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# taz.de -- Prozess nach Amoklauf von Winnenden: Bewährungsstrafe für den Vat…
> Es war eine Art Stellvertreter-Prozess um den Amoklauf von Winnenden. Der
> Täter Tim K. hatte sich selbst gerichtet. Nun musste sich sein Vater vor
> Gericht verantworten.
Bild: Urteilten im Winnenden-Prozess: Das Gericht unter Vorsitz von Reiner Skuj…
STUTTGART dpa | Knapp zwei Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden hat das
Landgericht Stuttgart den Vater des Täters wegen fahrlässiger Tötung
verurteilt. Der 52-jährige Unternehmer muss aber nicht ins Gefängnis - das
Gericht verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monate auf
Bewährung. Es blieb damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die
zwei Jahre Haft auf Bewährung verlangt hatte.
Der Sportschütze hörte das Urteil mit unbewegtem Gesicht. Er hatte die
Pistole, mit der sein Sohn vor knapp zwei Jahren 15 Menschen und sich
selbst erschoss, unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt. Der 17-jährige
Tim K. verübte das Massaker am 11. März 2009 in seiner früheren Realschule
in Winnenden und auf der Flucht nach Wendlingen. Es war der erste Prozess
in Deutschland, bei dem ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht
stand und verurteilt wurde.
Das Gericht unter Vorsitz von Reiner Skujat sprach den Vater der 15-fachen
fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in 14 Fällen
schuldig. Außerdem habe er gegen das Waffengesetz verstoßen. Seine
Verteidiger hatten sich am Ende des knapp sechsmonatigen Prozesses gegen
eine Strafe ausgesprochen. Sie verwiesen darauf, dass der Angeklagte und
seine Familie selbst unter den Folgen des Amoklaufs litten.
Nach Überzeugung der 18. Strafkammer wusste der Angeklagte von den
Tötungsfantasien seines Sohnes. Im April 2008 und damit knapp ein Jahr vor
dem Massaker seien die Eltern von den Ärzten der psychiatrischen Klinik in
Weinsberg bei Heilbronn darüber informiert worden. Dort hatte Tim K. bei
einem therapeutischen Gespräch gesagt, er habe einen Hass auf die ganze
Welt und stelle sich vor, die ganze Menschheit umzubringen. "Unter diesen
Umständen hätte der Angeklagte seinen Sohn vom Schusswaffengebrauch
abhalten müssen", sagte der Vorsitzende Richter Skujat in der
Urteilsbegründung.
Stattdessen habe der Vater seinen Sohn nach dem ersten Therapiegespräch
sogar zum Schießtraining im Schützenverein mitgenommen. Der Angeklagte habe
auch nicht nur die spätere Tatwaffe ungesichert in einem
Schlafzimmerschrank aufbewahrt. Er habe auch größere Mengen Munition im
ganze Haus verteilt herumliegen lassen. Dadurch sei es Tim K. leicht
möglich gewesen, über längere Zeit die große Zahl an Patronen anzusammeln,
die er beim Amoklauf dabei hatte: 285 Schuss Munition.
Die meisten der vor Gericht als Nebenkläger vertretenen Hinterbliebenen
hatten eine Haftstrafe für den Angeklagten verlangt. "Und wenn es nur für
ein Vierteljahr ist, aber er muss ins Gefängnis", sagte der Sprecher des
Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, Hardy Schober, vor dem Urteil.
Schober hatte seine Tochter bei dem Massaker im März 2009 verloren.
Skujat erläuterte in der Urteilsbegründung auch, dass der Prozess gegen den
Vater des Amokläufers mit sehr hohen Erwartungen überladen worden sei. Ein
gesellschaftlich sehr seltenes, wenn auch schreckliches Phänomen eines
Amoklaufs mit den furchtbaren Folgen für Opfer und Angehörige könne nicht
durch das Strafrecht verhindert werden. "Mit strafrechtlichen Sanktionen
kann immer nur reagiert werden", sagte Skujat. Auch das Schweigen und die
längere Abwesenheit des Angeklagten vor Gericht dürfe ihm nicht zum
Nachteil angerechnet werden.
Einige Hinterbliebene schraubten schon vor der Urteilsverkündung ihre
Erwartungen herunter. "Die Frage des Strafmaßes ist sekundär", sagte Jens
Rabe, ein Vertreter der Nebenklage. Am wichtigsten sei, dass es ein klares
Signal des Gerichts gebe und der Vater nicht nur wegen Verstoßes gegen das
Waffengesetz verurteilt werde, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung. "Der
Prozess war für die Hinterbliebenen emotional sehr belastend, gleichwohl
aber hilfreich." Sie hätten unter anderem erfahren, wie ihre Kinder genau
zu Tode gekommen seien.
Die Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Gisela Mayer, sagte vor dem Urteil:
"Es gibt keine Gerechtigkeit, die diesen 15-fachen Mord in irgendeiner
Weise sühnen könnte." Allerdings sitze auf der Anklagebank nicht der
Amokläufer, sondern sein Vater. Die Vorsitzende der Stiftung kritisierte,
dass das Waffengesetz bis heute nicht wirklich verschärft worden sei. Wer
in seiner privaten Wohnung gefährliche Waffen halte, habe eine erhöhte
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, sagte Mayer im ZDF-Morgenmagazin.
"Wenn man diese Norm verletzt, dann wird man deutlich bestraft."
10 Feb 2011
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