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# taz.de -- Vor dem nächsten Castor-Transport: Mehr als Tausend protestieren
> Erneut rollen Castoren: Diesmal ins Zwischenlager Lubmin. Blockaden sind
> geplant. Die Polizei verhindert einen Anschlag auf eine Bahnstrecke und
> vermutet dahinter militante Atomgegner
Bild: Atomkraftgegner demonstrieren am Samstag in Greifswald.
KARLSRUHE/GREIFSWALD afp | In Karlsruhe, Greifswald und anderen Städten
haben am Samstag mehr als tausend Atomgegner gegen den bevorstehenden
Castor-Transport nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern demonstriert. In
Greifswald zogen nach Angaben des Anti-Atom-Bündnisses Nordost mehr als
1.500 Menschen durch die Stadt und forderten den sofortigen Atomausstieg.
Entlang der Transportstrecke gab es in mehr als 20 weiteren Städten
Protestaktionen, darunter in Erfurt, Halle und Wittenberge.
In Karlsruhe kamen den Veranstaltern zufolge rund 400 Menschen zur
Auftaktkundgebung gegen den Castor-Transport. In der Innenstadt reinigten
Atomkraftgegner symbolisch Straßenbahnschienen vom Strahlendreck und
untersuchten Wohnhäuser entlang der Transportstrecke auf Strahlenbelastung.
Die Atomkraftgegner rechnen damit, dass der Transport mit Atommüll aus der
stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe ins Zwischenlager Lubmin
in der Nacht vom 15. auf den 16. Februar starten wird. Am Morgen des 17.
Februar sollen die fünf Castor-Behälter mit 16 Kilogramm Plutonium und 500
Kilogramm Uran demnach voraussichtlich in Lubmin ankommen.
Die Atomgegner wollen den Castortransport mit zahlreichen Protest- und
Blockadeaktionen stören. Unter anderem hat ein Bündnis von Anti Atom
Initiativen aus ganz Süddeutschland für den Start des Transports zu einer
"Nachttanzblockade" aufgerufen. Damit solle versucht werden, zu nächtlicher
Stunde den Transport durch eine Menschenblockade an der Durchfahrt zu
hindern, erklärte ein Sprecher des Bündnisses. Auch in Thüringen planen
Aktivisten eine "Aktion Wartegleis", um den Zug zum Stehen zu bringen.
Erst Mitte Dezember waren Castor-Behälter aus Frankreich nach Lubmin
gebracht worden. Der Transport wurde durch Blockaden von Atomgegnern
erheblich verzögert.
Unterdessen hat die Polizei einen möglichen Anschlag auf die Bahnstrecke
Oranienburg-Neustrelitz verhindert, von dem sie annimmt, er könne in
Zusammenhang mit den anstehenden Castor-Transporten stehen. Zwei Spreng-
und Brandsätze waren in Kabelschächten beiderseits der Gleise nahe
Oranienburg angebracht. Sie seien am Freitag entschärft worden, teilte das
Landeskriminalamt (LKA) Brandenburg am Samstag in Eberswalde mit. Die
Polizei war am Freitagnachmittag von einer namentlich bekannten Anruferin
über einen möglichen Sprengsatz an der Bahnstrecke in der Nähe der
Havelbrücke am Fichtengrund bei Oranienburg (Oberhavel) informiert worden.
Ein Bekennerschreiben liege nicht vor.
In den fünf Castoren, die von Karlsruhe nach Lubmin sollen, befinden sich
insgesamt 140 Edelstahlbehälter, in denen 56 Tonnen Abfallglas gefüllt
wurden. In dem Glasgemisch sind die radioaktiven Stoffe der sogenannten
Karlsruher Atomsuppe gebunden. Bei der "Atomsuppe" handelte sich um 60 000
Liter atomaren Flüssigabfalls aus der früheren Wiederaufarbeitungsanlage
Karlsruhe (WAK) - ein Gemisch aus Salpetersäure mit verschiedenen
hochradioaktiven Resten, darunter 16,5 Kilogramm Plutonium, 500 Kilogramm
Uran und jeder Menge Spaltprodukte wie Cäsium- oder Strontiumisotope. Weil
die Plutoniumbrühe selbsterhitzend war, musste sie in stark gesicherten
Edelstahltanks ständig gekühlt und bewegt werden.
Zwischen 1971 bis Ende 1990 wurden in der WAK rund 207 Tonnen abgebrannter
Kernbrennstoff aus sieben Atomkraftwerken, einem Forschungs- und einem
Schiffsreaktor wieder aufgearbeitet. Dabei wurden gewonnenes Uran (200
Tonnen) und Plutonium (1,1 Tonnen) zur Weiterverarbeitung ausgeliefert.
Ursprünglich sollte die "Atomsuppe" zur Verglasung ins belgische Mol
gebracht werden. Wegen massiver Proteste gegen die Atom-Transporte
entschieden sich die Verantwortlichen aber für die Verglasung vor Ort.
Dafür wurde eine eigene Anlage gebaut, deren Bau sich immer wieder
verzögerte. In festem Zustand - verpackt in 1,50 Meter hohe und 40
Zentimeter breite Edelstahlkokillen - ist das Gemisch zwar immer noch
hochradioaktiv; die pechschwarze Glasschmelze lässt sich aber nach
Auffassung der Verantwortlichen in Castoren sicherer transportieren.
Atomkraftgegner und Umweltschützer halten den "Atommüll-Tourismus" dagegen
für sinnlos und gefährlich. Weil die Endlagerfrage noch nicht gelöst ist,
sehen sie das Atommüll-Problem lediglich verlagert. Der BUND kritisiert
zudem die geplante Aufbewahrung im oberirdischen Zwischenlager Lubmin, wo
die Castoren in "luftigen Hallen stehen und permanent Strahlung abgeben".
Die Castoren sollten nach Meinung von Grünen und Greenpeace dort gelagert
werden, wo der Müll herkommt: etwa in den Zwischenlagern
baden-württembergischer Atomkraftwerke.
13 Feb 2011
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