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# taz.de -- Genussreise auf der Schwäbischen Alb: Regionale Spezialitäten
> Albbüffel, Alblamm, Albmus und Albdinkel sind nur einige der
> Spezialitäten von dem Höhenzug zwischen Neckar und Donau. Auf der
> Schwäbischen Alb setzt man auf traditionelle Erzeugnisse.
Bild: Ein Schäfer mit seiner Schafherde auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz…
Die Schwäbische Alb galt bisher nicht als eine Genussregion. Karge
Wacholderheiden, raue Ostwinde und einer der größten Truppenübungsplätze
der Bundeswehr - das war es, was das Bild von dem Höhenzug zwischen Neckar
und Donau prägte. Doch dies hat sich nun geändert. Aus dem
Truppenübungsplatz der Bundeswehr ist das Zentrum eines Biosphärenreservats
geworden, und in ganz Deutschland existiert kein anderer Landstrich, in dem
so viele traditionelle regionale Spezialitäten neu entdeckt werden.
Es gibt Alblamm und Albbüffel, Albschnecken, Alblinsen und Albdinkel, den
man nicht nur zu Spätzle, sondern auch zu Bier verarbeitet. Am
ungewöhnlichsten aber ist das Albmus, ein schwarzer Brei aus gerösteten
Getreidekörnern, der jahrhundertelang die Hauptnahrung auf der mit
Reichtümern nicht gerade gesegneten Alb war.
Inzwischen wurde das Musmehl ebenso wie Schnecken und Linsen in die
[1][Slow-Food-Arche zur Erhaltung vom Aussterben bedrohter Produkte]
aufgenommen.
Das Alblamm aber hat es sogar bis in die Sterneküchen von Harald Wohlfahrt
und Claus-Peter Lumpp in Baiersbronn geschafft, wo es dem Salzwiesenlamm
aus Frankreich Konkurrenz macht. Doch woher kommt der kulinarische
Höhenflug?
Roman Lenz, Professor an der Hochschule in Nürtingen, hat hierauf eine
Antwort, die aus nur einem Wort besteht: "Plenum". Und auch Biobauer
Woldemar Mammel, der vor 25 Jahren mit dem Wiederanbau der fast
verschwundenen Alblinse begann, sagt: "Ohne Plenum hätten viele Projekte
auf der Alb sich nicht so weit entwickeln können."
Plenum, das ist das "Projekt des Landes zur Erhaltung von Natur und
Umwelt", das jedes Jahr über 1 Million Euro in fünf ausgewählte Regionen
Baden-Württembergs steckt. Ziel ist es, Initiativen "von unten" zu fördern,
um damit den "Herausforderungen globaler Märkte" begegnen zu können.
Von den öffentlichen Geldern erhielt die Schwäbische Alb im Jahr 2009 gut
240.000 Euro, womit nicht nur das Anlegen von Kräuter- oder Obstlehrpfaden,
sondern auch ein "Bag-in-Box"-Projekt gefördert wurde.
Mit diesen Abfüllanlagen können Besitzer von Streuobstwiesen ihren eigenen
Apfelsaft herstellen. Was nach den Projekten einer rot-grünen Regierung
aussieht, stammt tatsächlich von einer konservativen CDU/FDP-Koalition.
Denn die Ideen einer alternativen Landwirtschaft sind inzwischen auch in
ehemals tiefschwarzen Regionen wie der Schwäbischen Alb auf dem Vormarsch.
Dies hat vor allem einen ökonomischen Grund: Alltag auf der Alb ist, dass
in den letzten acht Jahren noch einmal ein Fünftel der landwirtschaftlichen
Höfe dichtmachen musste.
Um ihr Überleben zu sichern, suchen daher sowohl konventionelle Landwirte
als auch Biobauern ständig nach neuen Verdienstmöglichkeiten, und so führte
die tiefe Krise der Landwirtschaft zu einer neuen Vielfalt regionaler
Produkte.
Eine Vielfalt, die Besucher beim "Bauernhofbrunch", in einem Biohotel wie
der "Rose" in Hayingen-Ehestetten, auf unzähligen Oster- und Bauernmärkten
oder bei einer Radtour durchs wild-romantische Lautertal kennenlernen
können.
