| # taz.de -- Portrait Berlinale-Macher Kosslick: Der goldene Bär | |
| > Seit zehn Jahren kalauert sich der Schwabe Dieter Kosslick nun schon | |
| > durch die Berliner Filmfestspiele. Das macht den Berlinale-Direktor beim | |
| > Publikum und bei den Großkopferten beliebt, doch das Filmfest verliert an | |
| > Niveau. | |
| Bild: 10 Jahre an der Berlinale-Spitze: Dieter Kosslick | |
| BERLIN taz | Wenn man wie Dieter Kosslick seit zehn Jahren ein Motto für | |
| die Berlinale ausgeben muss, können einem schon mal die Ideen ausgehen. | |
| "Happy Bärsday Berlinale" zum 60. Geburtstag der Filmfestspiele 2010 war | |
| nicht unbedingt ein Geistesblitz in Sachen kreativer PR. | |
| "Berlin ist kalt, aber cool", dichtete der Festivalchef jetzt zu den 61. | |
| Internationalen Filmfestspielen Berlin. Wahrscheinlich fiel ihm das ein, | |
| weil er und seine roten, knuffigen Ohrenschützer, mit denen er vergangenes | |
| Jahr mal mit Julianne Moore, mal mit Ben Kingsley über den eiskalten | |
| Potsdamer Platz spazierte, so gut angekommen waren. | |
| Zu Sicherheit hat Kosslick noch ein zweites Motto für 2011 ausgegeben: die | |
| Öko-Filmfestspiele. Die Projektoren brummen mit Ökostrom. Das Öko-Institut | |
| erstellt eine Analyse des Filmfest-CO2-Ausstoßes. Es gibt fleischlose | |
| Buffets und Bio-Tafelwasser - was immer das auch sein mag. Marketingmäßig | |
| ist das ziemlich durchsichtig und zudem bereits ein Remake von 2009. Doch | |
| Kosslick und seine Berlinale sind dafür trendy. Das provoziert natürlich | |
| die Frage: Wie viel hat das mit Film und dem Kino zu tun? | |
| Seit 10 Jahren kalauert sich der Schwabe Dieter Kosslick (63) nun schon | |
| durch die Berliner Filmfestspiele - "Ich kann Chinesen auf dem roten | |
| Teppich von einender unterscheiden" - und man gewinnt den Eindruck, dass es | |
| ihm weiter ernst ist mit seiner Rolle als Berlinale-Clown und | |
| Filmfestival-Entertainer. Einfache, filmreife, wahre Sätze lässt er dann | |
| fallen: "Ich wünsche mir tolles Kino", so Kosslick über sein Programm 2011. | |
| Die Betonung liegt natürlich auf "toll". Auf die Frage nach der "erhöhten | |
| Terrorgefahr rund um den Marlene-Dietrich-Platz" gibt er den Churchill oder | |
| Chaplin: "Wir fürchten uns nicht." | |
| Mit Dieter Kosslick und seinen "Subberschtaars" wird es seit zehn Jahren | |
| auf der Berlinale nicht langweilig. Wenn der Chef mit einem flotten Spruch | |
| den Türschlag der Promi-Limousinen aufreißt, liegt die halbe Stadt | |
| Hollywood, Bollywood, Isabell Adjani, den Stones oder Daniel Brühl zu | |
| Füßen. Der Mann hat Charme und Witz, die Großkopferten mögen ihn. Er ist | |
| ihr Impresario, ein Hofnarr. Katerstimmung gibt es bei Kosslick nicht. | |
| Wer das Filmfestival als Event und Glamour, Party und Geschäft begreift, | |
| wird das Phänomen Kosslick auch darum lieben, weil es ökonomischen Mehrwert | |
| bringt. Die Berlinale hat seit 2001 zugelegt, "der Etat ist von 11 auf 19,5 | |
| Millionen Euro gewachsen", freut sich der Festivalchef. "Unser Filmmarkt | |
| zählt zu den drei größten der Welt" und auch das deutsche Kino hat sich - | |
| Betonung! - "super" entwickelt. | |
| Es ist kein Geheimnis, dass Klaus Wowereit seinen SPD-Kumpel Kosslick als | |
| eines seiner besten "Aushängeschilder" für das sexy Image Berlins sieht. Be | |
| Berlin(ale), Be Kosslick. Der Mann mit den Goldenen und Silbernen Bären ist | |
| für den Regierenden Bürgermeister so viel wert wie zehn | |
| Berlin-Marketing-Gesellschaften zusammen. | |
| Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) steht auf dem schwäbelnden | |
| Festivalmacher, hält dieser doch die "Berlinale als hochkarätiges | |
| Ereignis", oben im kulturellen Leuchtturm-Ranking - republik-, ja | |
| europaweit. Neumann hat Koss-licks Vertrag bis 2013 verlängert. | |
| Tüchtig und gut vernetzt war der einstige Konkret-Autor schon immer. Als | |
| Geschäftsführer des Hamburger Filmbüros und Leiter zahlreicher | |
| Filmstiftungen hatte er sich einen Namen als Förderer qualitätvoller | |
| Produktionen und gut organisierter Festivals gemacht. Als Kosslick nach | |
| Berlin kam, war es nicht verwunderlich, dass er das Image der Berlinale | |
| fundamental veränderte. Er befreite das Filmfest von der bleiernen Stimmung | |
| aus der Ära Moritz de Hadelns, holte es an den Potsdamer Platz und gab eine | |
| gewisse Lässigkeit als Motto aus. "It's Showtime, Folks!" ist Kosslicks | |
| Motto für sich, Berlin, die Stars im Blitzlichtgewitter - und die starken | |
| sowie ganz großen Filme. | |
| Lange hatte Kosslick Fortune mit seiner Wettbewerbspolitik. Seit zwei, drei | |
| Jahren stagniert indes das Programm am Potsdamer Platz. Der Auswahl fehlt | |
| es an ambitionierten Filmen. Die Konkurrenten in Cannes oder Venedig werben | |
| Berlin mehr und mehr das Weltkino und die Avantgarde ab. | |
| 2011 eröffnen die Oscar-Preisträger Joel und Ethan Coen die Berlinale mit | |
| dem Western "True Grit". Auch Isabella Rosselini, Wim Wenders, Ralph | |
| Fienes, Vanessa Redgrave und Matt Damon gehörem zum Staraufgebot. Schaut | |
| man genauer hin, fehlen im Wettbewerb jedoch viele große Namen. Ein Rezept, | |
| diese zurückzugewinnen, sucht man vergeblich. Dass manchmal Kosslicks Stil | |
| und Charakter für die Berlinale-Sackgasse verantwortlich gemacht werden - | |
| was insbesondere elaborierte Cineasten tun - ist falsch. Der Festivalchef | |
| hat vielmehr die Berlinale zu ihren populären Ursprüngen zurückgeführt und | |
| mit fast 400 Produktionen in elf Sektionen zu einem Film-Marathon | |
| gesteigert. Was zuviel ist. | |
| Evident ist, dass mit diesem Konzept auch die größten Fehler begangen | |
| werden. Weil Kosslick sich für alle gesellschaftlich relevanten Bereiche | |
| interessiert, fehlt jede Abgrenzung zu anderen A-Festivals. Nicht allein | |
| gut gemachtes Kino, ein thematisches Profil oder eine Konzentration, | |
| sondern alles und jedes bilden den jährlichen Berlinale-Schwerpunkt. Da | |
| droht die Unwägbarkeit, da landet man dann Treffer - wie "Bal" (2010) - | |
| oder haut mal total daneben. Wie 2006: Kosslick, der vieles für das neue | |
| deutsche Kinowunder getan hat, es in den Wettbewerb holte und den Talent | |
| Campus gründete, nahm 2006 "Das Leben der Anderen" nicht in den Wettbewerb. | |
| Ein Sündenfall. | |
| Beschädigt hat dies den Pragmatiker und Hollywoodfreak Kosslick nicht. Sein | |
| Festival begeistert, er ist beim Publikum beliebt. Und solange er mit | |
| flotten Sprüchen und populären Konzepten wie "Berlinale goes Kiez" | |
| daherkommt, kann er weiter punkten. Zumindest in Berlin. | |
| Zudem spielt er neuerdings auf der kulturpolitischen Klaviatur mit. Als dem | |
| Haus der Kulturen der Welt die Mittel gekürzt werden sollten, schrieb | |
| Kosslick einen wütenden Protestbrief an den Verantwortlichen Guido | |
| Westerwelle. Das stand wieder in allen Gazetten. Und darauf kommt es an. | |
| 9 Feb 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Rolf Lautenschläger | |
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