wir erst verdauen." Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht
vor.
Das gilt auch für den Großteil der 2.000 Blatt starken Gössner-Akte: Der
Innenminister verweigerte die komplette Freigabe, nur 15 Prozent des
Dossiers sind zugänglich. Zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem
"in camera"-Verfahren - bei dem Richter und Geheimdienstvertreter hinter
verschlossenen Türen die Akte sichten - das Geheimhaltungsbedürfnis bejaht.
Problematisch ist das auch für die persönliche Aufarbeitung. "Ich muss
versuchen, mir diesen Teil meiner Lebensgeschichte wiederanzueignen", sagte
Gössner. Anders als ein Stasi-Opfer wird er dabei aber nicht erfahren, wer
ihn zu Unrecht denunziert und ausgespäht hat. Auskunft über die Anzahl
ähnlicher Fälle gibt das Bundesamt nicht.
Besorgniserregend ist das, weil der Anlass für die Gössner-Bespitzelung so
nichtig war: Er firmierte 1970 auf einer Liste des Sozialdemokratischen
Hochschulbundes, ohne Mitglied der damals SPD-nahen Vereinigung zu sein
oder später einer Partei beizutreten. Gerade das fand der Verfassungsschutz
auffällig: Der Bremer, so die perfide Argumentation, agiere "ganz bewusst
nicht als Mitglied einer extremistischen Partei, weil er so seine
Glaubwürdigkeit zu wahren versucht". Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig. (bes)
4 Feb 2011
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