Hier im Lautertal wurde von Plenum auch die Ansiedlung von rumänischen
Wasserbüffeln unterstützt. Was natürlich zunächst auf Kritik stieß und die
Frage nach der regionaler Tradition dieser südosteuropäischen Büffel
aufkommen ließ.
Doch ein Mitarbeiter des projektbegleitenden Büros vergrub sich tief in
historischen Archiven und fand schließlich Erstaunliches: Bereits vor
120.000 Jahren sollen Büffel auf der Schwäbischen Alb heimisch gewesen
sein. Weshalb man diese mit Fug und Recht auch Albbüffel nennen dürfe.
Doch egal, ob man den Albbüffel nun für ein typisches Albprodukt hält oder
nicht - für die Genießer entscheidend ist letztendlich die Frage, welche
Qualität das Fleisch hat.
Ein Tafelspitz vom Büffel ist dunkler als der eines Rindes, er ist leicht
marmoriert, hat kurze Fasern und lässt sich sowohl in der Brühe garen als
auch in der Pfanne braten.
Und während Fleisch aus industrieller Mast beim Braten oft Wasser abgibt
und immer kleiner wird, geht das Fleisch des Büffels in der Pfanne auf. Der
Geschmack aber, da sind sich die Albbüffel-Liebhaber einig, ist intensiver
als der von Rindfleisch und hat "einen Hauch von Wild".
Und so "rennt das Geschäft wie geschmiert", wie Büffelzüchter Willi Wolf
sagt. Auf seinen Weiden bei Meidelstetten hält er rund 170 Büffel, doch
kann er gar nicht so viele Tiere liefern, wie nachgefragt werden.
Dafür ist natürlich nicht nur das staatlich geförderte Marketing
verantwortlich. Sondern, so Agrarwissenschaftler Roman Lenz, "ein kreatives
Milieu, ein Netzwerk von Qualitätsfanatikern".
Einer dieser Netzwerker ist Ludwig Failenschmid, Metzgermeister aus
Gächingen, den die Zeitschrift Der Feinschmecker zu den besten Deutschlands
zählt. Über die Alb hinaus bekannt wurde Failenschmid durch seinen
luftgetrockneten Speck, den er nach dem Vorbild des toskanischen "Lardo di
Colonnata" für die Erzeugergemeinschaft der schwäbisch-hallischen Schweine
entwickelte.
Ein anderer der - wie Roman Lenz sagt - "Leuchttürme der Alb" ist der
Münsinger Gerhard Stotz, der wohl bekannteste Schäfer Baden-Württembergs.
Mit Schäferschippe, Hut und weitem, wärmendem Umhang wirbt er für das
Alblamm, das seit dem 15. Jahrhundert die Landschaft zwischen Neckar und
Donau geprägt hat.
Vor allem das 18. Jahrhundert, als Wollmärkte in Göppingen und
Kirchheim/Teck entstanden, gilt als goldenes Zeitalter der Schafhalter auf
der Alb. Doch dies ist lange vorbei.
Inzwischen ist die Wolle der Schafe nur noch wenige Cent wert, allein vom
Verkauf von Lammfleisch kann selbst ein Schäfer wie Gerhard Stotz nicht
leben, und so suchte die Landesregierung auch hier nach einem Weg, um das
regionale Produkt zu erhalten.
Und fand gemeinsam mit Naturschützern einen geradezu genialen Weg: Man
beschloss, die Albschafe zur Landschaftspflege einzusetzen und dies mit
staatlichen Geldern zu fördern.
Gäbe es die Schafe nicht, die die Wacholderwiesen abgrasen, würde die Alb
nach und nach verbuschen und ihren traditionellen Charakter verlieren.
Zugleich verleihen die Kräuter der Albweiden, zum Beispiel wilder Majoran
und Wiesensalbei, dem Lammfleisch seinen besonderen würzigen Geschmack.
Gut also, dass immer mehr Schwaben statt Lamm aus Neuseeland das Fleisch
des Alblamms kaufen und damit einen der wichtigsten Leitsprüche von Slow
Food beherzigen: "Erhaltet die Tiere, esst sie auf!"
17 Feb 2011
## LINKS
[1] http://www.slowfood.de/arche_des_geschmacks/passagiere/
## AUTOREN
Sabine Herre
## TAGS
Reiseland Deutschland
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